THEO VAN GOGH: DIE GELD-DIKTATUR LAGARDE – MACRON – DRAGHI

Die Negativzinsen der EZB sind nicht mehr vermittelbar – Euro-Geldpolitik

FAZ – 8.6.2022 Die Europäische Zentralbank bereitet nicht nur überfällige Zinserhöhungen vor. Sie will auch die Anleiherenditen unter Kontrolle halten. Doch das ist nicht ihre Aufgabe.

Klare Worte findet der Mannheimer Ökonom Klaus Adam

zur gegenwärtigen Debatte um die Inflation. „Alles steht in der Europäischen Union auf dem Kopf“, schrieb Adam am Dienstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „Die Europäische Zentralbank kümmert sich um die Solvenz der Staatsfinanzen, während den Finanzministern die Inflation Sorgen bereitet. Wurden im Europäischen Vertrag die Zuständigkeiten nicht andersherum zugeordnet?“

Am Donnerstag tritt der Zentralbankrat der Europäischen Zentralbank zu einer turnusmäßigen Sitzung zusammen, auf der er sehr wahrscheinlich den Ausstieg aus seinem seit dem Jahre 2015 in Gang befindlichen Anleihekaufprogramm zum Monatsende beschließen und klare Signale über Erhöhungen des Leitzinses in den kommenden Monaten aussenden wird. Vermutlich im Herbst wird das Kapitel eines derzeit mit minus 0,50 Prozent noch negativen Leitzinses nach acht viel zu langen Jahren zu einem Ende kommen.

In der Führung der Zentralbank hatten sich einige Mitglieder dem Verlangen nach baldigen Leitzinserhöhungen zwar längere Zeit entgegengestellt. Doch selbst im Rahmen einer Strategie, die künftigen Inflationsraten ein höheres Gewicht zuerkennt als der aktuellen Inflationsrate, ist eine Kombination aus einer aktuellen Rate von 8,1 Prozent und einem negativen Leitzins schlichtweg nicht mehr vermittelbar. Auch in dieser Hinsicht steht die Welt auf dem Kopf.

Bittere Wahrheit unterschätzt

Präsidentin Christine Lagarde hatte in einem Blogbeitrag am 23. Mai die Debatte im Vorfeld der Sitzung vom 9. Juni zu kanalisieren versucht. Das durfte als ein ungewöhnlicher Schritt verstanden werden, weil Lagarde, anders als ihr Vorgänger Mario Draghi, bisher keine Neigung zeigte, durch einsame Positionierungen den Handlungsspielraum des Rats vorab zu beschneiden. Aus ihrer Präferenz für eine „graduelle“, aber notwendige „Normalisierung der Geldpolitik“ in einem schwierigen Umfeld haben viele Beobachter eine Präferenz der Präsidentin für zwei Leitzinserhöhungen um jeweils 0,25 Prozentpunkte auf den Ratssitzungen im Juli und im September geschlossen, die den Leitzins im Herbst auf null anhöben. Tatsächlich aber legt sich Lagarde in einer Situation, in der mehrere Ratsmitglieder eine sofortige Leitzinserhöhung um 0,50 Prozentpunkte für erwägenswert halten, nicht so präzise fest.

Diese Detaildebatten für geldpolitische Feinschmecker unterschätzen eine bittere Wahrheit: Angesichts der Inflationsdynamik werden alle derzeit im Zentralbankrat erwogenen Zinserhöhungspfade vermutlich nicht ausreichen, um die Stabilität des Preisniveaus auf mittlere Frist wieder zu gewährleisten.

Die Zentralbanken – hier steht die EZB nicht allein – sind auf die aktuellen Herausforderungen schlecht vorbereitet. Seit den Neunzigerjahren waren die Inflationsraten fast überall gesunken; bis zum Ausbruch der Pandemie hatte sich die Geldpolitik in einer Welt mit sehr niedrigen Inflationsraten eingerichtet und sich mehr mit dem Wirtschaftswachstum und der Finanzmarktstabilität befasst. Die Zentralbanken wandelten sich von Währungshütern zu Großversicherern gegen gesamtwirtschaftliche Risiken; zudem öffneten sie sich für weitere Themen wie Klimaschutz, Geschlechtergerechtigkeit und die Verteilung von Einkommen und Vermögen.

Die Zentralbanken tragen keine Verantwortung dafür, dass sie die Verwerfungen durch Pandemie und Krieg, den Einsatz von Nahrungsmitteln und Energie als Waffe sowie die Brüchigkeit globaler Lieferketten und ihre Konsequenzen für die Geldwertstabilität nicht vorhergesehen hatten. Externe Schocks, wie Ökonomen solche Ereignisse nennen, treffen ökonomische Prognosemodelle unvorbereitet. Aber die für die Geldpolitik „guten Jahre“, in denen die Inflationsraten niedrig blieben, hatten einen Glauben an ökonomische Modelle gestärkt, die es scheinbar ermöglichten, die für die Politik relevante mittelfristige Entwicklung der Inflation recht zuverlässig abzuschätzen: Unter der Annahme eines stabilen Vertrauens der Menschen in das Stabilitätsversprechen der Zentralbanken bestimmte sich die mittelfristige Inflationsrate stark durch die voraussichtliche Entwicklung des Arbeitsmarkts. Das stand zwar so auch in Lehrbüchern, funktionierte aber schon in den „guten Jahren“ nur eingeschränkt.

Die Debatte um die Wiederkehr der Inflation gewann im vergangenen Jahr in den Vereinigten Staaten mit Warnungen des Ökonomen Larry Summers Schwung. Summers hielt die zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in den Vereinigten Staaten aufgelegte Finanzpolitik für viel zu expansiv – was mittlerweile auch die amerikanische Finanzministerin Janet Yellen einräumt. Summers sah zudem die Gefahr einer um das Wirtschaftswachstum besorgten Zentralbank (Fed), die, wie in der Geschichte mehrfach geschehen, viel zu spät die Inflationsbekämpfung aufnimmt und dann so stark reagiert, dass sie die amerikanische Wirtschaft in die Rezession schickt. Kurzum: Summers, der von vielen Fachkollegen erst kritisiert wurde, erklärte die kommende Inflation in den Vereinigten Staaten vor allem mit einer zu kräftigen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, wenngleich Angebotseffekte wie steigende Energiepreise und Lieferkettenprobleme zu den Schwierigkeiten beitragen. Eine stabilitätsorientierte Geldpolitik zielt darauf ab, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu dämpfen. Die Fed musste handeln.

In Europa sah und sieht die EZB die Inflation sehr viel stärker durch Angebotseffekte und weniger durch eine sehr stark steigende Nachfrage getrieben. Daher betrachtete sie die Inflation lange als eine nur vorübergehende Störung, gegen die eine Zentralbank im Interesse des Wirtschaftswachstum und mit Blick auf ihre mittelfristige Ausrichtung der Geldpolitik eher wenig tun sollte.

Nach jüngsten Enthüllungen : Die Luft in China wird für deutsche Unternehmen dünner

Christian Geinitz 8.6.2022 FAZ – Wenn der Bund seine Xinjiang-Regeln ernst nimmt, müssten neben VW auch andere Konzerne um Staatsgarantien bangen. Doch die schrecklichen Bilder aus der Region in China wollen viele Unternehmer und Politiker nicht sehen.

Das Zusammenspiel von deutscher Wirtschaft und Politik in den Beziehungen zu China hat lange Zeit gut funktioniert. Konzernvertreter reisten mit Bundesministern oder Kanzlern nach Fernost, wo sich die Politiker gern für die Geschäfte einsetzten. Die Interessen wurden auch vom Steuerzahler gefördert, etwa durch Ausfallbürgschaften für den Export oder durch Investitionsgarantien. Letztere sind jetzt ins Gerede gekommen, seit neue erschreckende Berichte über die Verletzung von Menschen- und Minderheitenrechten in der muslimischen Uiguren-Provinz Xinjiang in Nordwestchina bekannt geworden sind.

Nach den Enthüllungen kündigte das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck (Grüne) an, „erstmals aus menschenrechtlichen Gründen vier Anträgen eines Unternehmens auf Verlängerung von Investitionsgarantien nicht stattzugeben“. Zur Begründung hieß es, die Anträge hätten einen Bezug zu einer Betriebsstätte im Uiguren-Gebiet gehabt: „Eine Übernahme von Garantien für Projekte in der Provinz Xinjiang ist angesichts der dortigen Menschenrechtslage nicht vorstellbar.“ Die Firma nannte das Ministerium nicht, doch handelt es sich offenbar um Volkswagen , das gemeinsam mit seinem staatlichen Partner SAIC aus Schanghai seit neun Jahren in der Provinzhauptstadt Urumqi ein eigenes Werk unterhält, die erste Autoproduktion überhaupt in Xinjiang.