THEO VAN GOGH: DIE FIFA IST AUCH NUR SO KORRUPT WIE INSGESAMT DIE HERRSCHAFT DIESER WELT – WEST WIE OST & NORD WIE SÜD!

Korruptionsjäger: „Die FIFA wurde von Qatar gekauft“ – FAZ 26-11-22

Herr Pieth, was halten Sie von FIFA-Präsident Gianni Infantino?- Genau wie sein Vorgänger Sepp Blatter hat Infantino eine große Zuneigung zum Geld. Infantino kopiert Blatter, greift aber noch brutaler als dieser nach der Macht. Während Blatter wie ein Patron agierte, ist Infantino ein Autokrat..

Jetzt agiert er als verlängerter Arm der Herrscher von Qatar.

 

Trotzdem wird er im März wohl im Amt des FIFA-Präsidenten bestätigt. Was sagt das über den Zustand der FIFA aus?

Die FIFA ist eine Bande von Schwächlingen. Dass Dänemark jetzt sagt, Infantino nicht mehr zu unterstützen, ist ja ganz nett. Gut und mutig wäre es indes, wenn der europäische Fußballverband UEFA kollektiv den Aufstand gegen die Wiederwahl Infantinos proben würde. Das Pro­blem ist allerdings, dass die UEFA mit ihren 55 nationalen Mitgliedsverbänden nur gut ein Viertel der FIFA-Mitglieder stellt.

Spiegelt die Zustimmung für Infantino innerhalb der FIFA nicht die Verhältnisse in einer Welt, in der rechtsstaatliche Demokratien ohnehin nicht in der Mehrheit sind?

Ja, die FIFA ist ein Abbild der Welt. Und gemäß dem Korruptionsindex von Transparency International ist mehr als die Hälfte der Länder hyperkorrupt. Insofern stellt sich die Frage: Will Europa da weiter mitmachen, oder steigt die UEFA aus der FIFA aus? Finanziell würde das funktionieren, da ist die UEFA gut aufgestellt. Die Sponsoren sind primär an Europa interessiert.

Aber dann gäbe es künftig keine Fußballweltmeisterschaften mehr.

Wir hätten dann Verhältnisse wie im Profi-Boxsport. Da gibt es mehrere rivalisierende Weltverbände. Das ist natürlich nicht optimal. Der Weltmeisterschaftsidee ist ein Monopol inhärent. Aber wenn der Monopolist, also in diesem Fall die FIFA, derart schlecht funktioniert, wäre es sinnvoll, über Alternativen nachzudenken. Dazu müssten die großen Verbände aus Deutschland, England, Spanien, Frankreich und Italien vorangehen. Mit seiner irren Rede zum Auftakt der WM in Qatar hat Infantino gezeigt, dass er irgendwie wirr ist – und das ist noch das Harmloseste, was man über ihn sagen kann. Andere Leute sprachen von einem medizinischen Befund.

Die FIFA hat den Mannschaften von sieben europäischen Verbänden das Tragen der „One Love“-Spielführerbinde als Zeichen für Vielfalt und Integration untersagt. Wie bewerten Sie das?

Bei der FIFA läuft ja alles hinter verschlossenen Türen. Wenn die UEFA mit all ihren Mitgliedern Infantino zuvor zu verstehen gegeben hätte, dass ein sanktionsbewehrtes Vorgehen gegen Träger dieser Binde Folgen haben werde bis hin zum möglichen Austritt der Verbände aus der FIFA, dann hätte er gewiss versucht, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Doch so war es relativ einfach für ihn, weil er keinen Widerstand erfahren hat. Die Europäer sind eingeknickt, und die FIFA wird als Sieger gefeiert. Das bekümmert mich.

Die öffentliche Empörung ist groß. Dennoch halten westliche Sponsoren wie Adidas, Coca-Cola, McDonald’s und Budweiser der FIFA und der WM in Qatar die Stange. Wie erklären Sie sich das?

Die Sponsoren kippen nur dann, wenn es wirklich brenzlig wird. Erst wenn die Fans anfingen, die FIFA-Sponsoren zu boykottieren, würde diese reagieren. Aber derlei ist im Moment nicht zu erkennen.

In Deutschland hat die Einzelhandelskette Rewe die Partnerschaft zum DFB vorzeitig beendet und die Haltung der FIFA als „skandalös“ kritisiert.

Das ist vorbildlich. Es ist eine Tragödie, dass sich andere Sponsoren jetzt noch nicht zu einem Abschied von der FIFA durchringen können. Dahinter steckt ein knallhartes Kalkül: Man hat viele Millionen dafür bezahlt, dass während der WM auf den Bildschirmen in der ganzen Welt immer wieder das eigene Logo erscheint. Diese Investition will man nicht einfach so abschreiben. Der Nutzen der Werbung für das eigene Geschäft wird immer noch als größer erachtet als der Imageschaden daraus, dass die WM in Qatar im krassen Gegensatz zum selbst postulierten Streben nach Diversität, gesellschaftlichem Zusammenhalt, Geschlechtergerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit steht.

Könnte der Rückzug westlicher Sponsoren die FIFA zu Reformen bewegen?

Ja. Die westlichen Sponsoren zählen ungleich mehr als weithin unbekannte chinesische oder arabische Firmen, die nicht dieselbe Präsenz auf den Konsummärkten haben.

Jüngst kam ans Licht, dass Qatar offenbar jahrelang kritische FIFA-Funktionäre beschatten ließ, um einen etwaigen nachträglichen Entzug der WM zu verhindern. Müsste die FIFA jetzt nicht Anzeige erstatten?

Ja, die FIFA müsste verbandsintern reagieren und Anzeige erstatten. Aber das passiert offenbar nicht.

Warum nicht?

Ganz einfach: Die FIFA ist gekauft von Qatar. Aber die schweizerische Bundesanwaltschaft müsste auch von sich aus tätig werden, weil hier der Spionagetatbestand erfüllt ist. Kritiker wie der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger, der Qatar als „Krebsgeschwür des Weltfußballs“ bezeichnet hatte, wurden systematisch ausgespäht. Zwanzigers Beziehungsnetz wurde durchleuchtet mit dem Ziel, Leute in seinem Umfeld zu manipulieren, damit sie auf ihn Einfluss nehmen. Es wurden E-Mails abgegriffen und Telefongespräche abgehört.

Warum hat die Schweizer Justiz in den verschiedenen FIFA-Korruptionsverfahren bisher nichts erreicht?

Das lag an der allzu großen Nähe der Bundesanwaltschaft zur FIFA. Inzwischen haben wir einen neuen Bundesanwalt. Zu der Frage, ob dieser in dem aktuellen Spionagefall ein Verfahren eröffnet hat oder das noch tun wird, gibt es aber bisher leider keine Auskunft.

Neben der FIFA sitzen auch noch viele andere große Sportverbände in der Schweiz, darunter die UEFA, das Internationale Olympische Komitee (IOC) sowie die internationalen Verbände für Handball, Eishockey, Judo, Basketball und Golf. Warum ist das eigentlich so?

Die Bedingungen sind günstig in der Schweiz. Die Verbände dürfen sich als Vereine registrieren, die nicht einmal eingetragen werden müssen. Manche bekommen Steuervergünstigungen. Inzwischen tummeln sich 60 internationale Sportdachverbände in der Schweiz.

Sollte die Schweizer Regierung die Regulierung dieser Verbände verschärfen?

Ja, aber unsere Forderungen nach Mindeststandards in der Buchhaltung und für eine regelkonforme Führung wurden vom Schweizer Parlament abgelehnt. Dort sitzen zu viele Lobbyisten der Sportverbände. Strengere Vorgaben würden im Fall der FIFA aber vermutlich gar nicht helfen. Denn auf dem Papier steht dieser Verband gar nicht so schlecht da. Es gibt dort zum Beispiel ein Ethik- und ein Audit-Komitee. Das Problem ist, dass Infantino intern alle kritischen Geister entfernt und diese Ausschüsse mit unfähigen oder getreuen Gefolgsleuten besetzt hat. Professionalität und Unabhängigkeit sind in diesen Funktionen einfach nicht mehr gewährleistet. Das sind Papiertiger.

Zum Schluss noch ein anderes, aber durchaus verwandtes Thema: Bei der Credit Suisse steigt die Saudi National Bank mit 10 Prozent ein. Rund ein Fünftel der zweitgrößten Schweizer Bank liegt wohl fortan in den Händen arabischer Investoren. Was sagen Sie dazu?

Wir haben ja darüber gesprochen, dass reiche Autokratien gegenüber den Demokratien auf dem Vormarsch sind. Das tun sie, indem sie sich überall einkaufen, sei es bei Banken, Firmen oder eben im Fußball. Dahinter steckt das Ziel, Kritik zu neutralisieren und Abhängigkeiten zu schaffen. Dieser Vormarsch ist antidemokratisch, weil er über kurz oder lang die Meinungsfreiheit tangieren wird. Solche Investoren sind trojanische Pferde in der Demokratie. Die Leute, die das Sagen haben in der Credit Suisse, beeinflussen die öffentliche Meinung. Indem der Vorstand der Bank den umstrittenen Einstieg der Saudis erklärt und verteidigt, ergreift er verharmlosend Partei für das dortige Regime.