THEO VAN GOGH BACKGROUNDER: PRO ORBAN & BDS / CONTRA SOROS !

“Berliner Zeitung”: Kulturchef nach Kritik am Verleger degradiert

Der Verleger Holger Friedrich sprach mit Viktor Orbán auf einem Podium, der Kulturjournalist Hanno Hauenstein äußerte sich kritisch. Nun ist er nicht mehr Ressortleiter. Von Johannes Schneider DIE ZEIT- 21.Okt 2022

Stein des Anstoßes: Holger Friedrich (rechts) spricht mit Viktor Orbán (Bildmitte). Ebenfalls zugegen: “Cicero”-Chefredakteur Alexander Marguier.

 

Hanno Hauenstein ist nicht mehr Leiter des Kulturressorts der Berliner Zeitung. Das bestätigte deren Chefredakteur Tomasz Kurianowicz am Freitag auf Nachfrage von ZEIT ONLINE. Demnach habe man sich bereits am Donnerstagnachmittag darauf geeinigt, das Ressort entsprechend zu informieren.

Geht es nach Kurianowicz, dem die Entscheidung nach eigenem Bekunden schwerfiel, soll Hauenstein, der den Posten 2021 übernahm, als Kulturredakteur und Autor weiterhin für “seine Themen” zuständig sein. Die Leitung des Ressorts übernimmt alleinig Susanne Lenz, die bisher mit Hauenstein in einer Doppelspitze agierte. Hauenstein selbst war am Freitag für ein Statement nicht zu sprechen.

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Vorangegangen war laut Informationen von ZEIT ONLINE eine interne Auseinandersetzung über mehrere Tweets Hauensteins zum Deutschlandbesuch des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán. So schrieb Hauenstein im unmittelbaren zeitlichen Umfeld einer Veranstaltung mit Orbán, die der Verleger der Zeitung Holger Friedrich co-moderierte: “for the record: ich halte es nicht für sinnvoll, Viktor #Orbán zu Gesprächen einzuladen.”

Bereits zuvor hatte sich Hauenstein zu einem Treffen Orbáns mit Olaf Scholz folgendermaßen geäußert: “Viktor #Orbán ließ die CEU Uni zumachen, greift gegen Presse und NGO’s durch, will gender studies verbieten, hasst Muslime, verzerrt Geschichte, und imaginiert eine Verschwörung, in der George Soros zentrale Rolle spielt. Wieso lädt man so jemanden ins Kanzleramt?” Schon dieser Tweet soll für Unruhe in der Redaktionsführung gesorgt haben – immerhin war das Gespräch zwischen Orbán und Friedrich sowie dem Cicero-Chefredakteur Alexander Marguier zu diesem Zeitpunkt schon angekündigt.

Nun ist Hauenstein auch sonst für Debatten gut, hat pointierte Meinungen speziell zur Politik Israels, zur BDS-Resolution des Deutschen Bundestags oder auch zur Diskussion rund um den Antisemitismus bei der documenta fifteen, die das Kulturprogramm der Zeitung zuletzt erkennbar geprägt haben. Speziell vor diesem Hintergrund ist unklar, ob die Degradierung wirklich nur mit der aktuellen Kontroverse zu tun hat – und also mit dem Moment, in dem Hauenstein mit dem Verleger unmittelbar ins Gehege geriet.

“Ja, es gab Unterschiede im Verständnis der publizistischen Ausrichtung”, sagt dazu Chefredakteur Kurianowicz. Das habe sich jetzt erneut gezeigt. Generell habe aber schon länger die Frage im Raum gestanden, ob das Ressort unter Hauenstein, den er als Stimme und Kollegen überaus schätze, bezüglich Genres, Thematiken und Standpunkten nicht zu einseitig geworden sei. Schließlich beschwört Kurianowicz, der die Chefredaktion im Juli 2022 übernahm, die Frage der Loyalität: Auch in anderen Kontexten habe man sich gewünscht, Kritik an Kolleginnen, der Zeitung oder dem Verlag lieber zunächst intern zu Gehör zu bringen statt unmittelbar in Tweets. Zwar gebe es keine konkreten Twitter-Regeln für die Redaktion, doch dadurch hätten sich Stimmen gemehrt, die das Haus durch Hauenstein falsch dargestellt sehen.

Die Frage ist nun noch, wer die konkrete Entscheidung getroffen hat. Auch hier ist Kurianowicz deutlich: “Die Personalentscheidung wurde nicht mit dem Verleger besprochen.” Das ist auch deshalb wichtig, weil in der Vergangenheit wiederholt die Frage aufkam, ob dieser Verleger – Selfmademan aus dem Osten, und kein klassischer westdeutscher Zeitungsfürst – sich nicht zu stark ins journalistische Geschehen einmische. Immerhin sind Verlag und Redaktion im Sinne einer unabhängigen Berichterstattung strikt zu trennen. Und auch das ist Kurianowicz wichtig: “Orbán-Kritik ist hier im Haus möglich und erwünscht.” So sei auch der gemeinsame Auftritt von Orbán und Friedrich seitens der Redaktion von einem umfassenden und kritischen Artikelprogramm zum Abend selbst sowie zur Politik Ungarns begleitet worden.