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TV-Kritik: „Hart aber fair“ : Dieser Krieg muss auf dem Schlachtfeld entschieden werden

Kai Spanke FAZ -12.4.2022 -Leiter der Denkfabrik „Zentrum Liberale Moderne“ und seit 1982 Mitglied der Grünen: der Publizist Ralf Fücks bei „hart aber fair“

Ob die Dringlichkeit der Lage in Berlin auch wirklich angekommen ist? Frank Plasberg diskutiert mit seinen Gästen darüber, was geschehen muss, damit die Ukraine gegen Russland gewinnen kann.

Die Ukrainer, das ist dieser Tage immer wieder zu lesen, denken nicht daran, sich Russland zu unterwerfen. Nach dem Massaker von Butscha und dem Raketenangriff auf den Bahnhof von Kramatorsk, von wo aus sich viele Menschen in Sicherheit bringen wollten, fragt sich abermals und dringender als zuvor, ob ein Waffenstillstand um jeden Preis überhaupt noch im Interesse Kiews sein kann. Wladimir Putin will die nationale Autonomie der Ukraine vernichten und ihre Wirtschaft lahmlegen, er tötet Zivilisten, unterbindet die Möglichkeit humanitärer Hilfe und versperrt Fluchtwege. Nachdem zu Beginn des Kriegs der Sinn von Waffenlieferungen angezweifelt wurde, weil man einen Sieg der Ukraine für ausgeschlossen hielt, hebt Außenministerin Annalena Baerbock nun deren Notwendigkeit hervor.

Es bleiben mithin die Fragen: Kann die Ukraine den Krieg überhaupt gewinnen? Falls ja, was sind die Grundlagen dafür? Eine Voraussetzung, da waren sich die Gäste Frank Plasbergs einig, ist schnelles Handeln. Christoph Reuter berichtet für den „Spiegel“ aus der Ukraine, war live aus einem Hotel zugeschaltet und sagte, am wichtigsten seien zügige Waffenlieferungen. Ralf Fücks, Leiter der Denkfabrik „Zentrum Liberale Moderne“ und Mitglied der Grünen, stimmte zu, äußerte allerdings den Verdacht, die Dringlichkeit der Lage sei noch nicht in Berlin angekommen. Der Blitzkrieg sei gescheitert, nun folge die Materialschlacht, da würden gepanzerte Fahrzeuge und Raketenabwehrsysteme dringend benötigt.

Der Widerstandswille ist nach wie vor groß

Dass der Krieg zu einer anhaltenden Katastrophe werden könnte und die Zeit auch gerade deswegen knapp sei, haben beide immer wieder betont: „Es dauert zu lange, zu lange, zu lange“ (Reuter), „Wir haben schon sieben Wochen verloren, die Ukraine hat schon sieben Wochen verloren“ (Fücks), „Es geht oft um Tage“ (Reuter), „Es gibt eine enorme Dringlichkeit, zu handeln“ (Fücks). Man war sich so einig, wie es selten in Talkshows der Fall ist, womöglich auch deshalb, weil Reuter und Fücks die Lage aus eigener Anschauung kennen. Letzterer war kürzlich erst in der Ukraine und berichtete in den vergangenen Wochen bei verschiedenen Gelegenheiten von der Willensstärke eines Volks, das sich durchaus zutraut, Russland nicht nur in Schach zu halten, sondern zu besiegen – sofern der Westen als Unterstützer bereitsteht.

Margarete Klein, Russlandspezialistin der Stiftung Wissenschaft und Politik, konnte das bestätigen: „Der Widerstandswille der ukrainischen Streitkräfte ist nach wie vor groß.“ Petra Pinzler, Korrespondentin in der Hauptstadtredaktion der „Zeit“, betrachtet Waffenlieferungen als richtige Reaktion auf einen Machthaber und Kriegstreiber, dessen Politik unter anderem darin bestehe, Grenzen auszutesten und „immer ein Stück weiter“ zu gehen. Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff schließlich wurde schon sehr früh grundsätzlich: „Der gesamte Krieg als solcher ist ein Verbrechen.“ In Deutschland habe man sich an die Position gewöhnt, dass es bei Konflikten keine militärischen Lösungen geben kann. „Das stimmt nicht“, sagte Lambsdorff, der Ukraine bleibe nichts anderes übrig als eine militärische Lösung. Konkret: Dieser Krieg muss auf dem Schlachtfeld entschieden werden.

Floskeln und Nazi-Vergleiche

Es wurde schnell deutlich, dass der Zuschnitt der Sendung gewiss aktuell ist – dies aber schon seit geraumer Zeit. Die Frage nach den Möglichkeiten einer angemessenen Unterstützung der Ukraine wird nicht erst diskutiert, seit sich Annalena Baerbock vor dem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg für die Lieferung schwerer Waffen stark gemacht hat. Aber das Diskussionsfeld muss nun einmal jeden Tag aufs Neue bestellt werden, was wiederum Redundanzen erzeugt. Alle Standpunkte sind bekannt, Gegenargumente gut erprobt, bestimmte Sätze so oft an unterschiedlichen Orten geäußert, dass sich ein wiedererkennbarer Wortlaut eingeschlichen hat.

Wenn Margarete Klein mit Blick auf mögliche Sanktionen sagt, es gehe hier „sehr viel und sehr stark um die Kommunikation“, bringt sie eine Floskel ins Spiel, die im Grunde bei jeder Gelegenheit ins Schwarze trifft, man kann ja bekanntlich nicht nicht kommunizieren. Petra Pinzlers Hinweis, Bundeskanzler Olaf Scholz finde offensichtlich keine Worte mehr für all das, was sich in der Ukraine abspielt, hätte ein wenig mehr Aufmerksamkeit verdient; auch hier geht es ja sehr stark um Kommunikation. Dass Lambsdorff mit ein wenig Starthilfe von Plasberg Nazi-Vergleiche bemühte (Putin im Moskauer Olympiastadion lässt ihn an die Sportpalastrede denken) und darauf bestand, wir würden jetzt in einer anderen Welt leben (obwohl wir dank Hans Blumenberg wissen, dass es keine Zeugen von Epochenumbrüchen gibt), sind erwartbare, aber spezifizierungsbedürftige Einlassungen.