THE GERMAN KURDISH CHAPTER Start Politik Ausland Volk ohne Staat: Kurdistan ist unmöglich / BARZANI: „PKK WURDE ARROGANT!“
DIE ZEIT 3 Aug 2015 – Die Türkei greift die PKK an, doch die Kurden stehen nicht zusammen. Sie sind viel zu unterschiedlich. Der Traum vom eigenen, gemeinsamen Staat ist längst ausgeträumt. VON MURIEL REICHL, DIYARBAKIR
Massud Barsani, der Staatschef der autonomen Regierung in Kurdistan, wollte den Kurden in der Türkei mal etwas sagen, und zwar “für die Geschichte”. Seine Regierung sei so guter Dinge gewesen für die Lage zwischen Türken und Kurden in der Türkei. “Aber leider”, so Barsani, “wurden gewisse Parteien zu arrogant.” Damit meint er die PKK, die Arbeiterpartei Kurdistans, die jahrzehntelang gewaltsam gegen die Unterdrückung der Kurden und vor allem gegen den türkischen Staat gekämpft hat und es seit einigen Tagen wieder tut. Er verurteilt die Gewalt, wettert aber vor allem gegen diejenigen, die gerade auf seinem Regierungsgebiet bombardiert werden.
Barsanis Statement ärgert viele Kurden in der Türkei – und verwundert all jene, die die Kurden für eine Einheit halten. Wie jetzt, die Kurden stehen nicht Schulter an Schulter gegen die Türkei? Verurteilen nicht einstimmig die Bombenangriffe des türkischen Militärs im Nordirak und der Türkei und bejubeln die Morde der PKK an zehn Polizisten und Soldaten?
Warum sollten sie auch. Die Kurden sind nicht die homogene Masse, als die sie in der Öffentlichkeit oft erscheinen. Es beginnt schon mit der Sprache. Sie sprechen vier verschiedene Dialekte: Kurmandschi, Sorani, Zazaki und Gorani. Für einen Kurmandschen klingt Sorani so vertraut wie für einen Österreicher Plattdeutsch. Die Dialekte haben verschiedene Aussprachen, Begriffe, grammatische Besonderheiten und sogar verschiedene Schriften. Die Kurden haben verschiedene Religionen, politische Strukturen und extrem unterschiedliche Vorstellungen von Staatsformen. Und vor allem: Kaum jemand glaubt noch an einen gemeinsamen kurdischen Staat. Das Trauermärchen von der zerschlagenen Hoffnung darauf feiert bald seinen 100. Geburtstag. Was in einem Jahrhundert nicht geschah, wird wahrscheinlich auch in absehbarer Zukunft nicht gelingen, und die meisten Kurden wissen das. Sie wissen nur zu gut um ihre internen Unterschiede. Zu weit die Distanzen, zu groß die Differenzen. http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-07/kurden-autonomie-tuerkei