MESOPOTAMIA NEWS : „WIR KÖNNEN EUCH ALLE NICHT MEHR RIECHEN!“

IM ZEITALTER DER VERBOTE / NACH RAUCHVERBOT FAHRVERBOT  : Die große Angst vor den GELBEN WESTEN in Deutschland

Beinahe hatten die linksliberalen mittelständischen Funktionseliten sich durchgesetzt, da ruderten Stadtverwaltungen im Dutzend zurück: Fahrverbote aufgehoben, Messwerte plötzlich verändert + besser, wirkungsvolle Absauganlagen (Stuttgart) waren im Gespräch  – die auch in jedem Lokal jegliches Duftmolekül des Rauchens mühelos hätte vernichten können. Die streng antirassistischen Eliten möchten ihre Apartheid dauerhaft sichern und lange leben: umgeben von besserem Duft und in Abgrenzung vom Plebs. Sie fahren 1. Klasse Bahn, ordern ein Taxi und im Übrigen fliegen sie.

Die urbanen Gebiete  gentrifizieren sie teuer – die Preise in ihren Frequenzlokalen steigen – der Mob aber gehört außerhalb in die Renditeraster-Gebäuderiegel vor den Toren der Stadt, von wo aus – falls noch benötigt – man sie morgen/abends  im Kollektiv transportiert. .

 

Für FDP-Chef Christian Lindner, einen bekennenden Autofan, geht es um mehr. „Es geht doch nicht um Luftqualität in den Großstädten. Es geht doch nicht uni Klimaschutz”, wetterte er Anfang der vergangenen Woche. „Es geht doch ganz grundsätzlich gegen die individuelle Mobilität. Und es geht darum, eine Schlüsselindustrie zu kriminalisieren.” Nicht nur bei Lindner hat die Diskussion inzwischen eine Dynamik entwickelt, die sich längst nicht mehr auf Grenzwerte und die exakte Plazierung von Messgeräten konzentriert. Das mag noch vor den Verwaltungsgerichten eine Rolle spielen, aber die Gegner der Fahrverbote rüsten sich jetzt mit grundsätzlicheren Argumenten. Lindner spricht von einem „Kulturkampf gegen das Automobil”.

Immer häufiger wird auch die große soziale Frage gestellt: Sind wieder einmal die kleinen Leute auf dem Land die Dummen, die – mangels verfügbarer Busse und Bahnen – aufs eigene Auto angewiesen sind? Die sich keinen nagelneuen Euro-6-Diesel leisten können, sondern auf ihr altes Fahrzeug angewiesen sind? Wie um das Vorurteil zu bestätigen, haben sich die Stuttgarter für ihre eigenen 30 000 alten Dieselautos eine Gnadenfrist bis April genehmigt, während das Fahrverbot für die 300 000 Fahrzeuge aus dem Umland schon jetzt gilt.

Hinter alldem steht die bange Frage: Was, wenn Deutschlands Gelbwesten irgendwann eine ähnliche Druckwelle erzeugen wie im Nachbarland Frankreich, wo sich Präsident Emmanuel Macron den zornigen Bürgern schon beugen und umfangreiche Vergünstigungen in Aussicht stellen musste?

Auch in Frankreich hat alles mit Am begonnen, konkret ging es um die Ökosteuer auf Benzin. Im Raum stand Vorwurf, dass gutverdienende, urbane Eliten, die ohnehin nur Metro, TGV oder Flugzeug nutzen, den kleinen Leuten auf dem Land die Mobilität vermiesen wollen. Dabei muss man den Vergleich mit der französischen Protestbewegung gar nicht überstrapazieren. Letztlich ist es die Signalfarbe und die schnelle Verfügbarkeit, die das Kleidungsstück für Protestbewegungen so attraktiv macht. Warnweste und Auto: Das passt hervorragend zusammen, schließlich ist es sogar gesetzlich vorgeschrieben, dass man sie im Auto ständig mitführt. Die soziale Frage stellt sich in Deutschland anders als in Frankreich, wahlentscheidend könnte sie trotzdem sein.

In Deutschland ist der Protest weit davon entfernt, so gewaltig zu sein wie im Nachbarland. Er wirkt unorganisiert, geradezu zerfasert. Bisher lag er vor allem in den Händen eines jungen Montagearbeiters bei Porsche, gerade einmal 26 Jahre alt. Ioannis Sakkaros heißt der Mann, der als Beruf „Schrauber” angibt und innerhalb von nur wenigen Wochen zum Anführer der „Diesel-Wutbürger” wurde. Er hat jetzt alle Hände voll zu tun, Allianzen zu schmieden und gleichzeitig die Vereinnahmung seiner Protestbewegung durch Rechtsextreme abzuwehren.

 

Mehr in : FAS Sonntag Ralph Bollmann  10 Febr 2019