MESOPOTAMIA NEWS : Wie man mit CORONA Politik GEGEN TRUMP macht
- Von Majid Sattar, Markus Wehner und Michaela Wiegel -Aktualisiert am 06.04.2020-18:25 FAZ
Kauft Washington überall Atemschutzmasken auf und leitet Bestellungen um? Deutsche und französische Politiker behaupten das. Aber ist an den Beschuldigungen etwas dran – oder ist es nur Anti-Trump-Polemik? Kauft Washington Atemschutzmasken, die in der Corona-Krise schon von anderen Ländern bestellt worden sind, einfach auf? Dirigieren die Vereinigten Staaten sogar Lieferungen um? Oder konfiszieren sie sogar Atemschutzmasken auf fremdem Territorium? Im Streit über diese Fragen, die am Wochenende in Berlin, aber zuvor auch in Kanada und Frankreich für Aufregung gesorgt hatten, beharrten am Montag in Berlin beide Seiten auf ihrer Ansicht. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte im Fernsehen, 200.000 für Berlin bestimmte Atemschutzmasken seien „in den USA gelandet“. Das sei „nicht in Ordnung“, egal, wie genau die Abläufe nun gewesen seien.
Der Sprecher der amerikanischen Botschaft in Berlin äußerte sich hingegen ganz anders. Die Vereinigten Staaten seien besorgt darüber, dass internationale Anstrengungen, Schutzausrüstung zu besorgen, „durch Desinformationskampagnen ohne Adressat und Quellen“ gestört werden sollten. Die Vereinigten Staaten hätten keine Anstrengungen unternommen, um die für Berlin bestimmte Lieferung umzuleiten, von der man auch gar nichts gewusst habe.
Geisel hatte vor drei Tagen von einem „Akt moderner Piraterie“ und von „Wildwest-Methoden“ gesprochen, sogar gesagt, die Masken seien „konfisziert“ worden, wobei er dieses Wort in Anführungszeichen setzte. Die Aussage beruhte laut Berliner Innenverwaltung allerdings auf einer einzigen Quelle: den Angaben eines deutschen Medizinfachhändlers, der von der Berliner Polizei mit der Lieferung der Masken beauftragt und nach Geisels Aussage auch bezahlt worden war. Nach Auskunft dieses Vertragspartners, mit dem die Berliner Polizei seit Jahren zusammenarbeitet, sei die Lieferung der Schutzmasken auf dem thailändischen Flughafen Bangkok wegen einer amerikanischen Direktive storniert und das Frachtflugzeug in die Vereinigten Staaten umgeleitet worden.
Mittlerweile wird aber auch in Berliner Sicherheitskreisen Geisels Aussage, hier werde mit „Wildwest-Methoden“ vorgegangen, zumindest für vorschnell gehalten. Denn der Senat verfügt, wie er eingestehen musste, über keine eigenen Erkenntnisse über das, was auf dem Flughafen in Bangkok vor sich ging. Noch habe er Kenntnis davon, bei wem die Masken in China produziert worden seien. Derzeit sei man bemüht herauszufinden, „wie die Kette von Bestellung, Produktion und Lieferung gelaufen und was genau auf dem Flughafen in Thailand passiert ist“, hatte der Sprecher der Innenverwaltung am Wochenende mitgeteilt. Es gehe, so teilte ein Polizeisprecher mit, um Dinge wie die Flugnummer oder einen Transportschein.
Aus amerikanischer Sicht stellt sich die Sache recht einfach dar. Präsident Donald Trump, der am Wochenende den Vorwurf der „Piraterie“ zurückgewiesen hatte, war in den vergangenen Wochen von den Gouverneuren bedrängt worden, den „Defense Production Act“ (DPA) zu aktivieren. Dieses Gesetz, das aus den Tagen des Korea-Krieges stammt, erlaubt es Washington, Unternehmen anzuweisen, kriegs- oder krisenbedingt wichtige Güter zu produzieren. Zögerlich kam Trump dem Wunsch nach und befahl General Motors, Beatmungsgeräte herzustellen. Das Gesetz aktivierte er dann ein zweites Mal, um ein Exportverbot für „wichtige medizinische Produkte“ zu verhängen. Hintergrund war ein Streit zwischen dem Coronavirus-Krisenstab und 3M, einem in Minnesota sitzenden Hersteller von N95-Atemschutzmasken. Trump warf dem Unternehmen vor, die Situation auszunutzen und lukrative Geschäfte mit dem Ausland zu machen, anstatt wie andere Unternehmen der patriotischen Pflicht nachzukommen, das eigene Land zu bedienen.
In Frankreich wurde der „Maskenklau“ der Amerikaner eine öffentliche Debatte
Trump, der innenpolitisch unter Druck steht, weil er die Pandemie anfangs kleingeredet hatte, verwies darauf, die Produkte dringend im Inland zu brauchen. Er warf 3M Skrupellosigkeit vor und drohte, das Unternehmen werde einen hohen Preis zu zahlen haben. 3M freilich verwies auf bestehende Verträge. Der Präsident wiederum machte deutlich, dass langfristige Verpflichtungen zwar eingehalten werden könnten, ansonsten aber ein Exportverbot gelte. In Härtefällen, wie es sie Spanien oder Italien gebe, werde Washington gleichwohl Ausnahmen genehmigen. Während der Berliner Fall in Washington kaum eine Rolle spielte, führte das Exportverbot zu einem Streit zwischen Trump und dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau.
Auch in Frankreich spielte der angebliche „Maskenklau“ durch die Amerikaner eine Rolle in der öffentlichen Debatte. Allerdings hätte schon das Presseorgan, das die Sache ins Rollen brachte, Skepsis wecken können – es war der französische Dienst von RT, vormals Russia Today. Doch die Vorwürfe, die der Regionalratspräsident der Mittelmeerregion Provence-Alpes-Côte d’Azur, Renaud Muselier, auf RT gegen die unlauteren Geschäftspraktiken der Vereinigten Staaten erhob, wurden nicht hinterfragt. So beherrschte der Verdacht, amerikanische Mittelsmänner hätten Ladungen für Frankreich bestimmter Schutzmasken am Flughafen weggekauft, die Schlagzeilen der französischen Medien.
Parteifreunde Museliers von den Republikanern (LR) befeuerten das Narrativ. „Die Amerikaner kommen auf das Rollfeld, holen Bargeld heraus und zahlen drei- bis viermal so viel, wie wir für unsere Bestellung hinlegen können“, sagte der Regionalratspräsident der ostfranzösischen Großregion Grand Est, Jean Rottner. Valérie Pécresse, die an der Spitze der Hauptstadtregion Île-de-France steht, bestätigte, dass sich solche Geschäftspraktiken entwickelten. Doch nach Protesten der amerikanischen Botschaft in Paris ruderten die Politiker zurück. Rottner twitterte: „Stoppt die Falschinformation! Ich habe nie gesagt, dass unsere Bestellung entwendet wurde, sondern dass es sich um Geschäftspraktiken auf den Rollfeldern handele. Unsere Schutzmasken sind in Frankreich angekommen.“ Muselier äußerte, die Mittelmeerregion sei nicht betrogen worden, aber er wisse, dass so etwas vorgekommen sei. Auf Nachfrage wollte er aber keinen hintergangenen Kunden nennen.
Die Vorstellung, dass sich Frankreich in der Krise nicht auf die Vereinigten Staaten verlassen könne, hat sich hingegen in den Köpfen festgesetzt. Marine Le Pen äußerte, in der Not helfe Russland. Auf der Linken wurde beklagt, dass die Amerikaner eben alles für käuflich hielten, auch die Gesundheit.