MESOPOTAMIA NEWS RED CHINA: FACEBOOK = AUSGESPERRT – „Wenn Daten das neue Öl sind, dann ist China die neue Opec“, sagt Kai-Fu Lee, ein Tech-Investor
China & Amerika : Kalter Krieg der Technologie-Mächte
-
Ein Kommentar von Alexander Armbruster – FAZ -Aktualisiert am 05.06.2019
Der Konflikt der beiden größten Volkswirtschaften der Welt eskaliert auf einer ganz neuen Ebene. Was bislang ein Streit war, wird zum Krieg. Und er hat gerade erst begonnen.
Wandel ohne Handel? Die amerikanische Regierung geht gegen den kommerziell überaus erfolgreichen chinesischen Tech-Konzern Huawei vor. Klar ist schon jetzt: Der Streit der beiden größten Volkswirtschaften der Welt eskaliert auf einer neuen Ebene – obgleich es ohnehin nie „nur“ um Zölle, Handelsungleichgewichte oder die Frage ging, ob amerikanische Banken in Fernost mehr Geschäfte machen dürfen. Dafür ist die chinesische Ökonomie mittlerweile zu groß, der politische Einfluss der Volksrepublik zu weitreichend auch über die eigene Landesgrenze hinaus. Deutschland und Europa befinden sich quasi „zwischen den Fronten“, Unternehmenschefs hierzulande, die in Amerika und China gutes Geld verdienen, müssen hoffen, sich niemals nachhaltig für eine der beiden Seiten entscheiden zu müssen und gegen die andere.
In einer Zeit, in der (noch) erfolgreiche Mittelständler ebenso wie Weltkonzerne daran arbeiten, Produkte und Prozesse durch die intelligente Verarbeitung enormer Datenmengen zu verbessern, geraten naturgemäß genau jene Anbieter in den Fokus, die auf diesem Feld führend sind. Um zu ermöglichen, dass veritable Internetunternehmen wie Alibaba, Baidu und Tencent entstehen, hat die chinesische Führung vor Jahren schon gezielt die führende amerikanische Suchmaschine (Google) und das wichtigste soziale Netzwerk der Welt (Facebook) ausgesperrt.
„Wenn Daten das neue Öl sind, dann ist China die neue Opec“, sagt Kai-Fu Lee, ein Tech-Investor und führender Fachmann für Künstliche Intelligenz – und spielt damit darauf an, dass in der Volksrepublik schon heute mehr Menschen das Internet nutzen, als in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union zusammen leben. Und häufig intensiver. Wenn Experten darauf hinweisen, dass Amerikaner und Europäer in der KI-Spitzenforschung nach wie vor besser sind als die Chinesen, dann sagt das vor allem etwas über die Gegenwart aus und nicht zwingend über die mittelfristige Zukunft.
Wie können Deutschland und Europa sich wappnen?
Der Konzern Huawei wiederum ist zur Chiffre dafür geworden, dass die Chinesen längst nicht mehr nur aufholen, sondern eigene Maßstäbe setzen: Wenn es um den nächsten Mobilfunkstandard 5G geht, dessen Infrastruktur Länder rund um den Globus nun errichten. Und wenn es um Smartphones geht. Während sowohl Apple als auch Weltmarktführer Samsung weniger Geräte verkaufen, steigert Huawei den Absatz in atemberaubendem Tempo – und stahl beispielsweise mit seinem faltbaren Handy Mate X auf dem Mobile World Congress in Barcelona nicht nur den Südkoreanern die Show.
Endet dieser Siegeszug nun abrupt durch das Vorgehen der Regierung in Washington? Was wird aus Huawei, wenn Google das am weitesten verbreitete mobile Betriebssystem Android dauerhaft nicht mehr an die Chinesen lizensiert oder der britische Chipdesigner ARM seine Konzepte? Verfügt Huawei zeitnah über eigene Alternativen, die Kunden weiterhin überzeugen? Um Abnehmer in China wird sich der Konzern nicht sorgen müssen, außerhalb dafür umso mehr. Rächt sich die kommunistische Führung, indem sie nun die Ausfuhr wichtiger Rohstoffe – seltener Erden – nach Amerika einschränkt oder Apple auf dem für das Unternehmen wichtigen chinesischen Markt malträtiert?
Wenn sich das Kräftemessen der beiden Länder so weiterentwickelt, zerbrechen jedenfalls etablierte IT-Wertschöpfungsketten mit noch nicht absehbaren Folgen, trifft dies Unternehmen in Amerika, China und andernorts gleichermaßen, fragmentiert die Technik weit über Internetinhalte hinaus, spaltet sich die Welt in diesem Bereich endgültig in zwei Teile. „Technologie ist die große Trennlinie – und darum der Bereich, auf dem sich die Spannungen am ehesten entladen werden“, sagte der Politologe Ian Bremmer schon im Januar 2018 in dieser Zeitung voraus und verwendete dabei den Begriff des „technologischen kalten Krieges“.
Wie können Deutschland und Europa sich wappnen? Wenn es um Standards für Datenschutz, Privatsphäre, freie Meinungsäußerung im Internet oder Vorbehalte gegen überbordende staatliche Kontrolle geht, liegen Amerikaner und Europäer durchaus nahe beieinander – einen dritten (europäischen) Weg braucht es da sicher nicht, konstruktive Zusammenarbeit wäre viel besser. Die Europäer brauchen auch nicht unablässig all den Erfindungen nachzutrauern, die Tüftler im Silicon Valley zu Geld gemacht haben. Stattdessen liegt eine große Chance darin, auf den Feldern zu punkten, in denen das Rennen noch offen ist. Nach der stark vorangeschrittenen Vernetzung der Menschen zählt dazu nun die Vernetzung der Dinge wie etwa: Wer baut dereinst die beste intelligente Fabrik (Hardware und Software)? Wer erfindet und baut die ausgefeiltesten autonomen Fahrzeuge?
Der Staat wiederum muss generell dafür sorgen, dass dem Erfindergeist möglichst wenige Grenzen gesetzt werden. Zudem – und das ist vielleicht wirklich ein Unterschied zu zurückliegenden Jahrzehnten – muss er gemeinsam mit den Unternehmen in sensiblen Bereichen zumindest prüfen, ob es immer auch eine echte Alternative gibt. Für den Fall der Fälle.