MESOPOTAMIA NEWS : NUR NOCH LIEBE IM INTERNET ?! – WOHER ABER STAMMT DER HASS ? (FACEBOOK PLANT EIGENES GERICHT)

Der Hass stammt einfach aus dem Netz! so wie der Schriftsteller Fritz Reuter seinen Inspektor Bräsig die Herkunft der Armut erklären lässt: „Die Armut kommt von der Powerthe!“

Facebooks Rederegeln / Ist facebook ein Staat? –  Wie frei darf das soziale Netzwerk über die Kommunikation bestimmen? Von Tobias Gostomzyk UNI DORTMUND

DORTMUND. 16 Jan 2020 – Die Zeichnung eines bekannten Karikaturisten zeigt einen Mann, der einen Vertrag studiert. Dann fragt er den Verkäufer, was das Kleingedruckte bedeuten soll. Dieser antwortet: „Das ist nur der Seriosität wegen.” So einfach ist es mit den Gemeinschaftsstandards von Facebook nicht, die jeder zu akzeptieren hat, der das soziale Netzwerk nutzen möchte.

Denn Facebook ist für die Meinungsbildung Medium und Faktor: Es vermittelt Posts und verleiht so grundsätzlich jedermann eine Stimme. Gleichzeitig filtert es Inhalte wie Hassrede heraus. Wenn Inhalte veröffentlicht werden, entscheiden Facebooks Algorithmen maßgeblich darüber, welche Inhalte sichtbar werden.

Weiter plant das Unternehmen, ein eigenes Gericht einzurichten. Es soll abschließend über die Zulässigkeit von Posts entscheiden. Und außerdem formuliert das Tech-Unternehmen einseitig Gemeinschaftsstandards, aus denen sich rechtsverbindlich Äußerungsstandards ergeben. So soll es für FacebookNutzer beispielsweise unzulässig sein, jemandem mitzuteilen: „Ich hasse dich!”, oder jemanden als „Freak” oder „Feigling” zu bezeichnen.

Jemanden zu hassen ist aber genauso wenig rechtswidrig wie, jemanden zu lieben.

Die Meinungsfreiheit erlaubt auch scharfe, überzogene oder polemische Kritik. Die liberale Grundüberzeugung des Bundesverfassungsgerichts: Selbst stark polarisierenden oder gar hasserfüllten Ansichten soll durch erkenntnisfördernde Auseinandersetzung besser begegnet werden als durch ihr vorschnelles Verbot. So kann es genauso von der Meinungsfreiheit gedeckt sein, den Begriff der ‚Messereinwanderung” zu verwenden (Kammergericht Berlin, Az.: 10 W 172/18) wie eine rechte Politikerin in einem satirischen Beitrag als „Nazi-Schlampe” zu bezeichnen (Landgericht Hamburg, Az.: 324 0 217/17).

Umstritten ist deshalb, ob Facebook die Grenzen für Äußerungen durch Gemeinschaftsstandards enger ziehen darf als von der Meinungsfreiheit gestattet. Es handelt sich um eine Frage grundrechtlicher Digitalverantwortung sozialer Netzwerke.

Allein die Zivilgerichte befassen sich aktuell intensiv mit dieser Frage. Monatlich werden neue Entscheidungen zur Löschung von Posts oder dem Sperren von Accounts veröffentlicht.

Einige Gerichte vertreten dabei, Facebook unterliege einer dem Staat ähnlichen Grundrechtsbindung. Denn die Machtstellung von Facebook sei dem Staat vergleichbar.

Hieraus folgt, dass Facebook nur von der Meinungsfreiheit gedeckte Gemeinschaftsstandards durchsetzen dürfte. Eine Löschung von Posts wäre somit nur dann rechtmäßig, wenn sie nicht von der Meinungsfreiheit geschützt sind. Andere Gerichte gestatten Facebook mehr Spielraum: Es darf auch gelöscht werden, wenn von der Meinungsfreiheit gedeckte Posts gegen Gemeinschaftsstandards verstoßen. Das kann beispielsweise gegeben sein, wenn sie sich durch starke Polarisierung negativ auf die Kommunikationskultur auswirken. Allerdings ist bei Löschungen besondere Zurückhaltung geboten, wenn Posts ein Thema von öffentlichem Interesse behandeln.

Im Kern geht es darum, wie sowohl die Marktstellung eines sozialen Netzwerks als auch seine inhaltliche Ausrichtung die Grundrechtsbindung beeinflussen. Hierzu — auf das Bundesver-fassungsgericht ist zu warten — folgende These: Soziale Netzwerke genießen als private Unternehmen zwar Tendenzschutz. Sie dürfen eine bestimmte Ausrichtung in ihren Gemeinschaftsstandards vorgeben, auch im Sinne eines zivilen Diskurses. Doch je bedeutender ein Netzwerk für die Allgemeinheit ist, desto größer ist seine Bedeutung für die Meinungsfreiheit und damit sein unternehmerischer Spielraum — zumal soziale Netzwerke gerade aus der Gesamtheit ihrer Nutzer bestehen. Das gilt insbesondere für Facebook.

Der Autor lehrt an der Technischen Universität Dortmund.