MESOPOTAMIA NEWS NACHRICHTEN : EPITAPH FÜR WOLFGANG POHRT
Ach, Wolfgang Pohrt ist gestorben – und wenn der Name heute womöglich nur noch wenigen Lesern etwas sagt, dann liegt das wohl nicht nur daran, dass er in den letzten Jahren krank war und nichts mehr publizieren konnte.
Es liegt schon eher daran, dass Pohrt einer der intelligentesten, streitbarsten und zugleich unerträglichsten Menschen seiner Zeit war, ein Kopf, so unabhängig und unbestechlich, dass an eine stabile Karriere im akademischen oder publizistischen Betrieb einfach nicht zu denken war. Pohrt, der Soziologie, Politologie und Psychologie studiert, die Klassiker der kritischen und linken Theorie ver-standen, sein Schreiben aber an der Literatur geschult hatte, schrieb, in seinen populärsten Zeiten, in der “Zeit”, der „taz”, dem „Spiegel”, um nur einige zu nennen; und wenn man, so im Nachhinein, die Verhältnisse zu rekonstruieren versucht, dann liebten die Redaktionen Pohrts Provokationen; aber den Provokateur, den Autor, der mit jedermann in Streit geriet, liebten sie nicht.
Im Nachhinein müsste man sich unbedingt jetzt durch Pohrts Gesamtwerk (welches, mit Liebe und Hartnäckigkeit, Klaus Bittermann in seinem Verlag herausgibt) durcharbeiten; aber wenn die Erinnerung nicht völlig trügt, dann war Pohrt immer ein Lieblingsfeind der Linken, der Grünen, der Friedensbewegten – nicht etwa, weil er ein Rechter gewesen wäre. Sondern weil er jeden Selbstbetrug entdeckte und das antiamerikanische, antisemitische und antizivilisatorische Ressentiment benannte, zu einer Zeit, da das eigentlich keiner hören wollte. Preise gab es dafür nicht, und als Pohrt einmal nominiert war, beim (längst wieder eingestellten) Klagenfurter Publizistikpreis, da war schon sein Vortrag so barsch und böse, dass die Jury gar nicht anders konnte, als Angst zu haben vor diesem Mann. Sein Held war Flonor de Balzac; sein großer Essayband über Balzac, „Der Agent der Unzufriedenheit”, ist nicht nur ein Werk der Leidenschaft für die Literatur und das Erzählen, sondern auch ein Lehrstück darüber, was die Literatur einem Leser offenbaren kann, der bereit ist, die Bücher gegen die Intentionen des Autors zu lesen.
Am Freitag ist Pohrt gestorben; er wurde 73 Jahre alt.