MESOPOTAMIA NEWS : MENSCHENRECHTSREPORT TÜRKEI DES DEMOKRATISCHEN TÜRKEIFORUMS (DTF) JANUAR 2019

Meldungen des DTF im Januar 2019  – Die folgenden Nachrichten wurden im Dezember 2018 vom DTF erfasst und teilweise gekürzt oder zusammenfassend übersetzt. 

2018 rund 75 000 Festnahmen wegen Terrorvorwürfen  Insgesamt seien seit dem Umsturzversuch vor zweieinhalb Jahren nach offiziellen Zahlen aus dem November rund 218.000 Menschen wegen angeblicher Verbindungen zu den Putschisten festgenommen worden. Rund 31.000 von ihnen seien verurteilt worden oder sitzen noch in U-Haft. 2018 rund 75 000 Festnahmen wegen Terrorvorwürfen

Der Tagesspiegel berichtete am 31.12.2018, dass laut einer Veröffentlichung des türkischen Innenministeriums 2018 rund 75.200 Menschen wegen angeblicher Terrorverbindungen festgenommen wurden. Die große Mehrzahl – rund 52.000 – seien wegen Kontakten zu der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, den die türkische Regierung für den Putschversuch von 2016 verantwortlich macht, inhaftiert worden.  Insgesamt seien seit dem Umsturzversuch vor zweieinhalb Jahren nach offiziellen Zahlen aus dem November rund 218.000 Menschen wegen angeblicher Verbindungen zu den Putschisten festgenommen worden. Rund 31.000 von ihnen seien verurteilt worden oder sitzen noch in U-Haft. 

 

Keine Bestätigung der Erklärung von Erdogan die „Presse sei liberaler geworden“

BIA News Desk, 09.01.2019 

In einer Presseerklärung aus Anlass des „Tags der arbeitenden Journalisten“ am 10. Januar 2019 gab Präsident Erdoğan an, die Presse sei in den letzten 16 Jahren liberaler geworden. Die in dieser Zeit durchgeführten Reformen hätten zu einer Bereicherung und Vielfältigkeit der türkischen Presse beigetragen und zu einer demokratischeren und liberaleren Form verholfen. 

Das Datenmaterial der Berichte von bianet über die Meinungsfreiheit zeigen genau das Gegenteil: 

123 Journalisten waren am 1. Oktober 2018 im Gefängnis  Der Bericht über den Zeitraum Juli-August-September 2018 listet auf: 7 Journalisten wurden festgenommen. 85 Journalisten wurden entlassen.  37 Journalisten wurden vor Gericht wegen Beleidigung angeklagt. 20 Journalisten drohten insgesamt 93 Jahre und 4 Monate Gefängnis unter der Anklage „Beleidigung des Präsidenten“.

247 Journalisten drohten insgesamt in 46 Fällen erschwerte lebenslange Haft, in einem Fall lebenslange Haft, 2.855 Jahre und 6 Monate Gefängnis und 30.000 Türkische Lira als Geldstrafen. Der Zugang zu mindestens 2.518 Nachrichtenmeldungen und Artikel wurde verboten. Der Hohe Rat für Radio und Fernsehen (RTÜK) verhängte Geldstrafen von insgesamt 2.033.185 Türkische Lira gegen Fernsehkanäle. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (ECtHR) verurteilte die Türkei zu Entschädigungszahlungen von 2.500 Euro wegen Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung. 123 Journalisten waren am 1. Oktober 2018 im Gefängnis.

Zwischen 2001 und 2011 inhaftierte Journalisten Laut den Media Monitoring Reports von bianet für die Zeit von 2001 bis 2011 waren von 2001-2004 nicht mehr als 10 Journalisten inhaftiert, 15 Journalisten von 8 Medienerzeugnissen wurden 2004 inhaftiert. 2007 wurden 20 Journalisten von 11 verschiedenen Medienerzeugnissen inhaftiert. Am 31. Dezember 2011 waren insgesamt 104 Journalisten und 30 Zeitungsverteiler/Medienarbeiter in der Türkei hinter Gittern.

Zwischen 2012 und 2017 inhaftierte Journalisten Laut den BİA Media Monitoring Reports war die Zahl der in der Türkei von 2012-2017 inhaftierten Journalisten wie folgt: 2012 – 68 inhaftierte Journalisten 2013 – 59 inhaftierte Journalisten 2014 – 22 inhaftierte Journalisten 2015 – 31 inhaftierte Journalisten 2016 – 131 inhaftierte Journalisten 2017 – 122 inhaftierte Journalisten 

Hier finden Sie alle BİA Media Monitoring Reports 

 

Bericht über zwei Jahre Ausnahmezustand: Das Durchschnittseinkommen der Opfer liegt unter 800 Lira

Die Deutsche Welle berichtet am 21.01.2019, dass zwischen dem 2. August und dem 23. September 2018 die Gruppe Gerechtigkeit für die Opfer 3.776 Personen befragte, die von Maßnahmen des Ausnahmezustands betroffen sind und einen Bericht darüber verfasste.  Demnach seien mehr als 250.000 Staatsbürger unmittelbar zu Opfern geworden, mehr als 1,5 Millionen seien als Angehörige von den Benachteiligungen betroffen. In den 2 Jahren seit Verhängung des Ausnahmezustands wurden 125.800 Personen per Dekret aus dem Öffentlichen Dienst entlassen.  Gegen insgesamt 446.000 Personen wurden rechtliche Maßnahmen eingeleitet. Aktuell laufen noch mehr als 100.000 Ermittlungsverfahren und mehr als 48.000 Gerichtsverfahren. Mehr als 33.000 Menschen sitzen in Haft wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der Gülen-Struktur bzw. wegen des Vorwurfs der Beteiligung an dem Putschversuch.  99,64 % der per Dekret entlassenen Betroffenen seien während des nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 verhängten Ausnahmezustands zum ersten Mal mit dienst- oder strafrechtlichen Ermittlungen konfrontiert gewesen.  98,7 Prozent der von der Gruppe Gerechtigkeit für die Opfer befragten Betroffenen haben

einen Hochschul- oder höheren Bildungsabschluss, während dieser Anteil auf die gesamte Türkei bezogen bei 17 % liegt. 25 % der Betroffenen haben einen Masterabschluss oder sind promoviert. 83,9 % der Befragten gaben an, sie würden die Türkei verlassen und in einem anderen Land leben wollen, wenn sie die Möglichkeit bekämen. Ein großer Teil der betroffenen Militärangehörigen gab an, sie seien mit Befehlen, wie „Es gab einen Terroranschlag“, „Ein Aufstand ist im Gange“, „Manöver“ oder „Nachtdienst“ in den Putschversuch verwickelt worden.

Der insgesamt 1000 Seiten umfassende Bericht behandelt insbesondere folgende Themen: – 86 % der Befragten bestätigen, dass die Gefängniszellen, in welche die Bürger geworfen werden, 3-fach überbelegt werden. – 46 % der Befragten erklärten, dass es in den Gefängnissen im Winter Heizprobleme gibt, 83 %, dass es im Sommer Schwierigkeiten mit der Klimatisierung gibt.  – 67,8 % der Befragten finden, dass das Gefängnispersonal die Gefangenen nicht menschlich behandeln. 37 % gaben an, mindestens einmal Selbsttötungsgedanken gehabt zu haben. – Während das durchschnittliche Einkommen der Opfer vor dem Ausnahmezustand 3.500 Lira betrug, sei es bis heute auf 800 Lira zurückgegangen. – Die Zahl der im Gefängnis lebenden Kinder beträgt 700. – 95,3 % der Befragten benannten finanzielle Schwierigkeiten als ihr größtes Problem. An zweiter Stellte steht für 86,6 % der Befragten die Degradierung und Diskriminierung. Für 83,1 % ist das größte Problem die Arbeitslosigkeit. 41,6 % erlebten die Auflösung ihrer Familien. – 49 % der Befragten geben an, nicht in Gefängnissen in der Nähe ihrer Angehörigen untergebracht zu sein, was zu sehr langen Wegen und damit verbunden auch einer Vielzahl von Verkehrsunfällen. 

Im Bericht heißt es weiter, die Unschuldsvermutung, das Grundprinzip des modernen Rechts, gelte für die Opfer des Ausnahmezustands nicht: „Während eigentlich der Ankläger die Schuld des Beschuldigten oder Angeklagten beweisen müsste, hat man nun die Beweislast umgekehrt, und die Opfer müssen ihre Unschuld beweisen. Denjenigen, die in dieser Atmosphäre der Unterdrückung ihre Unschuld erklären, wird nicht selten vorgeworfen, sie verhielten sich „organisationskonform“. Während des Ausnahmezustands und in der Zeit danach habe man den Opfern und ihren Angehörigen jegliche Rechts- und Arbeitsplatzsicherheit genommen. Durch Arbeits- und Ausreiseverbote seien die Menschen gezwungen zu hungern.  In dem Bericht wird auch auf die Praxis der Kommission zur Untersuchung von Maßnahmen nach Ausnahmezustandsrecht eingegangen, welche als einziger Rechtsweg zur Wiedererlangung der verletzten Rechte der meisten der Opfer aufgezeigt wird. Die Kommission wende bei der Behandlung der Anträge von Geschädigten Kriterien an, die weder objektiv noch rechtlich haltbar seien. „Vielmehr werden die von der Regierung festgelegten politischen Kriterien angewandt, was zu einer Verlängerung der Benachteiligung der Opfer und dazu führt, dass die Opfer noch länger dauernde Benachteiligungen erleiden müssen. Die Kommission muss diese Praxis, die im modernen Recht keinen Platz hat, unbedingt beenden und bei der Bearbeitung der Anträge die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder der Venedig-Kommission des Europarats vorgeschlagenen Kriterien anwenden.“ Tunca Öğreten 

 

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