MESOPOTAMIA NEWS : MENSCHENRECHTSBERICHT TÜRKEI NOVEMBER – DEZEMBER 2018

Meldungen des DTF (Demokratisches Türkei-Forum) im November 2018 Die folgenden Nachrichten wurden im November 2018 vom DTF erfasst und teilweise gekürzt oder zusammenfassend übersetzt. 

Klage gegen die Regelung der Registrierung ArtiGercek, 31.10.2018  Gegen die Regelung der Auskunftspflicht für Vereine über ihre Mitglieder reicht die Anwaltskammer Diyarbakır Beschwerde ein. Es regt sich weiter öffentlicher Widerstand gegen die als ” Datensammelei” bekannte neue Regelung des Innenministeriums, die Vereine dazu verpflichtet, personenbezogene Daten wie Name und Anschrift, Geburtsdatum, Beruf und Ausbildungsstand sowie Eintrittsdatum aller Mitglieder weiter zu geben. Der Vorsitzende der Anwaltskammer Diyarbakır RA Cihan Aydın unterstreicht noch einmal, dass mit dieser Regelung des Innenministeriums und der damit einhergehenden Verpflichtung die Vereine gezwungen sein werden, die Mitgliedsnummer, Vor- und Zuname, Beruf, Ausbildungsstand und Datum des Eintritts und Austritts sowie der Kündigung der Mitglieder mitzuteilen.  „Das Recht auf Vereinigungsfreiheit wird verletzt“ RA Aydin weist daraufhin, dass diese Änderung im Widerspruch zu den Grundsätzen der Verarbeitung und Nutzung von personenbezogen Daten sowie den Schutz der Privatsphäre steht. “

Der Schutz der Öffentlichkeit ist nur ein Vorwand, das Registrieren, Erfassen und Nutzen der Personendaten von 11 Millionen widerspricht gegen die Verfassung und ist zudem gesetzeswidrig. Aufgrund der Kriminalisierung von Nichtregierungsorganisationen durch den Staat nimmt das Recht auf freie Vereinigung einen labilen/fragilen Verlauf an in letzter Zeit und durch diese Änderung wird versucht, das Recht de facto abzuschaffen. In der Gesellschaft werden diese Änderungen als „Ermittlung/Observation, Überprüfung und Überwachung wahrgenommen.“  „Dies ist eine Einschüchterungspolitik“ RA Aydın stellt klar, dass diese Regelung eine Einschüchterungspolitik gegen oppositionelle Verbände und Mitglieder aller NGOs darstellt. „Diese personenbezogenen …bergen die Gefahr in sich, als Vorwand für zukünftige Ablehnungen von Einstellungen in den öffentlichen Dienst oder Kündigungen derzeit im öffentlichen Dienst Beschäftigter zu dienen.. Folglich wird ersichtlich, dass es sich um eine Art des „Fichierens“ handelt. Aus Sicht der Grundsätze der Vereinigungs- und Meinungsäußerungsfreiheit wird diese Regelung auch eine Entfernung von den europäischen Grundprinzipien mit sich bringen.“  “Wir erheben Klage zur Aufhebung der Änderung“ RA Aydin weist darauf hin, dass die Anfang der 2000er in der Türkei mit dem Ziel zur Anpassung an den rechtlichen Besitzstand der EU begonnenen rechtlichen Verbesserungen, insbesondere im Vereinsrecht, mit nur einer Änderung abgeschafft worden sind. „Wir lehnen diese sich gegen Vereine richtende Regelung ab, denn Vereine sind Träger der Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Aus diesem Grund geben wir, die Anwaltskammer Diyarbakir, bekannt, dass wir Klage zur Aufhebung der Änderung einreichen werden. 

 

Weitere 10.000 Wächter für die Stadtviertel Der Deutschlandfunk berichtete am 13. November 2018, dass laut dem offiziellen Amtsblatt der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan per Dekret die Einstellung von 10.000 neuen Stadtviertel-Wächtern angeordnet habe. Diese Wächter patroullieren abends und nachts in ihren Stadtteilen und unterstützen die Polizei. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu müssen die Bewerber türkische Staatsbürger sein und seit mindestens einem Jahr in ihren Stadtvierteln wohnen.

Im Jahr zuvor habe Erdogan bereits die Einstellung von mehr als 7.000 Stadtviertel-Wächtern verfügt. 

 

Artikel 299 – Beleidigung des türkischen Präsidenten Das Internet-Portal Ahval berichtete am 16. November 2018, dass die türkische Regierung den im Jahr 1926 im türkischen Strafrecht eingeführten Strafrechtsartikels 299 „Beleidigung des Staatspräsidenten“ in den letzten sieben Jahren instrumentalisiert habe, um politische Kritik zu unterbinden und in das Recht auf freie Meinungsäußerung einzugreifen. Die Regierung habe Beweismittel aus Posts in den sozialen Medien, Karikaturen und Leitartikel benutzt, um wegen der Straftat „Beleidigung des Präsidenten“ zu ermitteln und strafrechtlich zu verfolgen Von 2010 bis 2017 seien 12.893 Verfahren wegen Beleidigung des Präsidenten eingeleitet worden. 12.305 seien während der Präsidentschaft von Recep Tayyip Erdoğan begonnen worden, der 2014 das Amt antrat. In insgesamt 5.150 Gerichtsverfahren seien 2.099 Personen verurteilt worden. In weiteren 660 Fällen sei ein Urteil erlassen worden, aber das Gericht habe die Entscheidung vertagt. 873 Verfahren endeten mit Freispruch. 

 

In türkischen Gefängnissen mehr als 40.000 Gefangene über der Kapazität T24, 14.11.2018  In den türkischen Gefängnissen sind derzeit 260.000 Insassen bei einer Kapazität von 220.000, 40.000 mehr als die Kapazität beträgt, wird der Generaldirektor der türkischen Gefängnisse Şaban Yılmaz in der unabhängigen Nachrichten-Seite T24 zitiert. Die größte Zahl der Gefangenen ist wegen Drogen-Delikten verurteilt. 742 Mütter mit Kindern sind hinter Gittern, 519 von ihnen wurden wegen Straftaten verurteilt. 743 Kinder sind mit ihren Müttern im Gefängnis. Von 2006-2016 ist die Zahl der Insassen um 161,7% stark angestiegen. Nach dem Putschversuch im Juli 2016 ist die Zahl höher geschnellt, nachdem die Regierung Zehntausende von Lehrern, Rechtsanwälten, Studenten, Richtern und anderen Beamten bei einem harten Durchgreifen gegen abweichende Meinung inhaftiert. Yılmaz gab an, dass 61.000 Mitarbeiter in den türkischen Gefängnissen arbeiten und im Jahr 2019 10.000 weitere eingestellt werden.  Im Jahr 2017 haben 57 Insassen Selbstmord begangen, im Jahr 2018 44.  Die Türkei hat die dritthöchste Zahl an Gefangenen pro Kopf der Bevölkerung in Europa, nach Russland und Weißrussland.