MESOPOTAMIA NEWS MEINUNG – US-PRÄSIDENT – Auch ein Trump kann einmal richtig liegen

 01.11.2018 | Von Jacques Schuster  – Chefkommentator – „DIE WELT“

Wir sollten über Donald Trumps krachenden Stil nicht unseren klaren Verstand verlieren. Der Mann hat manchmal einfach recht. Zum Beispiel beim INF-Vertrag mit Russland. Oder in der Einwandererfrage.

Selbst im Politischen lässt sich der pawlowsche Reflex beobachten: Immer wenn im Fernsehen auch nur der rötliche Haarschopf des amerikanischen Präsidenten auftaucht, gerät die Mehrheit der Deutschen in Wallung. Donald Trump kann machen und sagen, was er will. Er ist für die Deutschen ein Halunke und Hallodri, ein Verderber und Verführer, kurz – Satan, Höllenfürst und Gottseibeiuns in einem.

Tatsächlich, nie zuvor in der Geschichte der amerikanischen Präsidenten gab es einen Mann im Weißen Haus, der derart ausgiebig den Wonnen der Gewöhnlichkeit frönte. Jeden Morgen sucht Trump in krachender Selbstinszenierung neue Opfer, um über sie den vollen Nachttopf seiner Einfälle zu entleeren.

Dennoch: Bei aller Wut sollte sich der eine oder andere um Nüchternheit bemühte Zeitgenosse hierzulande fragen, ob der amerikanische Präsident mitunter nicht vielleicht recht hat, zieht man all das Donnerwetter ab, das Trump zum Leben genauso braucht wie sein Golfspiel. Beispiele dafür gibt es viele – von der Drohung, den INF-Vertrag zu kündigen, den die Russen mit der Aufstellung neuer Atomraketen seit Jahren verletzen, bis hin zur Ansage, er werde die Grenze zu Mexiko schließen und die Südamerikaner, die derzeit Richtung Norden wandern, im Notfall in Sammelunterkünften festsetzen, sollten sie amerikanisches Staatsgebiet betreten.

Wozu gibt es Grenzen, wenn jeder sie nach Belieben überschreiten darf? Welcher Staat (mit Ausnahme Deutschlands im Jahr 2015) lässt ohne Kontrolle und ordentliches Rechtsstaatsverfahren Tausende von Einwanderern in sein Land? Jeder weiß zwar: Eine standhafte Abwehr und Abschreckung von Einwanderern kann das Grundproblem der globalen Flüchtlingskrise nicht lösen. Genauso wenig aber hilft das Gebot der Fernstenliebe, das uns weismachen will, der moralische Segen sei uns sicher, wenn jeder Mensch kommen kann, der will.

Was heißt eigentlich, das Jahr 2015 dürfe sich nicht mehr wiederholen? Wer aufrichtig ist, der weiß es: Es bedeutet, im Notfall die Grenzen zu schließen, seien es die nationalen oder die europäischen. Genau das, was Trump auf der anderen Seite des Atlantiks umsetzt. Die Deutschen tun dies auch – nur auf eine verlogene Weise. Sie suchen Partner jenseits der EU, denen sie die Drecksarbeit der Abwehr überlassen können – von den Serben bis zu den Türken, von den Libyern bis zu den Marokkanern. Trump ist einfach nur ehrlich, wenn auch auf seine rabiate Art.

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