MESOPOTAMIA NEWS : MATERNALISMUS ALS NEUE SUBTILE FORM DES KOLONIALISMUS / RACKETE HOLT DIE STÄRKEREN, MÄNNLICHEREN & REICHEN INS ZENTRUM UND SCHWÄCHT DIE PERIPHERIE

Kommentar:  Alle nach Europa? Carola Racketes asylpolitische Forderungen sind weltfremd und Entmündigung Afrikas

Deutschlands bekannteste Kapitänin hat in einem Interview eine Art politisches Manifest formuliert. Was sie fordert, mag gut gemeint sein. Aber es wäre das Ende von Wohlstand und Sicherheit in Europa. –   Marc Felix Serrao, Berlin – NEUE ZÜRCHER ZEITUNG –  15.7.2019,

Die deutsche Kapitänin Carola Rackete hat in einem Interview mit der «Bild»-Zeitung ihre Weltsicht dargelegt. Das Gespräch ist sehen- und lesenswert, vor allem für all jene Europäer, die mit der 31-Jährigen sympathisieren. Das sind viele. Was Rackete über ihre Motivation sagt, Menschen in Seenot zu helfen, klingt einnehmend. Aber die politischen Forderungen, die sie daraus ableitet, sind aberwitzig. Sie würden die Krisen, sowohl auf diesem Kontinent als auch in Afrika, nicht lösen, sondern verschärfen.

 

Im Zentrum steht die Frage, ob Europas Fähigkeit, Flüchtlinge aufzunehmen, eine Grenze habe. Racketes Antwort darauf besteht aus zwei Teilen. Erstens: Asyl kenne keine Grenze. Zweitens: Der «Zusammenbruch des Klimasystems» mache die Unterscheidung zwischen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten obsolet. Die Europäer hätten keine Wahl. Sie könnten nicht sagen, dass sie «die Menschen nicht wollen».

 

Asyl ohne Grenzen?

Dass Menschen andere Menschen nicht «wollen», ist eine Formulierung, die direkt ans Gewissen appelliert. Wollt ihr so empathielos sein?, fragt die Kapitänin. Ein derart aufgeladener Subtext ist geeignet, den eigentlichen Text zu überdecken. Denn natürlich kennt das Asylrecht Grenzen, auch in Deutschland. Hier kann es nur in Anspruch nehmen, wer in seiner Heimat nachweislich politisch verfolgt wird, dort ohne Fluchtalternative ist und nicht über einen sicheren Drittstaat eingereist ist. Letzteres mag durch die Verwaltungspraxis ausgehöhlt worden sein, es ist aber geltendes Recht.

Rackete argumentiert, dass äussere Umstände wie der Klimawandel eine «erzwungene Migration» in Gang gesetzt hätten, die de facto nicht begrenzbar sei, sondern hingenommen werden müsse. Im ersten Schritt müssten die etwa 500 000 Menschen, die derzeit in Libyen die Überfahrt nach Europa planten, sofort einreisen dürfen. Und danach?

Der Begriff «Pull-Faktor» wird oft vorschnell benutzt. Wenn es heisst, die blosse Anwesenheit privater Seenotretter verleite Menschen zur gefährlichen Fahrt übers Mittelmeer, dann ist das ein Fehlschluss. Die Schiffe mögen in der Kalkulation der Schlepperbanden ein Faktor sein. Für die Menschen in den Booten sind die Sicherheit und der Wohlstand Europas der entscheidende Pull-Faktor.  

Eine einfache Lösung gibt es nicht

Eine Politik à la Rackete aber, die einer halben Million Menschen auf einen Schlag die Einreise gestattete, würde Europa für Migranten zu einem Magneten machen, der nicht nur die fragile Einheit und die wackelnden sozialstaatlichen Systeme der Staatengemeinschaft sprengen, sondern auch den Braindrain in Afrika auf unverantwortliche Weise verschärfen würde.  

Eine einfache Lösung gibt es nicht. Aber es gäbe Mittel, die Situation zu entschärfen. Europas Regierungschefs könnten deutlich mehr Druck auf die Machthaber in Libyen ausüben, um die Lebensbedingungen in den Lagern des Landes zu verbessern, nach dem Vorbild der halboffenen «Gathering and Departure Facilities» des Uno-Flüchtlingshilfswerks. Dafür müssten sie aber, anders als bisher, geschlossen auftreten. Sie könnten ausserdem Geld in die Hand nehmen, um zusätzliche Evakuierungs- und Resettlement-Plätze in Afrika zu schaffen. Das Schicksal dieses Kontinents darf den Europäern nicht egal sein.

Ein letztes Argument der Kapitänin handelt von der «historischen Verantwortung» der früheren Kolonialmächte. Die Machtverhältnisse in Afrika seien durch diese bestimmt worden. Auch deshalb müsse man Migranten aus Afrika aufnehmen, fordert Rackete.

 

Neokolonialer Maternalismus

Der Hinweis auf die Kolonialzeit ist nicht unberechtigt; auch die Deutschen haben sich versündigt, etwa im damaligen Deutsch-Ostafrika oder -Südwestafrika. Das Problem ist abermals Racketes Schlussfolgerung. Die Kapitänin leitet aus einem historischen Unrecht einzelner europäischer Länder eine Reparationspflicht des ganzen Kontinents ab, in Form eines uneingeschränkten Einwanderungsrechts. Auch hier mag der Wille gut sein. Aber seine politische Realisierung würde die Sicherheit und den Wohlstand Europas nicht teilen, sondern letztlich zerstören.

Dazu kommt ein paternalistischer – hier: maternalistischer – Blick. Wer, wie Rackete, alle Verantwortung für Afrikas Missstände bei den einstigen Kolonialmächten ablädt, der behandelt die dortigen Länder wie unmündige Kinder, denen letztlich nur geholfen werden kann, indem man sie entvölkert.

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