MESOPOTAMIA NEWS „JEAN ZIEGLER“: DER HERO & JUBILÄUMSREDNER VON MEDICO INTERNATIONAL & DER STALINISMUS & DIE MLPD

Jean Zieglers Stalinisten-Connection – NEUE ZÜRCHER ZEITUNG

Bei der Wahl seiner Bündnisgenossen war der Schweizer Kapitalismusgegner Jean Ziegler noch nie wählerisch. So hat er – offenbar ahnungslos – auch eine deutsche Politsekte unterstützt, die bis heute Stalin und Mao Zedong verehrt. Lucien Scherrer 4.2.2019, NZZ

Der Schweizer Soziologe und UN-Berater Jean Ziegler auf einer medico  Veranstaltung in Frankfurt am Main.

Kim Il Sung, Muammar Ghadhafi, Fidel Castro, Robert Mugabe: Die Liste der Diktatoren, die Jean Ziegler in seiner schillernden Karriere als Autor, Kapitalismusgegner und SP-Politiker allzu eifrig verklärt hat, ist lang – und sie wird immer länger. So steht der 84-Jährige derzeit ebenso stur wie standesgemäss zu den linkspopulistischen, venezolanischen Despoten Hugo Chávez und Nicolás Maduro, die ihr Land innerhalb von wenigen Jahren heruntergewirtschaftet und die Demokratie faktisch abgeschafft haben.

Ziegler, im persönlichen Umgang ein äusserst sympathischer Mensch, hat für seine ideologischen Verirrungen zeitlebens viel Kritik einstecken müssen. Beirren lassen hat er sich jedoch nie – ein Überzeugungstäter, der sich gerne darauf beruft, nichts gewusst zu haben (so im Fall Kim Il Sungs), gar nicht so dick befreundet gewesen zu sein (so im Fall Ghadhafi) beziehungsweise bis heute recht zu haben (so im Fall Castros). Und überhaupt: Wer für eine gerechte Welt kämpft, darf bei der Beurteilung seiner Bündnisgenossen nicht allzu streng sein.

Massenmord? Alles Schauermärchen!

Welche Probleme diese Haltung mit sich bringt, zeigt sich nicht nur im fernen Venezuela, sondern auch in Deutschland. Von der Öffentlichkeit bis anhin kaum bemerkt, scheint es Ziegler dort eine Politsekte namens Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (kurz MLPD) angetan zu haben. So lässt der Erfolgsautor nicht nur eines seiner Bücher im MLPD-Verlag «Neuer Weg» herausgeben. Er hat die «Internationalistische Liste / MLPD» 2017 auch offiziell unterstützt, samt Testimonial als Uno-Menschenrechtsrat. Botschaft: Es sei wichtig, gemeinsam gegen die «Verarmung» und die «Missachtung der Menschenrechte» zu kämpfen.

Nun kämpft die MLPD allerdings nicht für die Menschenrechte, sondern für eine kommunistische Diktatur, was sie in ihren Schriften auch gar nicht verhehlt – genauso wenig wie ihre Bewunderung für Josef Stalin und Mao Zedong. Deren Köpfe zieren nicht nur die MLPD-Theorieschriften. Sie finden sich auch unter den Autoren des Verlags «Neuer Weg», in einer Reihe mit Jean Ziegler. «Die Verteufelung Stalins und die Diskreditierung seiner Verdienste», so ist auf der Verlagswebseite unter anderem zu lesen, «sind eine der Hauptformen des Antikommunismus heute.» Sprich, der Arme wird völlig falsch eingeschätzt.

Gleiches gilt auch für Mao. Wer etwa glaubt, die «grosse proletarische Kulturrevolution» sei ein abscheuliches Gemetzel von aufgehetzten roten Garden gewesen, dem Millionen chinesische Bürger zum Opfer gefallen seien, sitzt laut dem «Neuen Weg» irgendwelchen «Schauermärchen» auf. In Wahrheit, so erfährt man, verhinderte Mao mit seinen «kühn mobilisierten Millionenmassen» eine drohende «Restauration des Kapitalismus» – wobei er nebenbei auch noch für einen «wirtschaftlichen Aufschwung» sorgte.

«Ein fertiger Seich»

So viel Geschichtsklitterung muss man erst einmal zustande bringen. Jean Ziegler zeigt sich auf Anfrage irritiert über die Analysen der deutschen Genossen: «Der Verlag ‹Neuer Weg› hat die Rechte an meinem Roman ‹Das Gold von Maniema› erst später vom Verlag C. Bertelsmann gekauft», sagt er, «über dessen politische Ausrichtung war ich nicht informiert.» Bei den Bundestagswahlen habe er nicht die MLPD unterstützen wollen, sondern ein weites Linksbündnis, das sich für Solidarität mit der Dritten Welt einsetze: «Mit dem Stalinismus habe ich nichts zu tun, alle anderen Behauptungen sind ein fertiger Seich.»

Tröstlich für Ziegler: Nicht-wissen-Wollen, Gleichgültigkeit und familiäres Nebeneinander mit Ewiggestrigen ist im offiziell «progressiven» linken Milieu gang und gäbe, wenn es um Verbrechen im Namen des Sozialismus geht. Der langjährige MLPD-Chef Stefan Engel etwa wurde 2013 an die von SP und Grünen mitorganisierte Zürcher Maifeier eingeladen, um sein Werk «Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution» zu präsentieren – ein Meisterwerk alternativer Geschichtsschreibung, in dem unter anderem «enthüllt» wird, dass Kapitalisten eigentlich an Stalins Verbrechen schuld sind. Gleich in der Nähe war eine Plauderstunde der SP-Prominenz anberaumt, zum Thema «mehr bezahlbarer Wohnraum».

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