MESOPOTAMIA NEWS : Im Nebenjob Politiker  / DIE GESCHÄFTE DES JENS SPAHN

FOCUS Magazin | Nr. 48 (2012)  + Mittwoch, 09.09.2015, 17:47

Wenige Bundestagsabgeordnete verdienen zusätzlich so viel wie SPD-Kanzlerkandidat PEER STEINBRÜCK. Interessante Geschäftsmodelle entwickeln manche trotzdem – ohne Sorge um Interessenskonflikte

Als Peer Steinbrück wegen seiner Nebenverdienste unter Druck geriet, konnte Jens Spahn nicht an sich halten. Die stolzen Honorare für den SPD-Kanzlerkandidaten seien wohl „so ne Art Betreuungsgeld“ gewesen, twitterte der CDU-Gesundheitsexperte hämisch.

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Spahn macht ebenfalls gern Nebengeschäfte.

Der 32-jährige Politologe, der vielen in der CDU schon als kommender Gesundheitsminister gilt, verdiente über ein diskretes Firmenkonstrukt heimlich an intensiver Lobbyarbeit für die Gesundheitsindustrie. Mit seinen Freunden Markus Jasper und Max Müller gründete Spahn bereits im April 2006 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Der gehörte die Agentur Politas, die schwerpunktmäßig Klienten aus dem Medizin- und Pharmasektor berät. Jasper, 38, ist ein Vertrauter Spahns aus Jugendtagen bei der Jungen Union. Müller ist ein gut verdrahteter Lobbyist, der für den Pharma-Großhändler Celesio und für die Rhön-Kliniken tätig war.

Das Geschäftsmodell des Abgeordneten Spahn ist so klug wie anrüchig: Als Politiker entwickelte er die neuesten Gesetze und Reformen im Gesundheitsbereich, während sein Kompagnon Müller die Kunden aus der Gesundheitsbranche in Echtzeit hätte informieren und beraten können. Einfluss und Insiderkenntnisse sind bares Geld für die Großkonzerne. Partner Jasper, Chef zweier Beratungsgesellschaften (Politas und die KPW – Gesellschaft für Kommunikation und Wirtschaft), hatte ebenfalls Zugang zu den Informationen: Er leitete bis 2006 das Bundestagsbüro des Abgeordneten Spahn. Danach arbeitete er in Teilzeit weiter und gleichzeitig als Lobbyist.

Das Geschäft war einträglich: Im Jahr 2007 etwa schüttete die Politas nach FOCUS vorliegenden Steuerunterlagen über das Bankkonto mit der Nummer 6 603 017 413 der Berliner Sparkasse gut 32 000 Euro Gewinn an die Gesellschafter aus – auch Spahn kassierte. Politas wirbt noch heute auf seiner Website mit guten Kontakten in den Deutschen Bundestag: „Ganz gleich, ob es um eine Anhörung, ein Hintergrundgespräch oder um eine Plenardebatte geht. Wir sind für Sie dabei.“

Dass Volksvertreter Spahn sein Mandat als Gesundheitspolitiker profitabel für Beratungshonorare aus der Gesundheitsindustrie einsetzte, war ihm offenkundig bewusst, denn er verschleierte seine Beteiligung an der Lobbyfirma. Eine GbR muss ihre Geschäfte und Gesellschafter nicht veröffentlichen. Offiziell tauchte nur Jasper als Eigentümer der Agentur auf. Lediglich aus FOCUS vorliegenden Steuerunterlagen werden die Politas-Teilhaber klar: Treuhänder Jasper, Müller und eben auch Spahn.

Auf Anfrage bestätigte der Politiker seine 25-Prozent-Beteiligung bis Mai 2010. Er habe seinem Freund Jasper bei der Finanzierung geholfen, so Spahn. „Aus Gründen der Praktikabilität haben wir uns für die treuhänderische Lösung entschieden.“ Für ihn steht fest: „Einen Interessenkonflikt hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben.“ Das ist schwer zu glauben. Seit 2005 kümmerte sich Spahn an wichtigen Stellen im Parlament um Gesundheitspolitik. Er entschied mit über Reformen, bei denen es zum Leidwesen der Gesundheitsbranche stets um Einsparungen in Milliardenhöhe ging.

Im Mai 2010 verkaufte Spahn seine Politas-Anteile. Er habe den Eindruck eines möglichen Interessenkonflikts vermeiden wollen, lautet die Begründung.

Spahn ist nicht der einzige Abgeordnete, der sein Mandat mit der Beratung ausgerechnet jener Branche verknüpft, die von seinen politischen Entscheidungen betroffen ist. Vor allem Gesundheitspolitiker tauchen oft in der Hitliste der Spitzenverdiener im Parlament auf – in keiner anderen Branche sind die Lobbyinteressen größer.

 

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