MESOPOTAMIA NEWS : „HAUPTMANN HAMAS“ ODER WIE AVIGDOR LIBERMAN LÜGT – „2015 war der getötete Murtaja selbst von der Hamas inhaftiert und misshandelt worden, wie der palästinensische Journalistenverband damals meldete.“
Liebermans Reaktion auf einen tödlichen Schuss in Gaza
FAZ – TEL AVIV, 11. April. Mit wenigen Worten streute Avigdor Lieberman Zweifel in die wachsende Empörung über den tödlichen Schuss auf den Fotojourim s en Jassir Murtaja.
Palästinensische, israelische und internationale Journalistenverbände verlangen Aufklärung über den Tod Murtajas, der am Freitag von israelischen Scharfschützen erschossen worden war, als er die palästinensischen Proteste im Gazastreifen filmte. Doch Israels Verteidigungsminister sagte am Dienstag, Murtaja sei ein „Terrorist” gewesen und seit 2011 „Mitglied des militärischen Hamas- Flügels im Rang eines Hauptmanns”. Weder Lieberman noch sein Sprecher legten Belege vor. Murtajas Familie wies die Vorwürfe zurück. Doch die Zweifel stehen im Raum der israelischen Öffentlichkeit — und einmal dort, werden sie so schnell nicht vergehen.
Der dreißig Jahre alte Journalist trug eine Schutzweste mit der breiten Aufschrift „Press”, als ihn die Kugel seitlich in den Bauch traf, wie Augenzeugenberichte und Fotos belegen. Ein anderer Fotojournalist sagte, er und Murtaja seien einhundert Meter vor dem Zaun gewesen. Mit ihm wurden an dem Tag fünf weitere Journalisten getroffen, die überlebten. Murtaja hatte zuvor im Auftrag der Sender BBC und Al Dschazira gearbeitet. Er war im Besitz einer Kameradrohne. Auf die Drohne hatte Lieberman zunächst Bezug genommen, bevor er drei Tage später den Terrorvorwurf erhob. „Jeder, der mit Multirotordrohnen über israelischen Soldaten operiert, bringt sich selbst in Gefahr”, sagte Lieberman. Kollegen sagten, Murtaja habe am Tag seiner Erschießung nur mit einer .Handkamera gefilmt.
Zweifel wuchsen nun auch an Liebermans Terrorversion: Das State Department bestätigte, dass die von Murtaja geleitete Medienagentur im März einen 12 000 Dollar schweren Auftrag der Entwicklungsbehörde USAID erhalten habe. Üblicherweise gleichen die Amerikaner ihre Auftragnehmer mit israelischen Terrorlisten ab. Und 2015 war Murtaja selbst von der Hamas inhaftiert und misshandelt worden, wie der palästinensische Journalistenverband damals meldete. Die israelische Armee kündigte eine Untersuchung der Schüsse an. Ebenfalls untersucht wird ein von Soldaten verbreitetes Handyvideo, auf dem diese den Abschuss eines offensichtlich unbewaffneten Palästinensers vor dem Zaun bejubeln. Dies habe sich schon im Dezember zugetragen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte am Mittwoch, es sei eine „empörende Absurdität, dass (die eigenen) Leute Soldaten angehen, die sie vor der Vernichtung beschützen”.