MESOPOTAMIA NEWS FUNMOG : Der Sonntagsfahrer: Diesel zu Notstromaggregaten!

 Von Dirk Maxeiner (AchGut Achse)

„Was lernt Berlin aus dem Blackout?“ fragt der Tagesspiegel nach eineinhalb Tagen Stromausfall im Ortsteil Köpenick-Treptow. Ich vermute mal, Berlin lernt daraus das gleiche wie aus dem BER-Debakel: Also gar nichts. Oder das Falsche. Nachdem der Blackout sowohl die Schwachstellen der öffentlichen Infrastruktur als auch die suizidale Verlegungspraxis von lebenswichtigen Stromkabeln offenbarte, kam am Freitag prompt eine Schreckensmeldung oben drauf: Das Stromnetz, lange Jahre von Vattenfall betrieben, soll künftig an den Landesbetrieb Berlin Energie fallen. Berlin will sein Stromnetz selbst übernehmen. Pfhhhhh. 

Paul Watzlawick hat dieses Phänomen in seiner „Anleitung zum Unglücklichsein“  ausführlich beschrieben. Statt eine bei der Lösung eines Problems nicht erfolgreiche Strategie zu wechseln, neigt der Mensch dazu, seine Anstrengungen sogar noch zu verstärken, also mehr vom Falschen zu tun. Watzlawicks lustiges Beispiel: 

„Ein Betrunkener sucht unter einer Straßenlaterne seinen Schlüssel. Ein Polizist hilft ihm bei der Suche. Als der Polizist nach langem Suchen wissen will, ob der Mann sicher sei, den Schlüssel hier verloren zu haben, antwortet jener: „Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu finster.“ 

Berlin, ick sehe schwarz für Dir.

Gelernt aus 31 Stunden ohne Saft haben wohl eher die betroffenen Bürger. Es gibt sie eben doch, die sogenannte kollektive Intelligenz. Und die sagt: Da diesem Land in vielfacher Hinsicht nicht zu helfen ist, helfe ich mir eben selbst. Im vorübergehend ampelbefreiten Verkehr in der Köpenicker Altstadt funktionierte das schon mal prima. Schön Blickkontakt aufnehmen, einer fährt nach dem anderen in die Kreuzung ein, das klappte wunderbar. Und ganz ohne den sonst üblichen Stau. Wir lernen: Ohne rote Welle ist die Luft gleich viel reiner. Im Rathaus müssen sie jetzt echt hoffen, dass sich das nicht rumspricht. Besonders gut gefallen hat mir aber folgender Leserkommentar im Tagesspiegel:

„In Berlin fahren allein 1,2 Mio. PKW’s herum….. Jedes dieser Fahrzeuge ist mit einer Batterie und einem Generator ausgestattet. Was es braucht, ist also in jedem Auto nur ein preiswerter 230 V-Wechselrichter sowie eine Steckdose. Wenn nun jedes Haus nur einen einzigen Bedarfs-Stromkreis hätte, in den man per Kabel den Strom eines oder mehrerer Autos einspeisen könnte, wäre zumindest die Funktion von Zündelektroden und Heizungspumpen der Heizanlagen gewährleistet. Einen 400 Watt Wechselrichter (ca. 150 Euro) sowie eine 2000 Ampere Starthilfe Powerbank (knapp unter 200 Euro) habe ich immer im Auto. Diese Vorsicht kommt aus dem Hochsee-Segelsport, wo die Maschine auch bei leeren Batterien funktionstüchtig sein muss und 230 V-Kleingeräte an Bord benutzt werden. Die Heizung eines Mietshauses kann ich damit am Laufen halten.“

Der Leser entwirft hier mit leichter Hand ein geradezu geniales Konzept, wie einerseits die Diesel-Krise gelöst und andererseits der nächste Blackout überstanden werden kann. Erstens: Diesel-Fahrzeuge werden für ein paar hundert Euro zu mobilen Notstromaggregaten umgerüstet. Zweitens: Da die Bürger sich damit um den Katastrophenschutz und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verdient machen, wird ihnen die KFZ-Steuer erlassen. Im Notfall können Sie beispielsweise den Weiterbetrieb der Heizung im Wohnblock sicherstellen, aber auch per Fahrgemeinschaft Straßenbahnen oder Elektrobusse ersetzen. Drittens: Da die Rettung von konkreten Menschenleben durch einen Turbodiesel höher zu bewerten ist als die Rettung hypothetischer Menschenleben durch die Deutsche Umwelthilfe, werden die mobilen Notstromaggregate von sämtlichen Fahrverboten ausgenommen. Schließlich kann der Notfall aufgrund der fortschreitenden Energiewende jederzeit eintreten.

Ich kann nicht nur schwarz, sondern auch hellsehen

Aber jetzt kommen wir zum optimistischen Teil. Ich kann nämlich nicht nur schwarz, sondern auch hellsehen. So schrieb ich 1994, also vor 25 Jahren einen jugendbewegten Bericht über den damals hochaktuellen sogenannten „Funmog“ von Daimler Benz. Darin hieß es: 

„Es lassen sich für das Fahrzeug zahlreiche Einsatzmöglichkeiten finden, die der gesamten Menschheit nutzen. Ich habe meinem Lieblings-Grünen erklärt, der Funmog sei in Krisenzeiten das ideale Notstromaggregat für unser Wohnviertel (atomfreie Zone). Eine 230 Volt Steckdose hat er nämlich serienmäßig“. 

Der dem Funmog zugrundeliegende Unimog aus dem Hause Daimler ist ein Dienstfahrzeug für Waldarbeiter und Winzer, für Stadtwerke und Weltenbummler. Doch irgendein Desperado in Stuttgart Untertürkheim hatte die Idee, das schnöde Arbeitstier mit allerlei Chrom und Zubehör in ein gehobenes Fahrzeug für den urbanen Cowboy zu verwandeln. Das Ergebnis nannte sich Funmog und schien seinerzeit total überflüssig. Es konnte ja niemand ahnen, dass Deutschland den Weg zur weltweit dümmsten Energiepolitik einschlagen würde.

Auf jeden Fall durfte ich für eine Motorzeitschrift ein paar Tage mit dem Funmog rumfahren. Die grobstollige Entwicklungslinie des Automobils wurde konsequent auf die Spitze getrieben. Steigern kann man das nur nur mit einem gut erhaltenen russischen T24. Übrigens: Hat sich schon mal jemand gefragt, warum Putin seine Panzer-Battailone nicht auf Elektro-Mobilität umstellt? Ich vermute mal, damit sie in Berlin keine Straßenbeleuchtung brauchen. 

Aber zurück zum Funmog. Am meisten Spaß machte mir die Hupe. Vom Kabinendach hängt oben in der Mitte ein dicker Kuhstrick herunter. Daran muss der Fahrer mit dem rechten Arm fest ziehen. Wie früher am Abzug, als die Toiletten noch obenliegende Spülkästen hatten. Es ertönt dann ein Tuten wie vom Nebelhorn eines Passagierdampfers. Bei geschlossenen Augen könnte es auch eine Dampflokomotive auf dem Weg nach Carson-City sein. Dazu passt, dass der Auspuff wie ein Schornstein neben dem Führerhaus in lichte Höhen ragt. Heißer Diesel-Qualm bringt die Luft über dem Dach zum Flimmern. Der Fahrer freut sich eigentlich über jede Gelegenheit zu hupen. Diese Hupe sagt nicht „Platz da“, sondern: „Hallo, hier bin ich, es freut mich, euch gesund zu sehen.“ Und: „Den Indianer-Überfall haben wir zurückgeschlagen. Greta Thunberg schaffen wir auch noch.“

„Klasse, jetzt machen wir die ganze Straße platt“

Im Kraftfahrzeugschein wird der Funmog schlicht unter „Ackerschlepper und Zugmaschine“ geführt. Die Bodenfreiheit entspricht mit fast einem halben Meter der eines Maultieres. Das Gewicht kommt dem eines ausgewachsenen Elefantenbullen nahe, die Zugkraft ebenfalls. Im angelsächsischen Sprachraum nennen sie den „Funmog“ auch „Urban Unimog“. Das erinnert an den Film „Urban Cowboy“. Der Urban-Unimog genießt jedenfalls die ungeteilte Sympathie des städtischen Publikums, außer vielleicht in Friedrichshain und Kreuzberg. Wenn ich bei der Antifa wäre, würde ich mich allerdings nicht mit einem Funmog anlegen. Damit kann man nämlich vorne zur Roten Flora rein – und hinten wieder rausfahren, ganz ohne vorher zu klingeln.  

Absolut unschlagbar ist der Funmog auch als Kindergarten. In der kurzen Zeit, in der ich ihn ausprobieren durfte, habe ich mehrere Dutzend Schneeflöckchen spazieren gefahren und die elterliche Erziehung um Jahre zurückgeworfen. Selbst die netten Pfarrerskinder von nebenan vergaßen hoch oben im Führerhaus die gute Kinderstube und vor allem die zehn Gebote. Originalton: „Klasse, jetzt machen wir die ganze Straße platt“. Einparken stellt überhaupt kein Problem dar, prinzipiell sogar, wenn der anvisierte Parkplatz besetzt ist. Ansonsten wirkt das Ding so übersichtlich wie der Eiffelturm von der Besucher-Plattform.  

Er ist zwar nicht ganz so hoch wie ein Windrad, dafür aber zuverlässiger. Der Funmog hat einen Sechszylinder-Dieselmotor mit 136 PS, er leistet also rund 100 Kilowatt. Gebraucht gibts ähnliche Unimogs heute für rund 30.000 Euro. Das sind nur  300 Euro pro Kilowatt. Zum Vergleich: Ein modernes Windrad kostet etwa 900 Euro pro Kilowatt. Und man kann nicht damit fahren. Schon gar nicht durch die Rote Flora. Die Kombination von Spaß und Stromerzeugung scheint mir beim Unimog deutlich besser gelungen.

Bei der Anschaffung sollte der sensible Käufer auf die Farbe achten. Empfehlenswert ist beispielsweise ein freundliches Dunkelrot. Nicht empfehlenswert sind folgende Farben: Weiß – denkt jeder an einen versprengten UN-Konvoi. Blau – Technisches Hilfswerk. Gelb – Gebirgspost (Eilzustellung für Herrn Messner). Besonders abzuraten ist von olivgrün: Es wird spätestens an der Grenze zum Elsass zurückgeschossen.

Folgerichtig unterliegt der Unimog beim Export dem Kriegswaffen-Kontrollgesetz. Als Dienstwagen für Diktatoren drängt sich das Mobil ja geradezu auf: Die beiden serienmäßigen Aluminiumkisten auf der Ladefläche fassen 50 Millionen Dollar Fluchtgeld in kleinen Scheinen. In Venezuela ist er übrigens gerade ausverkauft. Zeitweiliges Untertauchen ist mit dem Funmog technisch kein Problem (er hat einen Schnorchel). Auch die Klimakatastrophe kann kommen. 

Nachtrag: Der Achse-Kollege Roger Letsch schickte mir zum Thema folgende kleine Episode: „Ich war neulich bei einem meiner Kunden, der eine Rohrreinigungsfirma betreibt. Die Autos, mit denen seine Techniker unterwegs sind, riesige LKW und kleinere, umgebaute Mercedes Transporter, erzeugen den Strom, den sie für ihre Arbeit brauchen, immer selbst – mit Dieselgeneratoren. Als ich ankam warf er gerade ein neues Modell in der Halle für eine Demonstration an. Es stank und qualmte und ich sagte im Scherz, er solle sich damit bloß nie in die Nähe von Innenstädten wagen. Er meinte darauf, dass dies kein Problem sei, weil es für Aggregate wie diese keine Grenzwerte gäbe. Mit anderen Worten: baut man solch ein Teil auf einen Anhänger und lässt es von einen Tesla ziehen, darf man damit durch jede Dieselverbotszone knattern“.

Von Dirk Maxeiner ist soeben in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er) 

www.mesop.de