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Einstieg in neue EU-Schuldenprogramme?

Gutachten: Corona-Aufbaufonds ist stark übersichert / Kommission und Finanzministerium halten dagegen

FAZ  26. Okt 2020 – hmk. BRÜSSEL. Der Verdacht ist so alt wie der Vorschlag der Europäischen Kommission vom Frühjahr, den „Wiederaufbau“ nach der Corona-Krise mit 750 Milliarden Euro EU-Schulden zu finanzieren. Ist das nur der Auftakt für weitere Verschuldungsprogramme? Ist der Aufbaufonds keine einmalige Sache, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel betont, sondern ein Dammbruch? Für Finanzminister Olaf Scholz ist klar, dass die gemeinsame Schuldenaufnahme keine „krisenbedingte Eintagsfliege“ ist. Vor einer Woche hat die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EBZ), Christine Lagarde, für ein dauerhaftes Kriseninstrument geworben. Auch in der Kommission gibt es starke Befürworter.

Nach Ansicht des Ökonomen Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ist mit den Beschlüssen des Sondergipfels der Staats- und Regierungschefs zum Wiederaufbaupaket im Juli der Grundstein dafür schon gelegt. Das geht aus einer Untersuchung hervor, die Heinemann auf Einladung der FDP am Montag vor dem Europaausschuss des Bundestags in Berlin vorstellen will. Die Anhörung soll das Votum des Bundestags über den „Eigenmittelbeschluss“ vorbereiten, der der EU die Aufnahme der Schulden für den Wiederaufbaufonds ermöglicht. Die schriftliche Stellungnahme liegt der F.A.Z. vor. Heinemann argumentiert darin, dass der vom Gipfel zur Absicherung des 750-Milliarden-Euro-Fonds vereinbarte Betrag viel zu hoch angesetzt sei. Die implizite Botschaft sei, dass sich die EU schon Tilgungsspielraum verschaffe, der für neue Zwecke nutzbar sein werde, sagt Heinemann.

Nach dem Gipfelbeschluss soll die EU zur Absicherung der Schulden die „Eigenmittelobergrenze“ anheben. Bis 2058 – bis dahin sollen die Schulden zurückbezahlt sein – soll sie 0,6 Prozentpunkte höher als sonst bei 2 Prozent der Wirtschaftsleistung der EU liegen. Das bedeutet, dass jeder Staat über die klassische Haftung für den EU-Haushalt hinaus mit bis zu 0,6 Prozent seiner Wirtschaftsleistung dafür geradesteht, falls die EU die neuen Schulden nicht bedienen kann. Nach Berechnung Heinemanns kann die EU bis 2058 damit selbst im Falle eines Nullwachstums auf zehnmal so viel Geld zurückgreifen, wie sie zur Absicherung der nicht zurückzuzahlenden Zuschüsse braucht. Zur Erinnerung: 390 Milliarden Euro Zuschüsse will die EU aus dem Fonds verteilen. Darüber hinaus stehen 360 Milliarden Euro Kredite für die Staaten bereit. Die werden in diesem Szenario von den Staaten zurückgezahlt.

Selbst wenn auch diese Kredite ausfielen, würde allerdings allein der deutsche Anteil ausreichen, um die Schulden abzusichern, sagt Heinemann. Damit komme der Aufbaufonds den von Deutschland lange abgelehnten gesamtschuldnerischen Eurobonds in ihrer Risikostruktur nahe. Zudem verschaffe der Beschluss der EU jedes Jahr mehr finanziellen Spielraum, da selbst ohne reales Wachstum die Inflation die Wirtschaftsleistung steigen lasse. Es entstehe der Anreiz, die Tilgung der Schulden aufzuschieben. Einschätzungen der Ratingagentur Fitch und des bei Standard & Poor’s lange für Ratings zuständigen Moritz Kraemer bestätigten seine Sicht, sagt Heinemann.

Das Bundesfinanzministerium und die Kommission sehen das vollkommen anders. In der Kommission geht man so weit, von „totalem Unsinn“ und „vollkommen falschen Annahmen“ zu reden. Heinemann betrachte die Verpflichtungen über die gesamte Periode, entscheidend sei aber, ob die EU in der Lage sei, in jedem beliebigen Jahr bis 2058 ihren Verpflichtungen nachzukommen – selbst wenn die Kredite ausfallen und auch kein Geld für die Rückzahlung der Zuschüsse da ist. Um die Kredite abzusichern, würden im Extremfall im Jahr 0,17 bis 0,19 Prozent der Wirtschaftsleistung benötigt, für die Zuschüsse 0,26 bis 0,28 Prozent, argumentiert das Finanzministerium unter Berufung auf Zahlen der Kommission.

Als Risikopuffer rechnet die Kommission noch einmal 0,1 Prozent hinzu, weil niemand vorhersagen könne, wie sich die Wirtschaft langfristig entwickele. Insgesamt landet man damit bei 0,57 Prozent. Um ein sehr gutes „AAA“ zu bekommen, müsse man zudem noch einen Aufschlag für die EU-Länder hinzurechnen, die kein „AAA“-Rating hätten, heißt es in der Kommission. Heinemann betont, auch so betrachtet sei eine Absicherung mit 0,6 Prozent zu hoch angesetzt. Die Überdeckung fällt dann jedoch zu Beginn der Schuldenrückzahlung 2028 spürbar geringer aus, steigt im Laufe der 31 Jahre langen Rückzahlungsperiode aber stetig.

 

Selbst wenn die Schulden der EU übersichert sind, heißt das natürlich nicht automatisch, dass damit ein Grundstein für weitere auf Schulden basierende Programme oder ein dauerhaftes Krisenelement gelegt ist. Der Gipfelbeschluss schreibt sogar klar fest, dass die 0,6 Prozent nur zur Kreditaufnahme für das Aufbauinstrument zur Bewältigung der Corona-Krise gelten. Solche Beschlüsse lassen sich ändern, aber nur wenn alle Staaten und alle nationalen Parlamente zustimmen. Ohne zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz wäre das unmöglich, betont das Finanzministerium.

 

Auch dass die Kommission von Anfang an im Hinterkopf hatte, sich zusätzlichen Spielraum für künftige Schulden zu verschaffen, ist unwahrscheinlich. Der Vorschlag, die Eigenmittelobergrenze auf 2 Prozent anzuheben, wurde von Haushaltskommissar Johannes Hahn früh ins Spiel gebracht, bevor die Details des Wiederaufbauplans feststanden. Es ging darum, sich angesichts der völlig unklaren Lage ausreichend Luft für das Corona-Programm zu verschaffen. Politisch diskutiert wurde die Zahl später dann schlicht nicht mehr.