MESOPOTAMIA NEWS : Die Türkei ist auf dem Vormarsch in Libyen

 

Anhänger des aufständischen Militärführers Khalifa Haftar protestieren im von diesem beherrschten Benghasi gegen die Intervention der Türkei.

Ankara engagiert sich auf Seiten der international anerkannten Regierung und soll mit ihr bereits die Stationierung von Truppen vereinbart haben.

Von Tomas Avenarius, Istanbul – SÜDDEUTSCHE  ZEITUNG

Die Türkei setzt sich als de-facto-Protektoratsmacht militärisch, politisch und wirtschaftlich immer stärker im Bürgerkriegsland Libyen fest. Die international anerkannte libysche GNA-Regierung soll laut der Zeitung Arab Weekly mit Ankara bereits ein Abkommen zur Truppenstationierung geschlossen haben. Die Vereinbarung soll den Bau türkischer Militärstützpunkte, die Ausbildung einer künftigen libyschen Armee und die Unterstützung aller Militäraktionen im derzeitigen Bürgerkrieg in dem nordafrikanischen Land umfassen. Außerdem soll es türkische Soldaten vor jeder Verfolgung durch die libysche Justiz schützen. Eine offizielle Bestätigung Ankaras fehlt jedoch. Die libysche GNA-Regierung erklärte nach dem Besuch des türkischen Verteidigungsministers Hulusi Akar in Tripolis nur, man habe über “militärische Fragen und andere Sicherheitsaspekte” gesprochen.

Gleichzeitig kündigten die Türkei und die GNA-Regierung eine Fortsetzung ihrer jüngsten Militäroffensive an. Das Presse- und Kommunikationsamt der türkischen Regierung erklärte, die strategisch wichtige Lufwaffenbasis al-Jufra sei “ebenso wie die Stadt Sirte als nächstes militärisches Ziel” der GNA-Kämpfer bei der Offensive “Straße zum Sieg” festgelegt worden. Die GNA will mit Hilfe Ankaras die für die Kontrolle der libyschen Ölfelder strategisch wichtige Luftwaffenbasis einnehmen. Den Flughafen hält aber die libysche Nationalarmee, die vom abtrünnigen General Khalifa Haftar geführt und von Ägypten, Russland, den Vereinigten Arabischen Emiraten und zumindest politisch auch von Frankreich unterstützt wird. Angeblich stehen auch russische Kämpfer des Söldnerunternehmens “Wagner” in al-Jufra.

Die “Wagner”-Gruppe wurde vom Kreml als Instrument im libyschen Bürgerkrieg schon früher erfolgreich eingesetzt. Moskau als Gegner der GNA plant angeblich ebenso wie Ankara den Bau von Militärstützpunkten in Libyen; al-Jufra und Sirte sollen als Luftwaffen- und Marinebasen im Gespräch sein.

In Libyen kämpft die international anerkannte GNA-Regierung in Tripolis gegen den abtrünnigen General Haftar. Die GNA ist schwach und nur noch eine Pro-Forma-Regierung. Ihr Überleben hängt an der Unterstützung durch verschiedene libysche Islamisten-Milizen, vor allem aber an der aktiven Militärhilfe der Türkei und Geldern aus dem Emirat Katar. Ankara hat in den vergangenen Monaten moderne Waffen, Drohnen, Truppen und mindestens 10 000 syrische Söldner ins Land gebracht. Nur der Einsatz dieser Kräfte hatte im Mai die bereits absehbare Niederlage der GNA verhindert. Die Nationalarmee Haftars hatte die Hauptstadt Tripolis wochenlang belagert und stand vor ihrer Einnahme.

Es geht um die Ölfelder im Osten. Und nun droht auch Ägypten militärisch einzugreifen

Seitdem hat sich das Blatt gewendet. General Haftar ist auf dem Rückzug nach Osten. Die GNA hingegen stößt weiter gegen die für die Kontrolle der Ölfelder Libyens wichtige Stadt Sirte an der Mittelmeerküste und die ebenso wichtige Luftwaffenbasis al-Jufra im Landesinneren vor. Libyens östliches Nachbarland Ägypten hat bereits gedroht, Sirte und al-Jufra seien die “rote Linie”. Sollte die GNA dort angreifen, werde Kairo militärisch eingreifen. Ägyptens Staatschef Abdel-Fatah al-Sisi behauptet, dies sei für den Schutz der ägyptischen Grenzen vor “Terroristen” notwendig und völkerrechtlich legitim.

Wie explosiv die militärische Lage auch wegen der Einmischung so vieler fremder Mächte inzwischen ist und wie wenig die Türkei sich in Libyen ihrer derzeitigen militärischen Vormacht auf Dauer sicher sein kann, hatte am Freitag ein Luftangriff “unidentifizierter Kampfflugzeuge” im Auftrag General Haftars auf die Luftwaffenbasis al-Watiya bei Tripolis gezeigt. Dank türkischer Hilfe hatte die GNA diesen Stützpunkt im Mai erobert. Er spielt nun eine Schlüsselrolle für die Pläne zur dauerhaften Stationierung türkischer Truppen. Bei dem nächtlichen Angriff wurden offenbar noch nicht aufgebaute türkische Hawk-Luftabwehrsysteme zerstört. Der Angriff folgte auf Verhandlungen des türkischen Verteidigungsministers Akar mit der GNA-Regierung über das angebliche Abkommen zur Truppenstationierung. Dies berichtete die Agentur AP unter Berufung aus Regierungskreisen in Tripolis.