MESOPOTAMIA NEWS : DIE NICHT-ENDENWOLLENDE-MESUT HADSCHI ÖZIL DEBATTE & DER KURDISCHE BOXER ÜNSAL ARIK

  • Der AKP-Abgeordnete Kerem Abadi? „Seit Adolf Hitler hat sich nicht vieles geändert in Deutschland. Rassismus wurde nur zeitgenössisch modernisiert.“ –

Nach Özils Rücktritt : Der Rassismus der Anderen – Von Michael Hanfeld –

31 Juli 2018 – FAZ – Mesut Özils Erklärung zu seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft löst eine Rassismus-Debatte aus. Doch welche Richtung nimmt diese? Ein kurdischstämmiger Fußballspieler hat eine Anmerkung dazu. Ein Kommentar.

Endlich haben wir wieder eine Debatte. Sogar eine, von der ein Kolumnist bei „Spiegel Online“ meint, sie werde das Land verändern. Es geht um Rassismus. Auf diesen nämlich beruft sich Mesut Özil in der dreiteiligen Verlautbarung, mit der er seinen Rücktritt aus der Fußball-Nationalmannschaft erklärt hat. Folgt man den Reaktionen in den Medien, ist das nicht nur Mesut Özils Thema, sondern das aller Menschen mit (und ohne) Migrationshintergrund in Deutschland. Eben waren wir noch das Land der Willkommenskultur, nun sind wir eines, das der Zuschreibung des türkischen Präsidenten Erdogan entspricht – im Kern faschistisch. Wie twitterte der AKP-Abgeordnete Kerem Abadi? „Seit Adolf Hitler hat sich nicht vieles geändert in Deutschland. Rassismus wurde nur zeitgenössisch modernisiert.“ Erdogan selbst indes „küsst“ Mesut Özil „die Augen“, will heißen: Er ist ihm unendlich dankbar. Diese Dankbarkeit wird Erdogan bei seinem Staatsbesuch im Herbst in Berlin sicherlich noch einmal unterstreichen.

Es ist schon erstaunlich, wie viele schnell über den Stock springen, den Mesut Özil oder, wie manche vermuten, sein Berater Erkut Sögüt, hingehalten hat. Ihr in nicht leicht zu übersetzendem Englisch verfasster Text handelt von Özils innerer Zerrissenheit und von der Erfahrung, niemals richtig anerkannt worden zu sein. Er gipfelt in der Feststellung, dass er, habe die Mannschaft gewonnen, als Deutscher gegolten habe, bei einer Niederlage aber der ewige Türke geblieben sei. Diese Klage über fehlende Anerkennung, über ein Fremdbleiben im eigenen Land, sollte man nicht geringschätzen oder für einen Einzelfall halten. Im Internet ist daraus der Hashtag „MeTwo“ geworden, unter dem Menschen von Rassismus und Diskriminierung im Alltag berichten. Aber man sollte dies bei jemandem wie Mesut Özil, der bis zuletzt der unumstrittene Lieblingsspieler des Nationaltrainers Jogi Löw war, doch mit einem Fragezeichen versehen dürfen. Ist er, der sich vorher und nachher zu nichts erklärt, sondern nur lächelt, die richtige Identifikationsfigur – für gelungene Integration und gegen Rassismus?

Die Kritik an seinem PR-Auftritt mit Erdogan war überzogen, die Haltung des DFB war hilflos. Doch hat das weniger mit Rassismus, sondern mit dem Umstand zu tun, dass Mesut Özil auch ein wichtiger Botschafter der Nationalmannschaft mit Blick auf die Bewerbung um die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft 2024 war, um welche Deutschland bekanntlich mit der Türkei konkurriert.

Die Kritik hat auch nichts damit zu tun, dass Mesut Özils Familie aus der Türkei stammt und Erdogan Präsident dieses Landes ist, sondern damit, was für ein Präsident dieser ist – einer, der sein Land spaltet und die deutsch-türkische Gemeinschaft in Deutschland. Darauf macht Özil zum Beispiel der kurdischstämmige Fußballspieler Deniz Naki aufmerksam, der in Deutschland und der Türkei Fußball spielte, hier wie dort rassistisch angegriffen und in der Türkei wegen vermeintlicher „Terrorpropaganda“ (für die kurdische PKK) verurteilt und als Spieler gesperrt wurde. Im Januar dieses Jahres, als er auf Heimatbesuch Richtung Düren war, wurde auf ihn sogar auf der Autobahn A 4 nahe Köln geschossen.

Wenn es Mesut Özil wirklich um Rassismus gehe, warum trete Özil dann nicht auch gegen diesen ein, „wenn es in der Türkei immer mehr zu rassistischen und faschistischen Angriffen auf mich oder auf kurdischstämmige oder anderen Minderheiten zugehörende Fußballer kommt?“

Der Profiboxer Ünsal Arik, ein ausgesprochener Erdogan-Kritiker, verlor, kaum hatte er dem Online-Portal dieser Zeitung vor einer Woche ein Interview zu Özil und Erdogan gegeben, einen Sponsorenvertrag, wie er in der „Zeit“ sagte: Man schätze seine klaren Worte, habe man ihm gesagt, doch wolle man sich nicht mit dem türkischen Präsidenten anlegen. Angefeindet werde er auch von türkischen Fans, sagt Ünsal Arik: „Ich werde von allen Seiten alleine gelassen. Viele sehen Özil als Opfer deutscher Rassisten, aber es wird vergessen, dass er sich zu dem Autokraten Erdogan bekannt hat.“ Deniz Naki bittet den Kollegen Özil darum, daran zu denken: „Diejenigen, die dich bei der nächsten Reise in die Türkei mit offenen Armen empfangen, werden genau dieselben sein, die mich rassistisch angreifen. Zwischen Faschisten unterscheidet man nicht, diese sind überall, in jedem Land gleich.“