MESOPOTAMIA NEWS : DIE FEMO-JAKOBINISCHE FORTSCHREITEND WILLKÜRLICHE VERNICHTUNG DER DEUTSCHEN SPRACHE UND SCHRIFT ( DIE STADT HANNOVER)

Die Ersatzreligion der sprachlichen Anbiederung / Von Helmut Glück (Der Autor hat Sprachwissenschaft und Deutsch als Fremdsprache an der Universität Bamberg gelehrt.)           

Die Grammatiken des Deutschen sind sich darüber einig, daß das grammatische Geschlecht, das Genus, mit dem natürlichen Geschlecht, dem Sexus, nicht viel zu tun hat. Die Stadt Hannover sieht das anders. Sie hat Anfang des Jahres angeordnet, daß ihre Mitarbeiter sich im Dienstbetrieb einer geschlechtergerechten Sprache zu bedienen haben.  

Was das ist, hat sie in einer Handreichung dargestellt. 

Was Sexus ist, weiß jeder. Aber was ist Genus? Genus ist ein Mittel, den großen Bestand der Substantive zu ordnen und innerhalb der Nominalgruppe Kongruenz herzustellen, das heißt dafür zu sorgen, dass Substantiv, Artikel, Adjektiv und Pronomen zusammenpassen. Die alten Griechen nannten dieses Mittel ginos (von gtgnomai “entstehen, werden”), die Römer genus, was „Familie, Geschlecht, Stamm” oder „Gattung, Art, Sorte” bedeutet.

 Allerdings riss schon Aristophanes im fünften Jahrhundert vor Christus Witze über die Zweideutigkeit von Onos, so in der Komödie „Die Wolken” (423 v. Chr.), in der er Sokrates Menschen- und Tiernamen gendern und über das „richtige” Genus des femininen Wortes ktirdopos (Mulde, Backtrog) scherzen lässt. 

Genus bedeutete als grammatischer Terminus stets „Art, Sorte”. Das deutsche Wort Geschlecht geht auf das althochdeutsche siahta zurück, was „Generation, Art, Ursprung” bedeutete. Im 17. Jahrhundert übersetzten deutsche Grammatiker Genus mit (grammatisches) Geschlecht und nannten den Artikel Geschlechtswort. Das öffnete der Verwechslung mit Sexus Tür und Tor, umso mehr, als die Genera nun männlich, weiblich und sächlich genannt wurden.

Johann Christoph Adelung, der wichtigste Grammatiker des 18. Jahrhunderts, nannte die Neutra „Wörter ungewissen Geschlechts” und „geschlechtslos”, wobei er das dritte Geschlecht unserer Tage nicht im Auge hatte.

So wurde die Grammatik durch eine Übersetzung sexualisiert: Ein Fachbegriff bekam eine alltagssprachliche Zusatzbedeutung.

 

Diese Zusatzbedeutung liegt dem Streit über das generische Maskulinum zugrunde. Mit diesem Begriff bezeichnet man den Sachverhalt, dass maskuline Personenbezeichnungen auf -er (wie Förster, Pfarrer) nicht in erster Line sexusmarkiert sind. Sie bezeichnen Personen unabhängig von deren Geschlecht. Ein Lehrerzimmer steht Lehrern wie Lehrerinnen offen, ein Führerschein berechtigt Frauen wie Männer zum Autofahren. Beim Försterball sind Förster, Försterinnen und Försterstöchter und -söhne gleichermaßen willkommen, im Pfarrkonvent sind Pfarrerinnen und Pfarrer vertreten, nicht • aber Pfarrersfrauen und Pfarrerinmänner.

 Das generische Maskulinum ist der unmarkierte Genus für alle 

Das generische Maskulinum ist ein Mechanismus, der auch für den Satzbau wichtig ist. Er regelt, dass in einigen Fällen das Maskulinum als regierendes Genus fungiert. Das ist der Fall etwa bei Fragepronomen (Wer hat seinen Lippenstift im Bad liegenlassen?), bei unbestimmten Pronomina (Jemand hat seinen Lippenstift liegenlassen) und dann, wenn ein Artikel zum Pronomen wird (Wer weiß, was da noch auf einen zukommt). Bertolt Brecht dichtete: ,,Denn jetzt ist der Uterus erschlafft / und man weint nach seiner Jungfernschaft” (Beuteltier mit Weinkrampf). 

Auch Wörter wie deswegen und indessen beruhen auf maskulinen Formen. Das Maskulinum ist in solchen Fällen sexusneutral. Es ist hier (und anderswo) das unmarkierte Genus, das alle Sexus bezeichnet. Das Femininum ist demgegenüber markiert. Es wird durch die Silbe -in und ein paar Nebenformen wie -esse (Politesse), -isse (Diakonisse) oder -euse (Diseuse) extra bezeichnet, manchmal sogar doppelt wie in Prinzessin. Diese Endungen bezeichnen Sexus als etwas Zusätzliches, Besonderes, heben das Wort ab von seiner unmarkierten maskulinen Basis.

 Die Macht des Generischen zeigt sich an personenbezeichnenden Metaphern. Frohnatur, Landplage und Knallcharge sind feminin, Putzteufel, Plagegeist und Wonneproppen sind maskulin, Adlerauge, Klatschmaul und Hinkebein sind Neutra, und sie bezeichnen Personen aller denkbaren Geschlechter gleichermaßen. Das gilt sogar für Bildungen, die einen Personennamen enthalten: Man kann Mädchen wie Jungen Heulsuse oder Zappelphilipp nennen.

 

Nun kann jeder schreiben, wie er will 

Die Gegner des generischen Maskulinums verkennen zweierlei: die asexuelle Natur des generischen Maskulinums und den Umstand, dass die Sprache ein Gemeingut ist. Sie darf nicht durch staatliche Eingriffe belästigt werden (soweit das nicht das Strafrecht, etwa bei Beleidigung, anders regelt), auch nicht durch eine Stadtverwaltung. 

Die Stadt Hannover hat auch dem Wort „Wort” eine neue Bedeutung gegeben. Ein Wort war bisher dadurch definiert, daß es durch Leerstellen von seinen Nachbarwörtern getrennt und dadurch identifizierbar war. Innerhalb eines ge-schriebenen Wortes hatten Zeichen, die nicht zu seinem Buchstabenbestand gehören, nichts zu suchen. Die amtliche Rechtschreibung lässt nur zu, daß innerhalb von Wörtern Klammern oder Schrägstriche verwendet werden dürfen (Förster(in), Förster/in). Das Binnen-I und der „Genderstern” (Försterin, Förster*in) verstoßen gegen diese Regel. In Hannover gilt diese Regel nicht mehr.  

Nun kann jeder schreiben, wie er will; er muss allerdings damit rechnen, als rechtschreibschwach zu gelten, wenn er sich nicht an die Regeln hält. Staatsbehörden dürfen jedoch nicht schreiben, wie sie wollen. Sie haben sich an die amtliche Rechtschreibung und an die gesetzliche Regelung zu halten, dass sie in deutscher Sprache zu amtieren haben. So ist das im Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt (§ 23). Die Stadt Hannover setzt sich darüber hinweg.

 Sie hat noch einiges vor sich, etwa bei den Namen von Stadtteilen und Straßen:  

Herr*innenhausen, Dragoner*innenstraße oder Welf*innengarten? Sie wird klären müssen, wie sie ungegenderte Kommunen künftig anschreiben will: Mannwfrauheim? Herr*innenberg? Friedrichs*friedrikenhafen? Müssen Hannoveraner namens Neumann oder Schulze nun damit rechnen, von Amts wegen Neu-mann*frau oder Schulz*in genannt zu werden?

 Der Vorgang gehört in den Zusammenhang des Strebens nach politischer Korrektheit. Dabei geht es im Wesentlichen um Sprachliches: Gleichheit und Gerechtigkeit sollen dadurch erreicht werden, dass an Wortschatz und Grammatik her-umreformiert wird, indem Gebote und Verbote ausgesprochen werden. 

Das Gender Mainstreaming hat den Charakter einer säkularen Religion ange-nommen. In Hannover hat sie eine ganze Stadtverwaltung befallen. Ihre Vertreter ignorieren die Erkenntnisse der Grammatikforschung beharrlich. Strukturelle Analysen zum Maskulinum als generischem Genus sind für sie verstockter Un-glaube. Sozialpädagogische Gerechtig, keitsmythen und moralische Überheblichkeit ersetzen ihnen wissenschaftliche Analysen. Es geht um Glauben, nicht um Wissen. Und niemand zieht zuverlässiger die Wut der Gläubigen auf sich als der Häretiker. Den Verfechtern des Genderns geht das ab, was Wissenschaft erst möglich macht: Skepsis. 

Man kann grammatische Tatsachen nicht wegdekretieren, auf dass die Sprache eine moralische Anstalt werde. Das wird sie nicht werden können, denn man kann mit Sprache Respekt, Höflichkeit und Zuneigung ausdrücken, aber auch schimpfen, fluchen und andere herabsetzen.

In Hannover hat die Stadtverwaltung Genus mit Sexus verwechselt und der Sprache Schaden zugefügt.

 

FAZ 21 Febr 2019