MESOPOTAMIA NEWS : DER SERVILE BAUCHREDNER DER EU BÜROKRATIE / DIE KLEINE AUSCHWITZ-LÜGE DES ROBERT MENASSE – ERLAUBT !?
Hallstein-Rede in Auschwitz? : Der Bluff des Robert Menasse
Von Patrick Bahners – FAZ – 02.01.2019- „Mit dem Äußersten spielen!“
Im Jahr 2017 gewann Menasse mit seinem Roman „Die Hauptstadt“ den Deutschen Buchpreis. Auch in diesem fiktiven Werk bezieht sich der Autor auf die angebliche Hallstein-Rede.
Mehrfach behauptete der österreichische Schriftsteller Robert Menasse: Walter Hallstein, Begründer der europäischen Kommission, habe in Auschwitz gesprochen. Nun hat ein Historiker die Lüge aufgedeckt.
Am 4. Dezember 2017 stellte Robert Menasse in Tübingen seinen mit dem Deutschen Buchpreis prämierten Roman „Die Hauptstadt“ vor. Dieser Historienroman aus der Gegenwart hat einen vielköpfigen Helden: die EU-Kommission. Seit Jahren wirbt Menasse in Texten vielerlei Sorte für eine „Europäische Republik“ und eine Wende im Geschichtsbewusstsein, das den Heroismus der Brüsseler Bürokraten anerkennen solle. So auch an diesem Abend. Mehrfach beschwor Menasse ein historisches Faktum, das zeigen soll, wie weit die Kommission im Moment ihrer Gründung unserer Zeit voraus gewesen sei: Walter Hallstein, ihr erster Präsident, habe seine Antrittsrede 1958 auf dem Gelände des Vernichtungslagers Auschwitz gehalten – an dem Ort, wo man sehe, wohin der Nationalstaat geführt habe.
Im Tübinger Publikum saß Hans-Joachim Lang, ein Fachmann für die Geschichte der nationalsozialistischen Medizinverbrechen. Ihn elektrisierte die Information, dass Hallstein, ein Rechtsprofessor, den Konrad Adenauer nach Brüssel entsandt hatte, nur dreizehn Jahre nach der Befreiung von Auschwitz eine sinnstiftende Verbindung zwischen diesem Ort und dem europäischen Projekt hergestellt haben soll.
In der Universitätsbibliothek bestellte Lang die Buchausgabe der „Europäischen Reden“ Hallsteins von 1979. Enttäuscht stellte er fest, dass ausgerechnet die Antrittsrede fehlt. Über Facebook erfragte er bei Menasse die Fundstelle. Eine Antwort erhielt er nicht. Das Historische Archiv der EU in Brüssel teilte Lang nach Rücksprache mit dem Bundesarchiv in Koblenz mit, von einer Rede Hallsteins in Auschwitz gebe es keine Spur.
Kann es sein, dass Lang Menasse missverstanden hat? Einen Text gibt es, in dem die Rede als Faktum erwähnt wird: Menasses Roman. Doch auch bei anderen Gelegenheiten, in nicht-fiktionaler Rede, hat Menasse die Behauptung verbreitet, Hallstein habe 1958 in Auschwitz gesprochen. So am 23. September 2017 im Frankfurter Literaturhaus, laut Protokoll im Branchenmagazin „Buchmarkt“: „Der Ausgangspunkt ist ‚Nie wieder Auschwitz‘. Der erste Vorsitzende der Kommission war Walter Hallstein. Seine Antrittsrede hielt er in Auschwitz. Dass die Europäische Kommission die Antwort auf Auschwitz ist, wird in Deutschland oft vergessen.“
Die Argumente Menasses
Walter Hallstein ist bekannt als Erfinder einer Doktrin, mit der die Anerkennung der DDR verhindert werden sollte. Dass mitten im Kalten Krieg dieser erste oberste Beamte des westeuropäischen Staatenbundes seine Antrittsrede auf dem Boden der Volksrepublik Polen gehalten haben könnte, ist viel unwahrscheinlicher als jedes erlogene Augenzeugnis von Claas Relotius. Es ist, nach allen Maßstäben historischen Wissens und historischer Logik, schlicht unmöglich. Aber keiner der Interviewer, denen Menasse das Märchen erzählte, fragte nach.
Der Ruhm der Entdeckung, dass Menasse eine Hallstein-Legende in die Welt gesetzt hat, gebührt dem Historiker Heinrich August Winkler. Im „Spiegel“ enthüllte er im Oktober 2017, dass Menasse aus einer tatsächlich gehaltenen Rede Hallsteins mehrfach Sätze zitierte, die dort nicht stehen. Eine Enthüllung, die ohne Resonanz blieb, bis die „Welt“ vor ein paar Tagen auf die Sache zurückkam. Menasse leugnete die Erfindungen der Zitate nicht und brachte zur Rechtfertigung zwei aberwitzige Argumente vor. Erstens seien die Zitate dem Sinn nach korrekt. „Was fehlt, ist das Geringste: das Wortwörtliche.“ Und zweitens sei sein freihändiger Umgang mit Quellen tatsächlich „nicht zulässig – außer man ist Dichter und eben nicht Wissenschaftler oder Journalist“. Aber wenn ein Dichter in einer Rede historische Tatsachen referiert, erwartet man nicht Erdichtetes. Und bei den ausgedachten Hallstein-Sätzen ist das Wörtliche nicht das Geringste. Menasse behauptete nämlich mehrfach, kein Politiker würde sich heute trauen, sie wieder so zu formulieren.
Mit dem Äußersten spielen
Winkler war nicht bekannt, dass Menasses Erfindungen eine Rede Hallsteins in Auschwitz einschließen. In den Theorien des historischen Wissens und der literarischen Fiktion wie im öffentlichen moralischen Bewusstsein ist Auschwitz der Inbegriff der Tatsache, mit der man nicht spielt. Dem „Münchner Merkur“ sagte Menasse über Hallsteins Besuch in Auschwitz: „Das ist heute vergessen, aber es wird sich herausstellen: Es ist vergessen zum Leidwesen der Vergesslichen.“
Wie soll man Menasses Bluff verstehen? Er wirft dem europäischen Publikum das Vergessen eines Ereignisses vor, an das es sich nicht erinnern konnte. Die Geschichte von Auschwitz als Gründungsmythos der EU erweist sich, fachsprachlich gesprochen, als ein Fall von therapeutisch induzierter wiedergewonnener Erinnerung, deren Fiktionalität in Kauf genommen wird. Aber wie unterscheidet sich die Hallstein-Lüge von der Autobiographie des Binjamin Wilkomirski alias Bruno Dössekker, der die Erinnerung an Auschwitz wiedergewann, obwohl er nicht dort gewesen war? Es werde sich noch zeigen, dass die Vergesslichen zum eigenen Leidwesen vergessen hätten: Menasses kryptische Prophetie schiebt seinen Lesern die Verantwortung für seinen makabren Hoax zu.
So sehr ist der Schriftsteller am europäischen Volk verzweifelt, dass er sich einbildete, er müsse mit dem Äußersten spielen.
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