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“Europa wird am Ende des Jahrhunderts islamisch sein”Bernard Lewis, ( Die WELT vom 28.07.2004).

Die dritte Angriffswelle auf Europa rollt – Veröffentlicht am 17.04.2007 | Lesedauer: 9 Minuten DIE WELT – Von Bernard Lewis

In den Augen fanatischer Muslime ist der Krieg gegen die Christenheit und Europa in eine neue Phase getreten. Die entscheidende Frage lautet: Wird der Islam den Westen erobern oder erliegt er am Ende der Verlockung der Freiheit?

In den Augen einer fanatischen und entschlossenen Minderheit von Muslimen hat die dritte Angriffswelle auf die Christenheit und Europa begonnen. Die erste Welle ist auf den Anfang des Islam zu datieren, als der neue Glaube von der Arabischen Halbinsel, wo er geboren wurde, auf den Nahen Osten und darüber hinaus überschwappte. Damals eroberten die Muslime Syrien, Palästina, Ägypten und Nordafrika – die damals alle noch zur christlichen Welt gehörten – und überschritten die Grenze nach Europa. Dort eroberten sie einen beachtlichen Teil Südeuropas, Spanien, Portugal und Süditalien inbegriffen, die alle Teil der islamischen Welt wurden, und sie überquerten sogar die Pyrenäen und besetzten eine Zeit lang Teile von Frankreich.

Die zweite Angriffswelle wurde nicht von Arabern und Mauren durchgeführt, sondern von Türken und Tataren. In der Mitte des 13.Jahrhunderts wurden die mongolischen Eroberer Russlands zum Islam konvertiert. Die Türken, die schon Anatolien erobert hatten, rückten nach Europa vor, und 1453 besiegten sie die alte christliche Zitadelle Konstantinopel. Sie eroberten einen Großteil des Balkans und regierten eine Weile halb Ungarn. Zweimal marschierten sie sogar bis nach Wien, das sie 1529 und dann wieder 1683 belagerten. Muslimische Korsaren aus Nordafrika erreichten Island – die äußerste Grenze – und verschiedene Orte in Westeuropa; das schloss einen bemerkenswerten Überfall auf Baltimore ein (das ursprüngliche, das in Irland liegt).

Terror und Einwanderung

Die dritte Angriffswelle nimmt eine andere Form an: Terror und Einwanderung. Das Thema „Terror“ ist oft und in vielen Details erläutert worden, ich möchte mich hier dem anderen Aspekt zuwenden, der für Europa heute größere Relevanz besitzt: der Einwanderung. Früher war es undenkbar, dass ein Muslim freiwillig in ein nicht muslimisches Land geht. Muslimische Juristen haben in den Lehr- und Vorschriftsbüchern der Scharia ausführlich darüber debattiert, ob es für einen Muslim gestattet sei, in einem nicht muslimischen Land zu leben oder es auch nur zu besuchen. Dies wurde unter verschiedenen Aspekten beleuchtet. Ein Verschleppter oder Kriegsgefangener hat offenkundig keine Wahl – aber er muss seinen Glauben bewahren und so bald wie möglich heimkehren. Der zweite Fall ist der eines Ungläubigen im Lande der Ungläubigen, der das Licht sieht und den wahren Glauben annimmt – der, anders gesagt, Muslim wird. Auch er muss das Land der Ungläubigen möglichst schnell verlassen und in ein muslimisches Land gehen. Der dritte Fall ist der eines Besuchers. Lange Zeit galt als einzig legitimer Grund für den Besuch eines nicht muslimischen Landes die Auslösung von Gefangenen. Später wurde dies um diplomatische Missionen und Geschäftsbesuche erweitert.

Wir haben es nicht nur mit einer anderen Religion zu tun, sondern auch mit einer anderen Vorstellung dessen, womit sich die Religion beschäftigt; gemeint ist damit speziell die Scharia, das heilige Gesetz des Islam. Die Scharia befasste sich mit einem weiten Feld von Angelegenheiten, die in der christlichen Welt sogar im Mittelalter als säkular galten, und das gilt heute umso mehr in der sogenannten postchristlichen Epoche der westlichen Welt. Offenkundig gibt es heute viele Attraktionen, die Muslime nach Europa ziehen: unter anderem Arbeit und auch die Angebote des Wohlfahrtsstaates, besonders wenn man die wachsende ökonomische Verarmung in der muslimischen Welt bedenkt. In Europa haben die Muslime auch die Freiheit der Meinungsäußerung und der Bildung, die ihnen zu Hause fehlt. Nebenbei: Dies ist ein großer Anreiz für Terroristen, die emigrieren. Terroristen haben in Europa – und bis zu einem gewissen Grad in Amerika – eine viel größere Freiheit, Anschläge zu planen und auszuführen als in den meisten islamischen Ländern.

Inwiefern ist es für muslimische Einwanderer, die sich in Europa, Nordamerika und anderswo niedergelassen haben, möglich, Teil dieser Länder zu werden, wie so viele Einwandererwellen vor ihnen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns den fundamentalen Unterschieden zuwenden, was genau mit Assimilation und Anerkennung gemeint ist. Hier besteht eine deutliche und offensichtliche Differenz zwischen Europa und Amerika. Damit ein Einwanderer Amerikaner wird, muss er nur seine politische Loyalität ändern. Damit er Franzose oder Deutscher wird, muss er seine ethnische Loyalität ändern. Ersteres ist viel einfacher und praktischer, als wenn man seine ethnische Loyalität wandeln muss: sowohl, was die eigenen Gefühle als auch, was das Maß der Akzeptanz durch die anderen betrifft. (England praktizierte eine Sowohl-als-auch-Lösung. Durch die Naturalisierung wurde man Brite, aber kein Engländer.)

Radikale Muslime finden in Europa Verbündete

Wie reagieren die Europäer auf diese Situation? In Europa wie in den Vereinigten Staaten ist eine häufige Antwort Multikulturalismus und Political Correctness gewesen. In der islamischen Welt erlegt man sich keine solchen Zurückhaltungen auf. Man ist dort sehr identitätsbewusst. Muslime wissen, wer und was sie sind und was sie wollen – eine Eigenschaft, die wir großteils verloren zu haben scheinen. Den radikalen Muslimen ist es gelungen, in Europa Verbündete zu finden. Nach links üben sie eine Anziehungskraft auf die antiamerikanischen Segmente in Europa aus, für die sie sozusagen die Sowjetunion ersetzt haben. Nach rechts üben sie eine Anziehungskraft auf die antijüdischen Segmente in Europa aus, für die sie die Achsenmächte ersetzen. Es ist ihnen gelungen, unter beiden Flaggen beachtliche Unterstützung zu gewinnen. Für einige Leute in Europa ist der Hass offenbar stärker als ihre Loyalität.

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Eine interessante Ausnahme macht Deutschland, wo die meisten Muslime Türken sind. Hier neigten sie häufig dazu, sich mit den Juden gleichzusetzen, sich also selbst als Nachfolger der Juden zu sehen, die heute Opfer des deutschen Rassismus und der Verfolgung würden. Ich erinnere mich an ein Treffen in Berlin, bei dem über die neuen muslimischen Minderheiten in Europa debattiert werden sollte. Abends lud mich eine Gruppe von Türken ein, zuzuhören, was sie darüber zu sagen hatte; es war sehr interessant. Der Satz eines dieser Türken, der mir am lebendigsten im Gedächtnis geblieben ist, lautete: „Die Deutschen waren unfähig, in tausend Jahren 400.000 Juden zu akzeptieren. Wie groß ist die Hoffnung, dass sie zwei Millionen Türken akzeptieren werden?“ Einige Türken in Deutschland machen davon sehr geschickt Gebrauch, um mit deutschen Schuldgefühlen herumzuspielen, damit effektive Maßnahmen zum Schutz der deutschen Identität verhindert werden – die, wie andere in Europa, mehr und mehr gefährdet wird.

Einige Worte zur Toleranz: Als die Muslime nach Europa kamen, hatten sie eine gewisse Erwartung von Toleranz. Sie dachten, sie hätten ein Recht auf wenigstens denselben Grad an Toleranz, den sie den Nichtmuslimen in den großen islamischen Imperien der Vergangenheit gewährt hatten. Als sie nach Europa kamen, erhielten sie sowohl mehr als auch weniger, als sie erwartet hatten. Sie bekamen in dem Sinne mehr, dass ihnen theoretisch und häufig in der Praxis dieselben politischen Rechte zugestanden wurden, gleicher Zugang zu allen Berufen, alle Segnungen des Wohlfahrtsstaates, Freiheit der Meinungsäußerung und so weiter.

Aber sie bekamen auch deutlich weniger, als sie selbst in den traditionellen islamischen Ländern gewährt hatten. Im Osmanischen Reich etwa hatten die Nichtmuslime abgesonderte Organisationen und kümmerten sich um ihre eigenen Angelegenheiten. Sie trieben ihre eigenen Steuern ein und setzten ihre eigenen Gesetze durch. Es gab verschiedene christliche Gemeinschaften, von denen jede unter ihrer eigenen Führung lebte und vom Staat anerkannt war. Diese Gemeinschaften unterhielten ihre eigenen Schulen und Bildungssysteme und kümmerten sich um Eheschließungen, Scheidungen, Erbschaftsangelegenheiten nach ihren eigenen Traditionen. Das Gleiche galt für die Juden.

Das bedeutete, dass drei Männer in derselben Straße sterben konnten, und ihre Hinterlassenschaft wurde nach drei verschiedenen Rechtssystemen aufgeteilt, wenn einer zufällig Jude, einer Christ und einer Muslim war. Ein Jude konnte von einem rabbinischen Gericht verurteilt werden, wenn er den Sabbat verletzt oder am Jom Kippur gegessen hatte. Ein Christ konnte verhaftet und ins Gefängnis gesteckt werden, wenn er eine zweite Frau geheiratet hatte. Bigamie ist ein christliches Vergehen; sie ist kein muslimisches oder osmanisches Vergehen. Diesen Grad von Unabhängigkeit in ihrem gesellschaftlichen Leben und ihrer Rechtsprechung haben muslimische Einwanderer im modernen Staat nicht. Es ist ziemlich unrealistisch von ihnen, dies zu erwarten, wenn man die Natur des modernen Staates bedenkt, aber so sehen sie das nicht. Ein muslimischer Freund von mir in Europa formulierte es so: „Wir haben euch erlaubt, die Monogamie zu praktizieren, warum erlaubt ihr uns nicht, die Polygamie zu praktizieren?“

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Solche Fragen – vor allem die der Polygamie – bringen wichtige praktische Probleme mit sich. Soll es einem Einwanderer, der nach Frankreich oder Deutschland kommt, nicht gestattet werden, seine Familie mitzubringen? Aber woraus besteht genau seine Familie? Immer häufiger verlangen Muslime, mehrere Frauen mitzubringen, und es wird ihnen auch gestattet. In der Frage der Stellung der Frau unterscheiden sich Christentum und Islam sehr voneinander. Tatsächlich ist dies einer der wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Gesellschaften gewesen.

Muslimische Einwanderer haben Glut und Überzeugung

Wo stehen wir heute? Ist die dritte Welle erfolgreich? Das ist gar nicht ausgeschlossen. Muslimische Einwanderer haben einige klare Vorteile. Sie haben Glut und Überzeugung, die in den meisten westlichen Ländern entweder schwach sind oder ganz fehlen. Sie sind überzeugt von der Gerechtigkeit ihrer Sache, während wir viel Zeit damit verbringen, uns selbst zu erniedrigen. Sie verfügen über Loyalität und Disziplin und – was vielleicht am wichtigsten ist – sie haben die Demografie auf ihrer Seite. Die Kombination von natürlicher Vermehrung und Einwanderung, die enorme Umschichtungen in der Bevölkerungsstruktur hervorbringt, könnte in absehbarer Zukunft zu signifikanten Bevölkerungsmehrheiten in wenigstens einigen europäischen Städten, vielleicht sogar Ländern führen.

Aber die westlichen Demokratien haben auch ein paar Vorteile – die wichtigsten davon sind Wissen und Freiheit. Die Anziehungskraft modernen Wissens auf eine Gesellschaft, die in der ferneren Vergangenheit über eine echte Tradition von gelehrten Errungenschaften verfügt, liegt auf der Hand. Die Muslime sind sich klar und schmerzhaft der Tatsache bewusst, dass sie im Verhältnis zu uns zurückgeblieben sind, und sie heißen die Chance willkommen, das zu korrigieren. Weniger offenkundig, aber nicht weniger mächtig ist die Anziehungskraft der Freiheit. In der Vergangenheit wurde das Wort Freiheit in der islamischen Welt nicht im politischen Sinn benutzt. Freiheit war ein juristischer Begriff: Frei war man, wenn man kein Sklave war. Muslime verwendeten Freiheit und Sklaverei nicht als Metaphern für schlechte und gute Regierungssysteme, wie wir es in der westlichen Welt schon seit Langem tun. Die Begriffe, um gute und schlechte Regierungssysteme zu bezeichnen, sind Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. Eine gute Regierung ist eine gerechte Regierung, in der das heilige Gesetz mitsamt seinen Begrenzungen der Souveränität strikt durchgesetzt wird. In der Theorie – und bis zum Beginn der Modernisierung auch zu einem großen Maß in der Praxis – weist die islamische Tradition die Despotie und Willkürherrschaft emphatisch zurück. „Unter der Gerechtigkeit leben“ ist die größte Annäherung an das, was wir Freiheit nennen.

Aber die Idee der Freiheit nach westlicher Auslegung macht Fortschritte. Sie wird immer besser verstanden, immer mehr geschätzt und immer stärker begehrt. Auf lange Sicht ist sie unsere beste Hoffnung, vielleicht sogar unsere einzige Hoffnung, um in dem Kampf zu bestehen, der sich gerade entwickelt.

Der 90jährige Bernard Lewis ist britischer Historiker und Islamwissenschaftler. Bis 1986 lehrte er an der Princeton University in den USA.