MESOPOTAMIA NEWS : cui bono ?- Wem der Anschlag im Iran wirklich nützt

Von Jacques Schuster DIE WELT – Chefkommentator 29 Nov 2020

Egal ob die USA den iranischen Atomwissenschaftler getötet haben oder ein anderer Geheimdienst – das Motiv konnte keinesfalls gewesen sein, das iranische Regime von seinem Nuklearbomben-Programm abzuhalten. Die Attentäter verfolgten ein anderes Ziel.

Es ist müßig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wer den iranischen Atomwissenschaftler getötet hat, der am Freitag in der Nähe von Teheran einem sorgfältig geplanten Attentat zum Opfer fiel. Der amerikanische Geheimdienst könnte es gewesen sein – genau wie der israelische, der saudische und noch einige andere mehr.

Vor allem die letztgenannten Dienste, deren Regierungen gegenwärtig im Begriff sind, eine Art nahöstliche Nato gegen den Iran zu bilden, fühlen sich durch die Machenschaften Teherans bedroht. Für sie steht fest: Der Iran will Atommacht werden. Genau das wollen sie verhindern.

Doch wer es auch gewesen sein mag – er ist nicht so naiv zu glauben, dass derartige Anschläge das iranische Regime ernsthaft von seinen Absichten abhalten könnten. Weder Mordanschläge – seit 2010 sind vier Nuklearexperten im Iran getötet worden – noch der Cybergroßangriff mithilfe des Stuxnet-Virus und schon gar nicht die Bombenanschläge auf die Atomanlagen in Natanz und Isfahan haben die Entschlossenheit der Iraner brechen können. Worum also geht es heute?

Aufschluss bietet ein Blick auf diejenigen, welche den Anschlag kritisch kommentiert haben. Neben der iranischen Regierung sind dies Personen aus dem Umfeld des gewählten amerikanischen Präsidenten Joe Biden. Seine Berater haben sofort verstanden, worum es bei diesem Attentat ging.

Wer auch immer Mohsen Fachrisadeh ermordet hat, wollte die Wiederaufnahme von Verhandlungen vereiteln, die Bidens Ratgeber nach dessen Wahlsieg als wünschenswert bezeichnet hatten.

Ihr Ziel ist es, das Übereinkommen mit Teheran, das maßgeblich von Barack Obama geschlossen worden war, in überarbeiteter Form erneut in Kraft zu setzen.

Donald Trump hatte es 2018 unter dem Beifall Israels und Saudi-Arabiens einseitig gekündigt. Es geht also vor allem darum, die neue Nahost-Strategie des demokratischen Präsidenten zu torpedieren.

Die lässt sich am besten stören, wenn sich Teheran provoziert fühlt und nun seinerseits zuschlägt. Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist zuweilen der Umweg.