MESOPOTAMIA CULTURE NEWS: GRÖSSEN-SIGNIFIKATE DER NACHMODERNE

Eine Initiative von US Botschafter David Friedman, von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner  + dem  Kasino-Milliardär Sheldon Adelson: „Nach israelischem Recht sind Käufe rechtens, wenn sie unter bestimmten Umständen in gutem Glauben” getätigt wurden, selbst wenn sich später herausstellt, dass er erworbene Besitz zuvor gestohlen wur­de. „

GROSSISRAEL SOLL NOCH GRÖSSER WERDEN ! / Von Jochen Stahnke (FAZ)

TEL AVIV, 30. August.

Unter Benjamin Netanjahu sind in Israel weniger neue Siedlungen im besetzten Westjordanland gebaut worden als unter jedem anderen Ministerpräsidenten der vergangenen 30 Jahre. Aller Rhetorik zum Trotz glaubt er an die Aufrechterhaltung des Status quo, unter dem sein Land wirtschaftlich und militärisch erstarkt. Viele Siedler haben Netanjahu nicht vergessen, dass er als bis­her einziger israelischer Regierungschef einst öffentlich ein „Einfrieren” des Sied­lungsbaus verkündete.

Diese Politik, wäh­rend der Amtszeit Barack Obamas als ame­rikanischer Präsident, währte zwar nur zehn Monate, doch auch zuletzt sagten Siedler, dass ihnen Netanjahu aller Rheto­rik zum Trotz die Hände binde.

Gleichzeitig jedoch koaliert Netanjahu mit der Siedlerpartei, die den Ausbau der Siedlungen und die Annexion großer Tei­le des Westjordanlands offen propagiert. Das Erstarken der rechten und nationalre­ligiösen Kräfte in Israel und die Regie­rung Donald Trumps, deren mit Israel be­fasste Vertreter den Ausbau von Siedlun­gen nicht kritisieren, sondern teils offen unterstützen, hat Netanjahus Status quo ins Wanken gebracht.

Wurden 2015 noch rund 2400 Aus­schreibungen und Baupläne für Wohnein­heiten in den völkerrechtlich gesehen ille­galen Siedlungen veröffentlicht und im Jahr 2016 mit rund 2700 nur wenig mehr, erreichte der Siedlungsausbau nach der Amtsübernahme Trumps eine neue Stufe: 2017 wurden annähernd 10 000 neue Wohneinheiten verkündet und bis zum August dieses Jahres mehr als 6000. Als die israelischen Behörden vor wenigen Ta­gen Planungsschritte für weitere 1000 Wohnungen genehmigten, schwieg Wa­shington dazu. 300 neue Wohnungen sind in der Siedlung Beit El tief im Westjordan­land vorgesehen, für die der amerikani­sche Botschafter David Friedman und die Familie von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner vor Amtsantritt viel Geld gespen­det hatten. Und der Kasino-Milliardär Sheldon Adelson, der die Wahlkämpfe Netanjahus und Trumps maßgeblich fi­nanziert hat, spendete für den Bau einer medizinischen Fakultät in der Siedlung Ariel. Dabei sagte Adelson im Beisein des Siedlerpartei-Vorsitzenden Naftali Ben­nett vor wenigen Tagen im Westjordan­land: „Hier in Großisrael helfen wir, Isra­el größer zu machen.”

Anders als Netanjahu will Bennett den Status quo im Westjordanland verändern. Er befördert dort eine Politik der schlei­chenden Annexion. Unterstützung erhielt das Großisrael-Projekt nun auch von ei­nem zivilen Gericht. Am Dienstagabend entschied das Jerusalemer Bezirksgericht in einem wegweisenden Urteil, dass der östlich von Ramallah — zumindest teilwei­se auf palästinensischem Privatland — er­richtete Siedlungsaußenposten Mitzpe Kramim rechtens sei. Anders als bei ande­ren Siedlungen war das Land, auf dem Mitzpe Kramin errichtet wurde, nie von den Streitkräften übernommen worden. Diese Methode war bislang der übliche Weg gewesen, in den besetzten Gebieten Siedlungen zu bauen: Durch die Vorgabe eines militärischen Nutzungsbedarfs aus Sicherheitsgründen oder zu Übungszwe­cken konfiszierte das Militär Land im Westjordanland, das es dann später an Siedlergesellschaften übergab.

Das 1999 errichtete Mitzpe Kramin ist ein anderer Fall. Das Land dieser Sied­lung war nicht zuvor konfisziert worden. Nach Angaben der militärischen Zivilver­waltung für die „Territorien” war nicht be­kannt, dass das Land vor dem Bau der Siedlung palästinensischen Eigentümern gehörte. 2011 reichten einige dieser Paläs­tinenser beim israelischen Obersten Ge­richt eine Klage gegen die Siedlung ein. Nun urteilten die Richter, dass die palästi­nensischen Landbesitzer trotz vorliegen­der Besitzansprüche kein Recht hätten, die Räumung der Siedlung zu verlangen. Allerdings stehe ihnen eine finanzielle Entschädigung zu.

Ihr Urteil begründeten die Richter mit einer besitzrechtlichen Innovation: Nach israelischem Recht sind Käufe rechtens, wenn sie unter bestimmten Umständen in gutem Glauben” getätigt wurden, selbst wenn sich später herausstellt, dass er erworbene Besitz zuvor gestohlen wur­de.

Dieses Rechtskonzept weiteten die Richter auf das Westjordanland aus und ihre Gerichtsbarkeit auf exterritoriales Ge­biet: Seit einigen Monaten gilt eine Direkti­ve des Justizministeriums, dass israeli­sches Zivilrecht auch eine Entsprechung für jüdische Siedler im Westjordanland fin­den müsse. Die Zionistische Weltorganisa­tion, die das betreffende Land zur Nut­zung überlassen bekam und an die Siedler weitergab, behandelten die Richter wie ei­nen privaten Käufer. Der Jurist Mordechai Kremnitzer vom Israelischen Demokratie-Institut in Jerusalem kritisiert das Urteil. „Es ist klar, dass eine Siedlung nicht von Individuen gegründet wird, sondern ein Akt des Staates ist.” Ein Anwalt der Nicht­regierungsorganisation „Es gibt Recht” äu­ßerte, im Falle von Mitzpe Kramim könne es sich nicht um einen Kaufvorgang gehan­delt haben, weil das Land ohne Gegenleis­tung an Siedler übergeben wurde.

Die Legalisierung des Siedlungswesens im Westjordanland ist erklärtes Ziel vieler Politiker, nicht nur der Siedlerpartei, wel­che die für Landfragen mitzuständige Jus­tizministerin stellt. Justizministerin Ayelet Shaked sagte, das Urteil schaffe einen „Präzedenzfall” und sei „außerordentlich bedeutsam”. Das Urteil zeige, so Shaked. „dass der Staat nicht mehr sagt, Siedlun­gen müssten geräumt werden, sondern dass wir einen Weg finden, sie zu legitimie­ren, um die Entwicklung und das Wachs­tum der Siedlungen voranzutreiben”.

Protest der internationalen Gemein­schaft blieb weitgehend aus. Die Spreche­rin des amerikanischen Außenministeri­ums wollte sich auch auf Nachfrage nicht zu dem Urteil äußern. Anders als bei poli­tischen Entscheidungen halten sich westli­che Staaten bei Gerichtsentscheidungen üblicherweise zurück. Im Gegensatz zu vielen seiner Minister äußerte sich auch Netanjahu zunächst nicht. Das Oberste Gericht wird das Urteil überprüfen.

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