MESOP : Während deutsche Partei-GenossInnen den Iran noch in irgendetwas Gedachtes „einbinden“ wollen, sind die Mullahs längst dabei, Irak & Kurden unter ihren Einfluss zu bringen
Kampf gegen IS – Gemeinsamer Gegner, unterschiedliche Strategie
Jürg Bischoff, Beirut 18.10.2014, NEUE ZÜRCHER ZEITUNG – Misstrauen zwischen Saudi und Iranern verhindert ein koordiniertes Vorgehen gegen die Jihadisten. Stein des Anstosses ist der syrische Präsident Asad.
Der iranische Aussenminister Zarif hat die Koalition zur Bekämpfung der Terrortruppe des Islamischen Staats (IS), die Washington in den letzten zwei Monaten um sich versammelte, vor ausländischen Journalisten spöttisch als «Allianz der Reumütigen» bezeichnet. Er stellte damit die Glaubwürdigkeit eines Bündnisses infrage, dessen Mitglieder sich von Geldgebern und Waffenlieferanten der Islamisten und Jihadisten in Syrien plötzlich in deren Feinde verwandelt haben. Und er insinuiert damit wohl auch, dass Teheran und seine Partner gegen den IS die besseren Karten haben.
Khameneis Veto
Im August spielten sowohl Teheran wie Washington mit dem Gedanken, im Kampf gegen die Jihadisten zu kooperieren. Für die Amerikaner erwies sich dies jedoch als unmöglich, weil sie auf Saudiarabien und die sunnitischen Monarchien als Bündnispartner angewiesen waren; man wollte den Vorwurf vermeiden, gegen die Sunniten Krieg zu führen. Die Saudi wollten von einem Einschluss Irans nichts wissen, denn in ihrer Vorstellung ist der Kampf gegen den IS nur die erste Phase eines Kriegs, der sich in der zweiten Phase gegen Irans Verbündeten Asad richtet.
In Teheran legte der oberste Führer, Ayatollah Khamenei, sein Veto gegen ein Zusammengehen mit Amerika ein. Laut Khamenei haben die Amerikaner Terrorgruppen wie al-Kaida und den IS selber geschaffen, um die Muslime zu spalten und einen Vorwand zu haben, in der Region zu intervenieren. Amerika aus der Region zu verdrängen, gehört seit der islamischen Revolution von 1979 zu den Zielen Irans. Dass die Amerikaner im Irak wieder Fuss fassten, sah man in Teheran nicht gern.
Iran lockt die Kurden
Dass Präsident Obama den Krieg nur aus der Luft führen wollte, dürfte die Ängste der Iraner aber etwas gedämpft haben. Während die USA im Schlaglicht der Medien Partner für ihren Luftkrieg versammelten, arbeiteten die Iraner diskret daran, ihren Einfluss bei den Kräften auszubauen, die dem IS am Boden gegenüberstehen. Dabei kam Teheran zugute, dass es den Regierungen der beiden direkt bedrohten Länder Syrien und Irak politisch nahesteht. Amerikaner wie Iraner schickten Berater in den Irak, um den Widerstand gegen den IS zu organisieren. Die Iraner halfen mit, die schiitischen Milizen auszubilden und auszurüsten, auf denen nach dem Zerfall grosser Teile der Armee die Hauptlast bei der Abwehr der Jihadisten liegt. Bei der Verteidigung der Hauptstadt kommt ihnen schon heute eine grosse Bedeutung zu.
Die Anstrengungen der Amerikaner, die irakische Armee zu einer kampfbereiten Truppe zu machen, dürften dagegen noch Jahre dauern. Teheran pflegt auch seine Beziehung zu den irakischen Kurden. Die Patriotische Union Kurdistans (PUK), eine der zwei regierenden Parteien im kurdischen Autonomiegebiet, ist seit je mit Teheran liiert und beherrscht den Landstrich entlang der iranischen Grenze. Mindestens zweimal sind seit August in den Medien Bilder des Kommandanten der Kuds-Brigaden, Kassem Soleimani, verbreitet worden; sie zeigten ihn bei Besuchen in dieser für Iran strategisch wichtigen Region. Seit dem Vormarsch des IS umwirbt Teheran auch Masud Barzani, den Chef der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und Präsidenten der kurdischen Regionalregierung. Barzani sagte kürzlich, Iran habe den Kurden in der Nacht nach dem Vorstoss des IS auf Erbil zwei Flugzeugladungen voller Waffen geschickt. Teheran bietet sich den Kurden als Partner an, der ihnen schnell und zuverlässig Hilfe bringen kann.
Schwache Rebellen in Syrien
Zugleich wird so auch die Türkei verdrängt, die bisher Barzanis engster Partner war. Angesichts von Ankaras zweideutigem Verhältnis zu den Jihadisten und der türkischen Blockade gegen die Kurden in Kobane wird die Freundschaft mit der Türkei für Barzani aber zunehmend zur Belastung. Und auch in Syrien verfügen die Iraner dank ihrem langjährigen Bündnis mit dem Asad-Regime über einen grossen Einfluss. Die syrische Armee und regimetreue Milizen werden von Iranern beraten und ausgerüstet und haben zuletzt an Kampferfahrung gewonnen. Der libanesische Hizbullah steuert bei Bedarf auch seine gut trainierten Kämpfer bei, die sich in kritischen Situationen als wirkungsvoll erwiesen haben.
Amerikanische Anstrengungen zur Schaffung von stabilen und zuverlässigen Rebelleneinheiten sind dagegen bisher erfolglos geblieben. Mit Salafisten und Jihadisten wollen die Amerikaner nicht zusammenarbeiten, und der Aufbau einer moderaten Rebellenarmee, den Saudiarabien und die Türkei vorantreiben wollen, braucht Zeit. Die Partner Irans scheinen gegenwärtig jedenfalls besser darauf vorbereitet, aus den amerikanischen Luftangriffen Nutzen zu ziehen, als die gespaltenen und zerstrittenen Anti-Asad-Rebellen.
Bündnistreue gegenüber Asad
So ergibt sich das Bild zweier Allianzen, von denen jene unter Führung Amerikas die Luft beherrscht, während die Verbündeten Irans am Boden stark sind. Dass eine Zusammenarbeit dem Kampf gegen den gemeinsamen Gegner zuträglich wäre, ist offensichtlich. Unter Vermittlung der Iraker findet eine diskrete Kooperation auf operationeller Ebene im Irak wohl auch statt. Es war der Sicherheitsberater der irakischen Regierung, der Asads Zustimmung zur Ausweitung der amerikanischen Luftangriffe auf Syrien einholte.
Das Misstrauen zwischen Saudi und Iranern verhindert aber, dass die vielen Gegner des IS an einem Strick ziehen. Für eine Zusammenarbeit stellt Teheran die Bedingung, dass jede westliche und arabische Unterstützung für die syrischen Rebellen aufhört. Die Saudi hingegen nehmen an der Allianz gegen den IS unter der Bedingung teil, dass der Kampf gegen Asad weitergeht und die Aufständischen besser bewaffnet und ausgebildet werden.
Der gordische Knoten ist offensichtlich Syriens Machthaber Bashar al-Asad. Die Iraner sind vorläufig nicht bereit, ihn zu opfern, um die verfeindeten Gruppen an einen Tisch zu bringen, wie sie dies im Irak mit Maliki getan haben. Irans stellvertretender Aussenminister Hossein Abdollahian erklärte, das syrische Volk müsse entscheiden, ob Asad bleibe oder gehe. Iran wolle Asad nicht sein Leben lang an der Macht halten, «aber wir werden es nicht zulassen, dass einer unserer besten Verbündeten im Widerstand (gegen Israel) von Terroristen gestürzt wird». http://www.nzz.ch/international/naher-osten-und-nordafrika/gemeinsamer-gegner-unterschiedliche-strategie-1.18406252