MESOP SPECIAL: „DIE ANMELDUNGEN LAUFEN GUT!“ -IRAN KONFERENZ AM 19. MAI

LISTE DER WETTLÄUFER NACH TEHRAN / WELCHE DEUTSCHE UNTERNEHMERN STEHEN IN DEN STARTLÖCHERN / WER PROFITIERT ? / Ali Fathollah NEJAD.

Von Sebastian Baltzer + Pascal Schneiders

Die Deutsch-Iranische Industrie- und Handelskammer in Teheran sucht einen neuen Geschäftsführer. So schnell wie möglich soll er loslegen – nicht nur, weil der bisherige Kammerchef, Daniel Bernbeck, im Sommer seine neue Stelle in Malaysia antritt. Sondern auch deshalb, weil es in den nächsten Monaten für seinen Nachfolger mehr als genug zu tun geben wird. Ende Juni soll das von den fünf Vetomächten der Vereinten Nationen und Deutschland ausgehandelte Atomabkommen mit Iran stehen. Dann dürften auch die seit zoo6 geltenden und 2012 deutlich verschärften Wirtschaftssanktionen gegen das mit seinem Erdöl reich gewordene, von dem jahrelangen politischen Konflikt aber wirtschaftlich zurückgeworfene Land gelockert werden. Und die deutschen Unternehmen, die ihre früheren Geschäftsbeziehungen wieder aufnehmen wollen, werden dazu jede Hilfe brauchen können. Denn ihren Platz haben längst andere eingenommen.

Die Chinesen zum Beispiel. Offenbar legten sie die Sanktionen deutlich lockerer aus als die Deutschen. Seit 2009 jedenfalls ist China Irans größter Handelspartner und nicht mehr Deutschland. Den Chinesen habe sich der iranische Markt „auf dem Silbertablett” angeboten, sagt etwa Ali Fathollah Nejad, gebürtiger Iraner und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Deutschen Orient-Stiftung. Chinesische Unternehmen sprangen nach seiner Darstellung in die Exportlücke, die sich nach der Verabschiedung der Sanktionen auftat. Sie überschwemmten den Iran mit ihren Produkten und erhielten dafür billigeres Öl, fügt Fathollah Nejad hinzu.

Aber auch viele amerikanische Unternehmen investierten in den vergangenen Jahren kräftig, sagt Helene Rang, die Geschäftsführerin des Nah- und Mittelostvereins – obwohl die Vereinigten Staaten die treibende Kraft hinter den Sanktionen sind. Vor allem in der Ausrüstung der iranischen Ölbranche sind die amerikanischen Anbieter inzwischen führend. Und in der Autoindustrie, wo sich die Deutschen im Rest der Welt nichts vormachen lassen, haben in Iran die Franzosen die Nase vorn. Sogar Schweden, die Schweiz und Osterreich haben schon vor Monaten offizielle Wirtschaftsdelegationen entsandt, um die Geschäfts-möglichkeiten auszuloten. Die deutschen Unternehmen dagegen halten sich bedeckt. ThyssenKrupp, Siemens, Linde, Daimler -sie alle machten in Iran gute Geschäfte. Abwarten und beobachten, heißt es nun meist.

Damit verspielt Deutschland einen historischen Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern. Denn einst machte das damalige Persien und das deutsche Kaiserreich die gemeinsame Abneigung gegenüber Großbritannien zu Verbündeten. Schon 1873, als der Schah von Persien Berlin besuchte, wurde ein Handelsvertrag geschlossen. Davon profitierten beide: Am Golf gab es Rohstoffe, Deutschland hatte die Technik. Ihre Blütezeit hatte die Partnerschaft zwischen den Weltkriegen. 1925 öffnete in Teheran die Deutsch-Iranische Gewerbeschule, an der junge Iraner ausgebildet wurden. „Deutschland wurde zum Begründer der iranischen Industrie”, fasst der Iran-Experte Matthias Küntzel die Entwicklung zusammen. So wurde Deutschland zum wichtigsten Han-delspartner des Landes, so errangen Produkte aus Deutschland einen hervorragenden Ruf. Ihren symbolträchtigen Höhepunkt fanden diese engen Beziehungen 15,74, als sich der iranische Staat mit 25 Prozent der Anteile am Essener Stahlkonzern Krupp beteiligte und der Schah von Persien damit einer deutschen IndustrieIkone aus einer finanziellen Klemme half.

Waren und Dienstleistungen für gut vier Milliarden Euro im Jahr führten die deutschen Unternehmer vor dem Beginn der Sanktionen nach Iran aus. Davon ist heute nur noch knapp die Hälfte übrig. Nicht etwa, weil so viele Produkte aus Deutschland auch militärisch nutzbar wären und deshalb den auf europäischer Ebene getroffenen Vereinbarungen zufolge vom Export ausgeschlossen wären. Maschinen und Anlagen für die Industrie, Lebens- und Arzneimittel, Autoteile, Technik für die Energie- und Wasserversorgung zählten vor dem Streit um das iranische Atomprogramm zu den klassischen deutschen Exportgütern. Das meiste davon ist – auch bei genauer Prüfung – völlig unverdächtig. „Die Ausfuhrgenehmigungen waren nie das Problem”, sagt etwa Stephanie Spinner-König, die Geschäftsführerin des Rundfunk- und Mobilfunkausrüsters Spinner aus München, der früher auch regelmässig iranische Kunden belieferte. „Das Problem sind immer die Banken.”

Hinter dieser Diagnose steckt, dass sowohl die Deutsche Bank als auch die Commerzbank Vergleichszahlungen in dreistelliger Millionenhöhe zugestimmt haben, um die Vorwürfe amerikanischer Behörden aus der Welt zu räumen, sie hätten gegen die Iran-Sanktionen verstoßen. Seitdem, so berichten es die Vertreter vieler deutscher Unternehmen, lehnen deutsche Kreditinstitute es von vornherein ab, den Zahlungsverkehr für Geschäfte mit iranischen Handelspartnern abzuwickeln. Mehr oder weniger offen sorgen sich einige Unternehmen auch darum, ihre – in den meisten Fällen sehr viel wichtigeren – Kunden in Amerika zu verlieren, wenn diese Wind von ihren wenigen noch bestehenden Iran-Geschäften bekommen.

Um diese Gefahr zu begrenzen, sind manche Hersteller nach eigenen Angaben auf Banken aus der Türkei oder aus Abu Dhabi ausgewichen, die sich ihre Dienste allerdings teuer bezahlen lassen – von Aufschlägen von mehr als zehn Prozent ist die Rede. Andere, wie die Münchner Spinner-Gruppe, wollen sich darauf nicht einlassen und verzichten lieber ganz auf das Geschäft. „Wir haben noch einen Altauftrag ausgeliefert, aber das war ein fürchterliches Hickhack”, berichtet Stephanie Spinner-König.

Sie selbst war im vergangenen Jahr zum ersten Mal in Teheran. Zusammen mit einer Handvoll weiterer bayerischer Unternehmer machte sie eine „Erkundungsfahrt” – keine offizielle Delegationsreise also, sondern ein vorsichtiges Abtasten, das unter dem Radar der Diplomatie bleiben sollte. Deshalb traf sie dort auch keinen ihrer früheren Geschäftspartner, sondern nur Verbandsvertreter -und hörte von ihnen nach eigener Auskunft bei aller Höflichkeit oft die Frage, warum die Deutschen sich erst jetzt blicken ließen, wo alle anderen doch längst schon da seien.

Ob sich die alten Kontakte einfach so mit einer E-Mail oder einem Anruf reaktivieren lassen, sobald das Atomabkommen steht? Daniel Bernbeck, der scheidende Geschäftsführer der Handelskammer in Teheran, gibt sich zuversichtlich. Das Exportvolumen werde kurzfristig auf drei Milliarden Euro ansteigen. In einigen Jahren könnten es sogar acht bis 10 Milliarden Euro im Jahr sein, glaubt er. Dann würde Iran wieder zu den zwei Dutzend wichtigsten Ausfuhrländern der deutschen Industrie zählen. Der Nah- und Mittelostverein jedenfalls hat für den 19. Mai eine Iran-Konferenz für Unternehmensvertreter geplant, ganz offiziell. De Anmeldungen, heißt es, laufen gut.

FAS (FAZ) 19 April 2015 – Wirtschaft