MESOP REPORT : REGIERUNGSDEBATTE – DEUTSCHE WAFFEN FÜR PESHMERGA ? / DOKUMENTATION
Debatte über Hilfe für Kurden – Kabinett berät über Raketenlieferung
20.08.2014 – Von Christian Thiels, tagesschau.de – Die Bundesregierung will sich heute am Rande des Kabinetts mit der Unterstützung der Kurden im Nordirak befassen. Dabei könnte es nicht nur um die Lieferung von Hilfsgütern gehen, sondern auch um konkrete Überlegungen, Panzerabwehrraketen zu liefern.
Es ist ein Dilemma für die Bundesregierung. Einerseits postulierte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel auch gestern wieder öffentlich Zurückhaltung beim Export von Kriegsgerät und erklärte nach einem Treffen mit Belegschaftsvertretern der Branche, dass beschäftigungspolitische Gründe keine ausschlaggebende Rolle bei diesen Fragen spielen dürften.
Andererseits wächst der Druck auf Berlin, angesichts des Kampfes der Kurden gegen die Terrorgruppe “Islamischer Staat” im Nordirak nicht länger tatenlos zuzusehen oder sich auf die Lieferung von Decken und Medikamenten zu beschränken.
Werden bald “Milan”-Raketen der Bundeswehr an die Kurden geliefert? Hier trainieren britische Fallschirmjäger mit dem System. (Archivfoto 2003)
“Milan”-Raketen liegen zuhauf in den Depots
Kurdenführer Massud Barsani hatte bereits vergangene Woche durchblicken lassen, dass er sich – auch von Deutschland – vor allem panzerbrechende Waffen wünscht. Und die könnte er womöglich auch bekommen.
Nach Informationen von tagesschau.de haben die Planer im Verteidigungsministerium etwa auf umfangreiche Bestände von “Milan”-Panzerabwehrraketen in Bundeswehr-Depots hingewiesen. Diese Raketen – eine deutsch-französische Gemeinschaftsentwicklung aus den 70er-Jahren, kann gepanzerte Ziele in bis zu drei Kilometern Entfernung bekämpfen. Die Raketen wären schnell verfügbar, bei vielen laufe das Haltbarkeitsdatum ohnehin in absehbarer Zeit aus, heißt es aus Koalitionskreisen.
Diskussion über Lieferung von Rüstungsgütern in Krisengebiete
tagesthemen 22:15 Uhr, 19.08.2014, Marion von Haaren, ARD Berlin
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Befürchtungen im Auswärtigen AusschussOb sich Deutschland aber tatsächlich zur Lieferung der “Milan” durchringt, ist noch nicht abschließend entschieden. Im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages etwa gibt es noch erhebliche Vorbehalte dagegen, die Peschmerga mit derartigen Waffen auszustatten. Der Grund: Es sei kaum sicherzustellen, dass die Waffen in Händen der Kurden blieben und auch nur gegen die Islamisten eingesetzt würden.
So befürchten etliche Politiker der SPD, aber auch einige in der Union, dass noch mehr deutsche Waffen unkontrolliert durch die Krisenregion vagabundieren oder von den Kurden später für den Kampf für ein unabhängiges Kurdistan eingesetzt werden könnten.
Kommentar: Deutsche Waffen in Krisengebiete?
F. Aischmann, ARD Berlin
19.08.2014 16:45 Uhr
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Hilfe in vier SchrittenEs ist also wenig verwunderlich, dass die Bundesregierung dem Vernehmen nach die Unterstützung der Kurden in vier Stufen plant. Nach den Hilfslieferungen mit Medikamenten, Decken und anderen humanitären Gütern, die bereits laufen, soll dann in einem zweiten Schritt nicht-tödliche Ausrüstung wie Helme, Schutzwesten, Nachtsichtgeräte und Sanitätsausrüstung geliefert werden.
Schritt drei könnte der Transport von Waffen aus russischer Produktion aus den Arsenalen der NATO-Partner Ungarn oder Polen sein. Erst ganz am Ende stünde dann die Lieferung von Waffen aus deutschen Arsenalen, darunter könnten dann eben auch “Milan”-Raketen sein.
Rüstungsexportrichtlinien
Die derzeit gültigen Rüstungsexportrichtlinien wurden im Jahr 2000 von der damaligen rot-grünen Koalition beschlossen. Das Regelwerk mit dem langen Namen “Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern” hält die Regierung an, “ihre Rüstungsexportpolitik restriktiv zu gestalten”. Verboten sind ausdrücklich Exporte in jene Länder, “die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht”. Allerdings sind Ausnahmen “in begründeten Einzelfällen” möglich; davon wurde bereits mehrfach Gebrauch gemacht. Hier finden Sie das Dokument als PDF auf der Website des Bundeswirtschaftsministeriums.