MESOP REALSATIRE : Barsani lächelt: “Sie sind Peschmerga, mein General!” Alle erheben sich. Standing Ovations. Auch “General Lévy” applaudiert sich selbst.
MESOP : GENERAL BERNARD HENRY LEVY – GRUPPENBILD MIT PESHMERGA (Klick link für Fotos)
Das große Kino des Pariser Ersatz-Außenministers / Kurden gelten in Paris jetzt als „cool“
Die Peschmerga sind in voller Kriegsmontur nach Paris gereist. Auf den Epauletten ihrer Uniformen prangen fette, goldene Sterne. Noch größere leuchten an den Wänden des Filmtheaters Saint Germain, eines kleinen Offkinos, das kürzlich mit Geldern der Pariser Intelligenzija renoviert worden ist. Draußen, zwischen dem Café “Les Deux Magots” und der Abtei von Saint-Germain des Prés, stehen schwarze Limousinen und Einsatzwagen der Sonderpolizei CRS. Auf dem Programm an diesem Abend: großes Kino.
Sterne überall, auch auf den Rückenlehnen der Kinosessel und in den Augen mancher Zuschauer. Der größte Star sitzt auf der Bühne: Bernard-Henri Lévy, 66, kurz genannt BHL, Philosoph, Schriftsteller, Verleger, Regisseur, Unternehmer, Menschenrechtsaktivist, für viele ein verdammt rotes Tuch. Er trägt sein blütenweißes Hemd, wie immer fast bis zum Bauchnabel aufgeknöpft. Die Brust haarlos. Die Haut sommerfrisch getönt.
Lévy kommt gerade zurück von der irakischen Front, Sektor 6, zwischen Makhmour und Gwer. Dahinter? Daesch, wie sie in Frankreich sagen für den Islamischen Staat (IS), dahinter Terrormilizen, Gräuel, das Kalifat. Nicht wirklich ein Platz für Sonnenbäder. Seinen Teint verdankt er vermutlich nicht Aufenthalten in Makhmour oder Mossul, sondern eher Reisen auf die Malediven, womöglich auch Marrakesch.
Der Besuch des kurdischen Militärs war seine Idee. Er hat alles organisiert und finanziert: den Kurztrip nach Paris, den Empfang bei Präsident François Hollande im Élysée, die Schweigeminute vor der Redaktion des von Islamisten überfallenen Satiremagazins “Charlie Hebdo” und am koscheren Lebensmittelmarkt, wo die Kurden Blumenkränze abgelegt haben. “Wir haben dieselben Werte, wir führen denselben Kampf”, sagt Lévy. Ein kurdischer General fügt hinzu: “Es sind auch unsere Opfer.” Er meint die Toten von Paris.
Lévy sitzt auf dem Podest, eingerahmt von fünf kurdischen Generälen, dem Außenminister der autonomen Region Kurdistan im Irak, Mustafa Qadir, einem kahlköpfigen Übersetzer, der aussieht wie der Wiedergänger von Michel Foucault, allerdings mit dunklen, buschigen Augenbrauen, und er ist sichtlich stolz auf seinen jüngsten Coup: “Gestern waren sie noch an der Front, in Tuchfühlung mit den barbarischen Kräften der Daesch. Heute erweisen sie uns die Ehre. Morgen sind sie wieder im Krieg.”
Das Mikrofon geht herum, von General zu General. Man habe Hollande um Unterstützung und Waffen gebeten. Es wird aus dem Kampf gegen die Terrormilizen des IS erzählt. Die Peschmerga, die irakischen Kurdenkämpfer, nennen BHL “Bernardo” oder “General Lévy”.
Die knapp 200 Zuschauer dürfen sich ausnahmsweise fühlen wie Kriegsreporter und sich gleichzeitig in ihren bequemen Kinosesseln zurücklehnen. “Es ist das erste Mal, dass wir Flugzeuge am Himmel sehen, die uns nicht bombardieren”, sagt General Sirwan Barsani, Neffe des kurdischen Präsidenten Massud Barsani, bis vor Kurzem noch Geschäftsmann, Eigentümer der Mobilfunkfirma Korek, der anfangs sein eigenes Vermögen in Autos und Waffen für den Krieg gesteckt hat.
BHL stellt den Franzosen Helden vor: “Die Peschmerga sind Schild und Schwert zugleich, Wachtturm der Zivilisation angesichts der Barbarei.” Bei solchen Sätzen ballt er die Hand zur Faust. Pathos hat Lévy noch nie gescheut. Immer schiebt sich sein eigenes Ego vor die Weltereignisse, um die er sich stets so dekorativ bekümmert.In Frankreich gibt es kaum eine Figur, die wie Lévy derart viele Gegensätze verbindet. Das Schöngeistige und das Kriegerische. Obszönen Reichtum und Lust am Risiko. Seit BHL wissen wir, dass Philosophen auch auf roten Teppichen gute Figur machen und in Hochglanzmagazinen mehr Aufmerksamkeit erregen als mit philosophischen Traktaten. Als einen “Philosophen ohne Denken, aber mit Beziehungen” hat ihn der Schriftsteller Michel Houellebecq charakterisiert.
Seit den Siebzigerjahren war er so ziemlich überall dabei, manche nennen ihn deshalb den “zweiten Außenminister”. Er surfte durch die Zeitgeschichte, bereiste die portugiesische Nelkenrevolution. Dann Kuba. Später Bosnien. Afghanistan und viele, viele Schauplätze mehr. Unlängst sein Marshallplan für die Ukraine. Jetzt Menschenrechtstourismus in Sachen Kurdistan. Davor Libyen.
Letzteres ist ein gutes Beispiel dafür, dass gut gemeinte Einmischung nicht immer zum erwünschten Ziel führt. Mit einem Anruf beim damals amtierenden Präsidenten Nicolas Sarkozy hatte BHL zum militärischen Schlag gegen Libyen gedrängt. Doch das Post-Gaddafi-Chaos ist inzwischen so verheerend, dass BHL seine libyschen Freunde nicht einmal mehr auf libyschen Boden treffen kann. Als er deshalb nach Tunis flog, wurde er von Demonstranten mit “Hau ab!”-Rufen vertrieben. Aber Scheitern? Kennt er nicht: “Die einzige Art und Weise, nichts zu riskieren und nichts zu bereuen, ist, wie die Pariser Besserwisser niemals vom Schreibtisch aufzustehen.”
Nun also Kurdistan, ein Volk, das perfekt in Lévys Schemata passt. Die Rolle der Peschmerga war alles andere als glorreich, als die Terrormilizen des IS im vergangen Sommer angriffen. Im Nu hatte Daesch kurdische Städte erobert. Es waren vor allem die Kämpfer der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), die sich den Islamisten entgegenstellten, aber die PKK gilt immer noch als terroristische Vereinigung. Außerdem klingt Peschmerga natürlich viel besser.
Guter Coolness-Faktor, modische Projektionsfläche
Als Kurden ewig gebeutelt, haben sie in den einschlägigen Pariser Milieus einen hohen Coolness-Faktor und geben eine perfekte Projektionsfläche für politische Fantasien ab. Der schwedische Bekleidungsriese H&M hat das sofort erkannt und im vergangenen Herbst eine Kollektion mit khakifarbenen Damenoveralls herausgebracht, die sich eindeutig von den Kampfanzügen der schönen Peschmerga-Soldatinnen hat inspirieren lassen.
Vielleicht ist das Lévys eigentliches Verdienst: dass er uns die komplizierte Welt erklärt, dass er sie vereinfacht, dass er uns immer sagen kann, wo’s langgeht. Man muss ihm nicht folgen, aber kann sich daran reiben. Aus dem Publikum kommt die Frage, was genau die Peschmerga bräuchten. “Apache-Hubschrauber wären nicht schlecht”, sagt ein Brigadegeneral schmunzelnd, “aber Cobra geht auch.”
Lévy sitzt daneben, ein Diplomat in Gestalt eines Dandys. Am Anti-IS-Bündnis beteiligen sich inzwischen mehr als 60 Nationen, sogar Deutschland hat mehrere Tausend G36-Sturmgewehre geliefert, die nun peinlicherweise“Präzisionsprobleme” haben. Aber wenn selbst die Deutschen Waffen liefern, kann man gefahrlos behaupten, dass die Weltgemeinschaft hinter den Kurden steht. Und jetzt auch Lévy.
Er bleibt ein Phänomen. Am Ende weiß man nicht, ob es ihm wirklich um die Sache geht oder doch nur um Selbstinszenierung. Über den Besuch im Élysée wird er am Ende sagen: “Das Spektakel war außergewöhnlich.” Ein historischer Moment, darunter macht er es nie.
Die Peschmerga bedanken sich höflich bei “General Lévy”. Aber der winkt ab. Er habe doch nur seine “Arbeit als Demokrat und Freiheitskämpfer” getan. Nicht General also, aber im Herzen Peschmerga. Barsani lächelt: “Sie sind Peschmerga, mein General!” Alle erheben sich. Standing Ovations. Auch “General Lévy” applaudiert sich selbst.
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