MESOP “POINT OF VIEW” : Von Henryk M. Broder – Die doppelte Frau Özoguz

Ausgerechnet die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, hat sich gegenüber der tagesschau gegen die Armenien-Resolution ausgesprochen, die der Bundestag morgen verabschieden will. Es sei zu erwarten, sagte sie, „dass durch diese Abstimmung Türen eher zugeschlagen und die geschichtliche Aufarbeitung zwischen der Türkei und Armenien sogar verhindert wird“. Die Initiatoren der Abstimmung hätten außerdem „politische Motive“. Sie ärgere sich über „die Instrumentalisierung dieses Themas“. –  Nun gilt Frau Özoguz sogar in ihrer eigenen Partei, der SPD, nicht als besonders helle, aber dieses Statement übertrifft in seiner Dämlichkeit noch die meisten Äußerungen von Sigmar Gabriel. Welche Motive sollen die Initiatoren einer Resolutin haben, wenn nicht politische?

Und hatte die Türkei nicht 100 Jahre Zeit, die „geschichtliche Aufarbeitung“ der „Ereignisse von 1915“, wie der Völkermord an den Armeniern amtlich bezeichnet wird, voranzutreiben? Eine Aufarbeitung, die nicht stattgefunden hat, soll ausgerechnet durch eine späte Resolution des Bundestages verhindert werden? Will uns Frau Özoguz sagen, sie habe im Laufe ihrer politischen Karriere noch nichts „instrumentalisiert“, nicht einmal ihre Herkunft?

Nun hat die Integrationsbeauftragte nachgelegt. Auf ihrer FB-Seite gab sie eine weitere Erklärung ab:

Ich bin der Meinung, dass eine Abstimmung im Deutschen Bundestag über den Völkermord an den Armeniern nicht helfen wird, die Aufarbeitung und den Versöhnungsprozess in der Türkei voranzubringen. Ich befürchte vielmehr das Gegenteil, nämlich dass Ultranationalisten in der Türkei Auftrieb bekommen und sich die Fronten in der Türkei weiterhin verhärten. Denn jene, die meinen, mit dem einen Begriff Völkermord in einer Resolution des Deutschen Bundestages würde automatisch eine Aufarbeitung in der Türkei einhergehen, irren sich. Der Bundestag kann diese Resolution verabschieden, aber er ist nun mal kein Strafgerichtshof.

Wir stimmen am Donnerstag über den Inhalt der Resolution ab und nicht darüber, ob es sinnvoll ist, eine solche im Deutschen Bundestag zu beschließen. Diese Skepsis über die Sinnhaftigkeit des Antrags und eine solche Abstimmung im Deutschen Bundestag ändert aber nichts an meiner grundsätzlichen Haltung, dass es sich bei den Verbrechen an der armenischen Bevölkerung in der Türkei um einen Völkermord handelt. Deshalb stimme ich auch zu.

Das ist praktizierte Dialektik im Dienste des Partei- und Familienfriedens. Privat ist Frau Özoguz der Meinung, dass es sich bei den Verbrechen an der armenischen Bevölkerung in der Türkei um einen Völkermord handelt“,  deshalb stimmt sie der Resolution zu, die sie allerdings ablehnt, weil sie nicht möchte, dass Ultranationalisten in der Türkei Auftrieb bekommen und sich die Fronten weiterhin verhärten. Als ob die Ultranationalisten, wenn immer sie damit meint, auf eine Resolution des Bundestages angewiesen und die Fronten nicht längst verhärtet wären. Wenn die Armenier freilich so klug wären, weitere 100 Jahre darauf zu warten, dass die Türkei den Völkermord „aufarbeitet“, könnten sie wesentlich zur Entspannung beitragen und den türkischen Ultranationalisten den Wind aus den Segeln nehmen. Und dann hätte auch Frau Özoguz mit einer Resolution des Bundestages kein Problem.

Morgen wissen wir mehr.