MESOP : PARTEIAUSSCHLUSS DAGDELENS ! “Solidarisierung mit den Schlächtern” spaltet Linke
DIE WELT – 25-8-2014 – Mehrere Linke-Abgeordnete unterzeichneten einen Aufruf, in dem Syrien und Iran als Opfer von USA und Nato dargestellt werden. Deshalb tobt in der Partei nun heftiger Streit. Von Miriam Hollstein
Ein Syrien-Aufruf von Politikern der Linken erregt inzwischen auch innerhalb der Partei die Gemüter. Das Pamphlet “Kriegsvorbereitungen stoppen” kursiert bereits seit Tagen im Internet. Es wirft den USA und der Nato vor, durch Drohungen und “Terrorakte” einen Krieg “gegen die strategisch wichtigen bzw. rohstoffreichen Länder Syrien und Iran” vorzubereiten.
Zudem wird gefordert, die Embargo-Maßnahmen gegen beide Länder sofort aufheben. Die massiven Menschenrechtsverletzungen der Regime in Damaskus und Teheran werden mit keinem Wort erwähnt. Über 1400 Menschen haben den Aufruf unterzeichnet. Dazu zählen auch die Linken-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen, Dieter Dehm, Heike Hänsel und Annette Groth. Empört reagierten zunächst Vertreter anderer Parteien. Der Menschenrechtsbeauftragte des Auswärtigen Amts, Markus Löning (FDP), warf den Unterzeichnern vor, “an der Seite des Mörders Assad” zu stehen. Für CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe (Link: http://www.welt.de/13811010) ist der Aufruf ein “Schlag ins Gesicht für alle, die im ‘arabischen Frühling’ ihr Leben für Freiheit und Demokratie riskiert haben”.
Realos und Ultralinke bekriegen sich
Inzwischen tobt auch in der Linken ein heftiger Streit. In Internetforen beklagen sich Vertreter des Realo-Flügels über die ultralinken Unterzeichner aus den eigenen Reihen. Sie könne nicht nachvollziehen, warum Linke den Aufruf unterschrieben hätten, schrieb die Berliner Linke-Politikerin Katina Schubert auf ihrer Facebook-Seite – und musste sich dafür als “unsolidarisch” beschimpfen lassen. “Wenn man den Eindruck erweckt, man mache sich gemein mit Regimes, die Mord und Totschlag als Instrumente der Herrschaftsausübung nutzen, dann ist für mich die Grenze überschritten”, sagte Schubert der “Welt”.
Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagslinken, Dagmar Enkelmann, distanziert sich auf Anfrage: “Eines ist klar: Die Linke unterstützt Diktatoren wie Ahmadinedschad oder Assad nicht. Punkt.” In dieser Hinsicht könne man den Aufruf “fehlinterpretieren”. Dazu gebe es auch “klare Aussagen der Linken”. “Es wäre auch falsch, jetzt das Atom-Embargo gegen den Iran aufzuheben”, sagte Enkelmann.
Gemeinsam mit Parteichef Klaus Ernst und einer kleinen Gruppe von Linke-Parlamentariern hat sie Anfang Januar Israel und die Westbank besucht. Sie habe in Israel erlebt, wie massiv der Iran unter Ahmadinedschad als Bedrohung gesehen werde, sagte Enkelmann.Eine Aufhebung des Atom-Embargos sei daher in der jetzigen Situation genauso falsch wie eine Ausweitung des Embargos auf Öl und andere Güter. “Wir müssen alles vermeiden, was den Konflikt weiter zuspitzt.” Die Gaza-Flottille, an der zwei ihrer Fraktionskolleginnen im Mai 2010 teilgenommen hatten, will sie zwar nicht verdammen. Man müsse aber “differenziert” auf die Situation in Israel blicken, auch in der eigenen Partei.Damit spielt Enkelmann auch auf den Dauerkonflikt an, wie sich ihre Partei zum Nahen Osten generell und zu Israel im Besonderen positionieren soll. So war im vergangenen Jahr erst nach zähen Auseinandersetzungen ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels ins neue Parteiprogramm aufgenommen worden.
Selbst die Unterzeichner relativieren schon
Der Streit um den Aufruf lässt alte Gräben wieder aufbrechen, auch wenn der Schauplatz sich verlagert hat. Massive Angriffe erleben auch die Mitglieder des Bundesarbeitskreises BAK Shalom. Dieser gehört zur Jugendorganisation der Linken und hatte als einer der Ersten das Syrien-Pamphlet scharf kritisiert, den Unterzeichnern eine “Solidarisierung mit den Schlächtern” vorgeworfen. In Linken-Foren wird er dafür als “Parteischädiger” denunziert, und es wird gefordert, jegliche finanzielle Unterstützung des BAK zu beenden
Doch nun ist auch die Parteiführung zu dem Aufruf auf Distanz gegangen. “Wir verurteilen die Unterdrückung und Ermordung von politisch Andersdenkenden scharf und werden sie niemals hinnehmen”, betonte Parteisprecher Alexander Fischer in Berlin.Selbst die sechs Bundestagsabgeordneten, die das Pamphlet unterzeichneten, haben ihre Position relativiert. Die veröffentlichten eine “gemeinsame Erklärung”, die an die Parteispitze sowie Fraktionschef Gregor Gysi adressiert ist. Darin betonen sie, dass sie “selbstverständlich” jeglichen Staatsterror, “auch den iranischer Mullahs und den des Assad-Regimes”, verurteilen.
Lästerei über Foto von Dagdelen und Clinton
Dem Reformer-Flügel reicht das nicht. Besonders erbost ist man dort über die Rolle der Genossin Sevim Dagdelen. Die hatte noch Mitte der Woche erklärt, der Aufruf spiegele zu “100 Prozent” das Parteiprogramm der Linken wider. Die 36-jährige Dagdelen, die zum Lager der Lafontainisten gehört, ist Sprecherin für Migration und für internationale Beziehungen in der Fraktion. Als 2010 der israelische Präsident Schimon Peres im Bundestag sprach, blieb sie gemeinsam mit Sahra Wagenknecht beim Schlussapplaus demonstrativ sitzen.
Zu Dagdelens liebsten Feindbildern gehören die Vereinigten Staaten. Umso irritierter waren ihre Parteifreunde, als vor einigen Wochen in Linke-Kreisen ein Foto der Abgeordneten kursierte, dass sie strahlend und in herzlicher Umarmung mit US-Außenministerin Hillary Clinton zeigt. Was viele zunächst für eine Montage hielten, erwies sich als echtes Dokument – aufgenommen bei einem Staatsbankett im Weißen Haus anlässlich der Übergabe der Freiheitsmedaille an Bundeskanzlerin Angela Merkel.Dagdelen argumentierte, sie habe doch an der Reise des Bundestags teilgenommen, um die “Positionen der Friedensbewegung zu vermitteln”. Dies habe sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch getan – während des Defilees vor Präsident Barack Obama. In der Partei wird gelästert, beim Lächelauftritt mit Hillary Clinton sei die Abgeordnete wohl in “besonders heikler antiimperialistischer Mission” unterwegs gewesen.
Ernster wird es an diesem Wochenende zugehen, wenn sich die Linksfraktion hinter verschlossenen Türen zu ihrer Neujahrsklausur trifft. Dann soll auch der Syrien-Aufruf noch einmal thematisiert werden. http://www.welt.de/politik/deutschland/article13814329/Solidarisierung-mit-den-Schlaechtern-spaltet-Linke.html?config=print