MESOP NEWS WATCH:  ROT CHINA EXPANDIERT AUF ALLEN SEITEN – Wie China die Länder in Südostasien umgarnt

Die chinesische Regierung und der Staatenbund Asean haben eine umfassende Partnerschaft zur Zusammenarbeit bei Wirtschaft und Technologie vereinbart. Peking will ausserdem seine Hilfen für die Pandemiebekämpfung in der Region aufstocken. Matthias Kamp, Peking; Matthias Müller, Seoul 24.11.2021, FAZ  

Wenn es so etwas wie eine Schlüsselregion für Chinas neue Seidenstrasse, die Belt-and-Road-Initiative (BRI), gibt, dann ist es sicherlich die unmittelbare Nachbarschaft: die zehn Länder des südostasiatischen Staatenbunds Asean. In Malaysia baut China Hochgeschwindigkeits-Zugstrecken; Anfang Dezember soll ausserdem eine neue Trasse von der südchinesischen Provinz Yunnan in die laotische Hauptstadt Vientiane eröffnet werden, und bereits seit Ende August ist die Zugverbindung von Chengdu in Zentralchina bis an die Grenze Myanmars in Betrieb.

Auch Amerika und die EU machen Avancen

China baut in Südostasien konsequent seinen geostrategischen, wirtschaftlichen und politischen Einfluss aus. Und das in einer Zeit, in der auch die USA und die Europäische Union versuchen, in der Region Allianzen zu schmieden, um so ein Gegengewicht zum Reich der Mitte zu bilden. Doch Peking prescht voran.

 

Sowohl die USA als auch China buhlen um die Gunst der südostasiatischen Länder.

Anfang der Woche, das virtuelle Gipfeltreffen zwischen Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden lag gerade sechs Tage zurück, trafen sich die Staatschefs der Asean-Länder mit Chinas Staatsoberhaupt zum Gespräch. Einzig der myanmarische General Min Aung Hlaing fehlte, denn mehrere südostasiatische Regierungen hatten sich gegen eine Teilnahme des Juntachefs ausgesprochen. Per Videokonferenz beschlossen die Staats- und Regierungschefs, die Partnerschaft zwischen dem Asean-Bündnis und China auf eine neue Ebene zu heben, und vereinbarten eine umfassende strategische Partnerschaft. Von einem «neuen Meilenstein in der Geschichte der Beziehungen» sprach Xi in seiner Rede.

Nicht nur schöne Worte

Doch Xi beliess es nicht bei schönen Worten, sondern machte konkrete Zusagen, wohl wissend, wo die Staaten der Region der Schuh drückt und wie er die Integration der zum Teil rückständigen Länder mit der Wirtschaftsmacht China vorantreiben kann. Für insgesamt 150 Mrd. $ will China in den kommenden fünf Jahren Agrarprodukte in Südostasien einkaufen. Ausserdem versprach Xi, man werde zusätzliche 150 Mio. Impfdosen in die Region liefern, die Entwicklungshilfe um 1,5 Mrd. $ über einen Zeitraum von drei Jahren aufstocken und ein neues Programm zur Zusammenarbeit bei Wissenschaft und Technologie ins Leben rufen.

China will mehr Agrargüter aus Südostasien einkaufen.

Sicher, die Skepsis gegenüber dem übermächtigen, auf der politischen Bühne teilweise offensiv auftretenden China ist in Ländern wie Vietnam oder den Philippinen gross; die Positionierung gegenüber Peking wie Washington ist für viele der Länder eine Gratwanderung. Andererseits sind derlei Hilfen auch wegen der Folgen der Pandemie hochwillkommen, und man weiss in den Hauptstädten Südostasiens, wie sehr man vom wirtschaftlichen Aufstieg Chinas profitiert.

Im vergangenen Jahr löste Asean die EU als wichtigsten Handelspartner Chinas ab. Und auch wenn Firmen aus Japan und der EU noch mehr in Südostasien investieren, sind Chinas Direktinvestitionen in der Region in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Im vergangenen Jahr betrugen sie etwas mehr als 16 Mrd. $. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis China der grösste Investor in der Asean-Region ist.

Seltene Erden aus Myanmar

Natürlich hat China bei all seinem Engagement auch immer seine eigenen Interessen im Blick. So ist Myanmar etwa eines der wichtigsten Lieferländer für seltene Erden. Ausserdem will Peking das Land mit Infrastrukturvorhaben an sich binden, um sich einen Zugang zum Indischen Ozean zu sichern.

Im Vorfeld des Asean-China-Gipfels soll der Sondergesandte des chinesischen Aussenministeriums für asiatische Angelegenheiten, Sun Guoxiang, in Brunei und Singapur versucht haben, das Staatenbündnis dazu zu bewegen, den myanmarischen General Min Aung Hlaing einzuladen. Er biss jedoch auf Granit. Und so musste Sun der Militärjunta in Naypyidaw die Botschaft überbringen, nach dem Asean-Gipfel Ende Oktober abermals nicht mit dem nach ihrem Verständnis regierenden Staatschef Myanmars an der Runde teilnehmen zu dürfen.

Es hiess jedoch, dass man zumindest dem myanmarischen Botschafter in Peking gestattet hatte, dem Asean-China-Gipfel beizuwohnen. Sein Stuhl blieb jedoch leer und stand damit symbolisch für die neue Wendung: «Asean minus one.» Der malaysische Aussenminister Saifuddin Abdullah fand lobende Worte für das Verhalten Chinas. Der Vorgang zeige auf vielfältige Weise, dass der Staatenbund und China die gegenseitigen Positionen akzeptierten und zu «einer Art Verständigung» in der Lage seien.

Pekings Trauer hält sich in Grenzen

Westliche Medien wie die Nachrichtenagentur Reuters hatten zwar noch geunkt, Peking «lobbyiere» für die Teilnahme der myanmarischen Militärjunta. Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel daran, ob die Machthaber in Peking über den Entscheid von Asean, General Min Aung Hlaing nicht einzuladen, wirklich traurig waren. Vielmehr hatten sie so die gesichtswahrende Möglichkeit, in Naypyidaw zu sagen: «Wir haben alles für euch unternommen. Aber die anderen Asean-Länder wollten euch nicht dabeihaben.»

Peking dürfte die Ausladung gar entgegengekommen sein. Die Spitzen der Kommunistischen Partei Chinas sind sich bewusst, dass ihr Land in Südostasien nicht über die beste Reputation verfügt, wodurch diplomatische und wirtschaftliche Vorhaben erschwert werden. Wäre die myanmarische Militärjunta auf chinesischen Druck hin zum Asean-China-Gipfel eingeladen worden, hätte deren Teilnahme das Ansehen Pekings in der Region abermals beschädigt.

Es sollte den Putschisten zu denken geben, dass sich die chinesischen Machthaber nur noch begrenzt für sie engagieren: Ein weiterer vermeintlicher Bündnispartner rückt schrittweise von ihnen ab. Und das Entgegenkommen Pekings gegenüber dem südostasiatischen Staatenbündnis ist als Beleg dafür zu werten, welche Bedeutung Asean inzwischen in den strategischen Überlegungen Chinas hat.