MESOP NEWS : VOYEURISMUS & GESCHLECHTSKONTROLLE DER LBGTQ-KULTUR (BERLIN)

  • Bevorzugung gegen das Grundgesetz –

Kommentar : Privat war gestern –     Von Regina Mönch (FAZ)

20.09.2017-12:21 – Rechtschreibung erlernen: Noch lange nicht von gestern. Die Privatsphäre derer, die die Rechtschreibung lehren, scheinbar schon. –  Berlin will’s wissen: Lehrpersonen von sechzig Berliner Schulen sollten in einer Studie Informationen von sich preisgeben – auch über ihre sexuelle Orientierung.

Die Berliner Schulverwaltung hat bei der Humboldt-Universität und der privaten Sigmund-Freud-Universität eine Studie zur „sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt“ von Jugendlichen in Auftrag gegeben. Sechzig Berliner Schulen wurden für die Befragung ausgewählt; die Teilnahme der Lehrpersonen an der Umfrage, heißt es im Anschreiben, sei freiwillig, aber von der Behörde „ausdrücklich erwünscht“. An dieser Formulierung und einigen höchst privaten Fragen zur (Lehr-)Person wie nach Dienstjahren, Alter, Adresse der Schule und Ähnlichem, entzündete sich jetzt ein heftiger Streit. Vor allem an der Frage: „Was ist Ihre sexuelle Orientierung?“ Auch die Frage nach Kollegen, die offen lesbisch, schwul, also „queer“ seien, befremdet viele.

Die Schulbehörde distanziert sich inzwischen von der ausdrücklichen Erwünschtheit, die genauso wie die Fragen zur Person allein in der Verantwortung der Wissenschaftler liege. Die wiederum verteidigen das, „Fragen nach Einstellungen und Annahmen von Menschen sind in den Sozialwissenschaften und der Psychologie ein verbreitetes Vorgehen“. Auch seien alle Daten anonymisiert und geschützt. Nicht wenige vermuten trotzdem ein „hohes Missbrauchspotential“. CDU und FDP verlangen nun, die Befragung zu stoppen, sie kritisieren die Überbetonung der sexuellen Vielfalt durch Rot-Rot-Grün. Doch hat das Abgeordnetenhaus 2015 die Senatsstudie zur „Lebenssituation lesbischer, schwuler, bisexueller, trans- und intergeschlechtlicher Jugendlicher“ unter Berücksichtigung eventueller Mehrfachdiskriminierung selbst gebilligt, die CDU war damals Regierungsfraktion. Aber das sind Berliner Irritationen der alltäglichen Art.

Offenbarungszwang für Lehrer

Wesentlicher ist, dass auch hier, regierungsamtlich geschützt, das Private und das Öffentliche nicht mehr getrennt werden, Meinungen von Lehrern darauf untersucht werden sollen, wie sie den Unterricht beeinflussen oder das Schulklima, und das in der hochsensiblen Sphäre der Sexualität Jugendlicher. Es zeigt sich seit längerem ein regelrechter Offenbarungszwang, der in einigen Bundesländern schon zu sogenannten Handreichungen für Lehrer führte, die ihnen empfahlen, die jugendlichen Schüler zu ermutigen, ihre sexuelle Orientierung öffentlich zu bekennen – ohne einen Gedanken an deren, auch der Pubertät geschuldetes, Schamgefühl zu verschwenden.

Privatsphäre, Diskretion war gestern. Und es ist mehr als fraglich, ob damit Diskriminierung unterbunden werden kann. Dies zu tun, und möglichst professionell, ist ohnehin jedem Pädagogen aufgegeben. Er hat seine zwei Staatsexamen, die ihm die Lehrbefähigung attestieren, nicht wegen oder trotz seiner sexuelle Orientierung bekommen. Im Gegenteil, die auch nur zu erfragen ist jeder Behörde, jedem Arbeitgeber verboten. Vielleicht sollte mal wieder gefragt werden, was Lehrer, Eltern, Politiker und vor allem LSBTI*-Aktivisten von der Gleichheit vor dem Gesetz (Grundgesetz Artikel 3 Absatz 3) halten, wonach niemand wegen seiner Identität, seines Geschlechts, seiner politischen Anschauungen usw. benachteiligt, aber auch nicht bevorzugt werden darf. www.mesop.de