MESOP NEWS ROJAVA/SYRIA: Die Generalstabs-Chefs in Antalya – TRUMP KOOPERIERT MIT PUTIN & ASSAD GEGEN TÜRKEI / HEZBOLLAH & IRAN DER LACHENDE DRITTE

Kooperation mit Putin?Trump lässt US-Armee in
Nordsyrien auffahren

Trump lässt US-Armee in Nordsyrien auffahren
Gepanzerte Fahrzeuge der US-Armee im Norden Syriens

Amerikanische Radschützenpanzer rollen durch den Norden Syriens, klar gekennzeichnet mit US-Flaggen. Am Straßenrand stehen Frauen und Kinder – jubeln den US-Soldaten auf ihren Fahrzeugen zu.

Was auf den ersten Blick wie eine spontane, ausgelassene Szene aussieht, ist viel mehr: Eine Revolution im US-Syrien-Einsatz, Ausdruck einer Kehrtwende in der Strategie unter dem neuen Präsidenten Donald Trump (70). Und: eine Provokation für eine der mächtigsten Armeen der Region – die der Türkei.

Komplizierte Lage in Nord-Syrien

Im Norden Syriens unterstützen die USA seit mehreren Jahren zumeist kurdische Kämpfer der „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF). Diese sollen am Boden gegen ISIS vorrücken, während die USA Luftunterstützung leistete. Doch mit dem Rückzug von ISIS wird die Lage zunehmend komplizierter.

Die unterschiedlichsten Kräfte ringen darum, das Gebiet im Norden Syriens unter ihre Kontrolle bringen:

► die von den USA unterstützten SDF;

► die mittlerweile von der Türkei geleiteten und mit Truppen unterstützten syrischen Rebellen;

► und natürlich Assad mit seinen Schutzmächten Russland und Iran.

Sowohl die türkische Armee und ihre lokalen Verbündeten als auch Assads Armee und russische Truppen haben sich in der Provinz Aleppo nach Südosten gekämpft. Nun stoßen alle drei Mächte (USA, Russland und Türkei) mit ihren Verbündeten aufeinander.

Ein riesiges Konfliktpotenzial! Und ein Grund dafür, dass die US-Schützenpanzer so deutlich Flagge zeigen.

US-Flaggen sollen Türkei abschrecken

Terrorismus-Experte Davis Lewin zu BILD: „Panzer mit amerikanischen Fahnen sind ein Zeichen der US-Spezialeinheiten, dass sie und ihre kurdischen Verbündeten diese Bereiche kontrollieren. Sie ‚markieren’ praktisch das Revier – vor allem mit Blick in die Zukunft, wenn in der Nachkriegszeit ein Konflikt um die Gebietsverteilung mit der Türkei und ihren Verbündeten droht.“

Deutlich sichtbar zeigten die US-Fahrzeuge am 5. März ihre Flaggen
Deutlich sichtbar zeigten die US-Fahrzeuge am 5. März ihre FlaggenFoto: DELIL SOULEIMAN / AFP

Dies unterstreicht Syrien-Experte Ömer Özkizilcik, Redakteur bei der türkischen Nachrichtenplattform „Suriye Gündemi“ (z.dt. „Syrien Agenda“): „Die medienwirksame Verlegung der US-Schützenpanzer nach Manbij dient vor allem dem Zweck, die Türkei und die syrischen Rebellen von einem Angriff auf Manbidsch abzuschrecken“.

Die USA selber nannten den Schritt eine „geplante Aktion, um Koalitionsmitglieder und Partner-Kräfte rückzuversichern, Aggressionen abzuwenden und den Fokus auf die Besiegung von ISIS zu halten“.

Was bei vielen Beobachtern für Aufregung sorgte: Mit „Partner-Kräften“ schien US-Colonel  John L. Dorrian dabei sowohl die Schergen Assads als auch die russische Armee in der Region zu meinen.

Klartext: Erste Anzeichen einer militärischen Zusammenarbeit in der Konfliktregion!

Die „neue Rolle“ der USA in Syrien

Am Dienstag sprach das Pentagon, von einer „neuen Rolle in Syrien“. Westlich von Manbidsch wolle man „Gewalt zwischen türkischen, russischen und anderen Kräften abwenden“.

Eine Lesart, die angesichts der engen Koordination zwischen Ankara und Moskau keiner der von BILD angefragten Analysten nachvollziehen konnte.

Rami Zien, syrischer Journalist aus Aleppo, nannte gegenüber BILD einen weiteren möglichen Grund für den plötzlichen US-Aufmarsch: Erpressung durch die SDF-Kräfte. Diese hatten in den letzten Tagen angedeutet, auf einen von Russland vorgeschlagenen Deal einzugehen: Die Abgabe von Gebieten an Assad, um Angriffe der Türkei und ihrer Verbündeten auf die Region Manbidsch zu verhindern. Journalist Zien nannte das „Propaganda der SDF-Kommandeure“.

Mit dieser taktischen Finte würden „die USA zum Handeln gezwungen. Denn die SDF sind die einzige Hoffnung, ISIS unter einem US-Kommando zu bekämpfen“. Die SDF habe dieses Druckmittel, da die USA weiter keinen massiven Einsatz von eigenen Bodentruppen gegen ISIS in Erwägung zögen, so der Experte.

Tatsächlich deuteten Videos am Montag auf eine Kriegslist der SDF hin. In einem Video posierten mehrere „Mitglieder der syrischen Grenzpolizei“ Assads und gaben an, dass sie von den SDF gehaltenen Dörfern übernommen hätten. Doch syrische Aktivisten fanden heraus, dass mehrere Männer in dem Video eigentlich SDF-Kämpfer waren, die lediglich ihre Uniformen gewechselt hatten.

Neue Bündnisse zwischen Trump und Despoten?

Unter Präsident Trump scheinen die USA tiefer und tiefer in die regionalen Verwerfungen zwischen den lokalen Kriegsparteien zu geraten. Und da diese von Russland, der Türkei und dem Iran unterstützt werden, bahnen sich Bündnisse an, die unter Obama unmöglich gewesen wären.

So meint der syrische Journalist und ehemalige Reuters-Fotograf Zien, die mit den USA verbündete SDF würden „unter allen Umständen verhindern, dass sie Manbidsch verlassen müssen.“ Dafür sei ihnen auch eine Allianz mit Russland und Assad nicht zu schade. Präsident Erdogan hatte die Eroberung von Manbidsch „von den Terroristen“ Ende Februar als nächstes türkisches Ziel in Syrien ausgegeben. „Daher ist es nur logisch für Trump, seine Truppen nach Manbidsch zu verlegen, bevor die SDF es komplett an Russland übergeben.“ 

Andere Experten sehen die derzeitige Politik Trumps kritischer.

Syrien-Experte Michael Horowitz von der Nahost-Risikoberatungsfirma „Prime Source“ zu BILD: „Washington scheint dazu bereit, sich mit Assad und Russland zusammenzutun – dabei wird ignoriert, dass beide Parteien Hand in Hand mit dem Iran zusammenarbeiten. “

► Das sieht auch Syrien-Analyst Ömer Özkizilcik so: „Die internationale Koalition flog laut offiziellen Angaben mehrere Luftangriffe in Palmyra, um die mit dem Assad Regime verbündete Milizen gegen ISIS zu unterstützen.“ Gleichzeitig habe dieselbe US-dominierte Koalition der Türkei lange die Unterstützung mit Luftangriffen gegen ISIS in al-Bab verweigert.

► Michael Horowitz betont, dass die USA nicht nur den  kürzlich geschehenen Transfer von Dörfern von den SDF zu Assad „die Genehmigung aus Washington“ gegeben haben, sondern das Regime und seine iranisch-gesteuerten Milizen bei der Rückeroberung von Palmyra „klare Unterstützung von der US-geführten Anti-ISIS-Koalition erhalten haben“. 

Dies USA räumten die Luftangriffe für „Partner-Kräfte“ – also Assad und seine Verbündeten – zunächst bei Twitter selbst ein. Die Anti-ISIS-Koalition löschte den Tweet aber kurz danach wieder.

Am Mittwoch trafen sich die Chefs der Generalstäbe der Türkei, der USA und Russlands in Antalya, um „beruhigende Operationen in Syrien“ zu besprechen.

Für viele Beobachter ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass Trump pragmatischer und weniger Werte geleitet in den Konflikt geht bzw. die jahrelangen Kriegsverbrechen Assads und Putins nicht als Hindernis für eine Kooperation betrachtet – so wie es sich Russland seit Jahren wünscht.

Während des US-Wahlkampfs und auch nach seinem Wahlsieg hatte der US-Präsident immer wieder versprochen, den „Islamischen Staat“ innerhalb kürzester Zeit zu zerstören. Ob dieser „Masterplan“ auch eine Annäherung an Russland vorsieht, ist nicht bekannt, aber im Falle von Donald Trump, der in der Vergangenheit immer wieder betonte, ein gutes Verhältnis zu Kremlchef Wladimir Putin aufbauen zu wollen, nicht unwahrscheinlich.

„Die große, umfassende Strategie, die Trump versprochen hat, wurde bislang noch nicht präsentiert, aber es ist davon auszugehen, dass die USA in den kommenden Monaten eine immer aktivere Rolle in dem Konflikt einnehmen werden. Für Syrien kann das sehr gut eine stärkere Zusammenarbeit mit Russland im Kampf gegen ISIS bedeuten“, erklärte Matthew Henman gegenüber BILD.

Er ist Leiter des Jane’s Forschungszentrum für Terrorismus und Aufstände im Groß Britannien.

Henman: „Unklar ist im Augenblick noch, wie sich eine mögliche Kooperation mit Russland auf das Verhältnis der USA zur syrischen Regierung und den kurdischen Kämpfern auswirken wird – wobei es keine Überraschung wäre, wenn schnelle Erfolge gegen ISIS eine höhere Priorität hätten als politische Beziehungen.“

Die Generalstabs-Chefs der USA, der Türkei und Russlands am Dienstag in Antalya
Die Generalstabs-Chefs der USA, der Türkei und Russlands am Dienstag in AntalyaFoto: / AP Photo / dpa

Trotz des Bildes der Eintracht aus Antalya sieht Experte Özkizilcik weiter das Potenzial einer Eskalation, wenn Trump die von der Türkei als Terrororganisation gewerteten SDF unterstütze: „Mit dem Aufbau eines eigenständiges Proxies, der von der Türkei, der kurdischen Autonomieregierung im Irak und den syrischen Rebellen als eine Gefahr wahrgenommen wird, hat die USA den Grundstein für einen eventuell noch größeren Konflikt gelegt“, so Özkizilciks Warnung.

Trumps Strategie: Bald mehr US-Soldaten in Syrien?

Terrorismus-Experte Davis Lewin glaubt, dass die neue US-Regierung bald mit einer noch weitreichenderen Strategie für die Bekämpfung von ISIS daherkommt: „Bislang hält sich Donald Trump noch sehr bedeckt, wie seine neue Anti-ISIS-Strategie aussehen wird. Seine Berater arbeiten derzeit daran und ich denke, es ist eher eine Frage von Wochen statt Monaten, bis wir das Ergebnis sehen werden. Wie viele Details dann bekannt gegeben werden, bleibt abzuwarten.“

Lewin weiter: „Trotz des Personalmangels – wichtige Positionen im Außen- und Verteidigungsministerium sind noch unbesetzt – und dem generellen Regierungschaos in Washington gebe ich Trump in seiner Aussage vollkommen Recht, wenn er sagt, dass er über strategische Pläne lieber schweigt, als den Feinden ‚ein Telegramm zu schicken’. Je weniger ISIS gewarnt ist, desto größer der Erfolg, die Terroristen zu bekämpfen.“

Auch Syrien-Experte Michael Horowitz glaubt, dass Trump deutlich mehr in den Krieg in Syrien investieren wird als sein Vorgänger Barack Obama.

Horowitz: „Es scheint so, dass die USA nun mehr bereit sind, ihre Präsenz in Syrien zu erhöhen.“ Dazu zähle sowohl die Unterstützung von lokalen Verbündeten „als auch direkt an den Kampfhandlungen teilzunehmen.“

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