MESOP NEWS INTEL : HAKAN FIDAN – DER “MIT” & PUTIN / SCHMIDT-EENBOHM

Geheimdienstexperte MIT hat Spione in deutschen Banken, Reisebüros und Schulen

Von Andreas Förster –  Laut dem Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom stecken die Beziehungen zwischen deutschen und türkischen Geheimdiensten schon seit Längerem in einer Krise. Daher hat der Bundesnachrichtendienst (BND) schon vor Jahren die bis dahin übliche Praxis, Ankara und den türkischen Geheimdienst MIT bei der Verfolgung politischer Gegner in Deutschland zu unterstützen, stark eingeschränkt.

Herr Schmidt-Eenboom, dass der türkische Geheimdienstchef seinem deutschen Pendant am Rande der Sicherheitskonferenz mal eben eine Liste mit Namen von Zielpersonen in Deutschland übergibt, ist doch kein Zufall. Ist so etwas schon früher passiert?

Allerdings. Denn es gibt eine lange Tradition der Zusammenarbeit und des engen Informationsaustausches zwischen MIT und BND. So gab es während des Kalten Krieges eine gemeinsam betriebene Station am Schwarzen Meer zur funkelektronischen Aufklärung Richtung Sowjetunion. Die Beziehungen waren so eng, dass Pullach – anders als die CIA – selbst daran festhielt, als die Türkei einen Teil Zyperns besetzte. Der BND lieferte noch 1981 den türkischen Diensten Überwachungstechnik, die gegen die Opposition eingesetzt wurde.

Aber wurden auch in der Vergangenheit Namenslisten ausgetauscht?

Vom BfV in begrenztem Umfang, vom BND systematisch. Das Verwaltungsgericht Berlin stellte dazu im Februar 1983 fest: „Eine weitere Informationsquelle der türkischen Behörden stellen die beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischen Flüchtlinge geführten Asylakten dar. Denn der routinemäßig an den Asylverfahren türkischer Staatsangehöriger beteiligte Bundesnachrichtendienst gewinnt aus den Akten Informationen und stellt diese dem türkischen Geheimdienst als einem im Rahmen der Nato-Zusammenarbeit ‚befreundeten Dienst‘ zur Verfügung.“

Dem BND dürfte doch das Agieren und Spionieren des MIT in Deutschland gegen türkische Mitbürger nicht verborgen geblieben sein.

Natürlich nicht. Bis vor ein paar Jahren war das auch kein Problem in den deutsch-türkischen Nachrichtendienstbeziehungen. Tatsächlich hat es eine lange Tradition, dass oppositionelle Auslandstürken– zuerst PKK-Aktivisten, später auch Anhänger der Protestbewegung vom Istanbuler Gezi-Park 2013 – in Deutschland vom MIT überwacht werden.

Wie viele MIT-Mitarbeiter sind da unterwegs?

Deutsche Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass rund 400 hauptamtliche MIT-Mitarbeiter in der Bundesrepublik stationiert sind und intensiv die Opposition gegen Erdogan ausspionieren. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl von Informanten, die überall in der türkischen Community rekrutiert werden. Tatsächlich hat der MIT in den letzten Jahren ein Spitzelsystem in Deutschland aufgebaut, wie man es sonst nur von Nachrichtendiensten autokratischer Regimes kennt. Da sind die Agenten, die etwa in türkischen Reisebüros, in Banken oder Moschee-Vereinen sitzen. Und da sind Lehrer, Eltern und Gewerbetreibende, also ganz normale Leute, die von MIT-Leuten gedrängt werden, Bekannte zu denunzieren.

Dass Deutschland jetzt, statt die Liste des MIT abzuarbeiten, sie öffentlich macht und dazu übergeht, die Bürger, deren Namen darauf stehen, zu warnen, ist doch aber ein Rückschlag für den türkischen Nachrichtendienst.

Nur auf den ersten Blick. Erdogan und der MIT haben doch erreicht, was sie wollen: Diejenigen, die dort auf der Liste stehen, aber auch alle anderen, die in Opposition zu Erdogan sind, werden sich jetzt davor hüten, in ihr Heimatland zu reisen, Kontakt mit Freunden in der Türkei aufzunehmen und auch hierzulande politische Zirkel zu besuchen, die sich für eine Demokratisierung der Türkei einsetzen. So arbeiten politische Polizeien und Nachrichtendienste in Diktaturen: Es wird ein Klima der Angst, des Misstrauens geschürt, um so die Opposition einzuschüchtern und zu entzweien.

Dennoch ist das – von der Bundesregierung sanktionierte und geförderte – Vorgehen des BND ein Affront, mit dem das Band zum MIT durchschnitten wird.

So ist es, aber so fest war das Band ohnehin schon lange nicht mehr. Spätestens seit sich die Hinweise darauf verdichteten, dass der sogenannte Islamische Staat von den türkischen Nachrichtendiensten massiv unterstützt wird. Erst weil der Westen massiv auf Ankara eingewirkt hat, wurde diese IS-Unterstützung eingestellt – mit der Folge, dass es nun auch in der Türkei IS-Anschläge gibt. Aber zur Abkühlung des Verhältnisses zum MIT führte auch das Attentat von Paris…

…bei dem im Januar 2013 drei kurdische PKK-Aktivistinnen mit Kopfschüssen regelrecht hingerichtet wurden.

Der Attentäter wurde zwar gefasst, aber er starb in der Haft, so dass es nie zu einem Prozess kam. Deutsche Behörden hatten damals schon nach der Auswertung von Dokumenten und Tonaufzeichnungen geschlussfolgert, dass der MIT hinter dem Auftragsmord stecken könnte. Ein Freund von mir, der die Anklageschrift der französischen Staatsanwaltschaft lesen konnte, sagt, daraus gehe eindeutig die Täterschaft des MIT hervor. Das war zu viel: Auftragsmorde des türkischen Geheimdienstes auf europäischem Boden wollten die westlichen Nachrichtendienste nicht hinnehmen.

Trug auch Erdogans Annäherung an Moskau dazu bei?

Es ist den westlichen Diensten nicht verborgen geblieben, dass der MIT-Chef Hakan Fidan enge Beziehungen zum russischen Nachrichtendienst und zu Putin selbst pflegt. Die Türkei betreibt inzwischen eine nachrichtendienstliche Schaukelpolitik zwischen der Nato und Moskau. Auch das steht einer Kooperation im Wege.

Das Interview führte Andreas Förster.

– Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/26285126 ©2017