MESOP MIDEAST WATCH : Scharfe Kritik der Opposition – Leitet Ankara Wende in Syrien-Politik mit Assad ein?

– 12.08.2022, ntv.de Nach dem Aufruf aus Ankara kommt es in Teilen Syriens zu Protesten.

Die Türkei nimmt für sich eine führende Rolle auf dem Weg zu einem Frieden in Syrien in Anspruch. Doch der Prozess stockt. Mit seinem Aufruf zu einer Aussöhnung beider Seiten sorgt Ankara nun für Proteste bei der Opposition im Nachbarland.

Syrische Regierungsgegner haben wütend auf einen Aufruf des türkischen Außenministers zur Versöhnung mit der Regierung in Damaskus reagiert. In zahlreichen Städten im Norden und Nordwesten Syriens, darunter auch von türkischen Soldaten und ihren Verbündeten kontrollierte Städte wie Afrin, Dscharablus oder Al-Bab, gab es Aufrufe zu Protesten nach dem Freitagsgebet. In der Region Idlib im Nordwesten, die überwiegend von islamistischen und dschihadistischen Milizen kontrolliert wird, wurde zu Protesten an der Grenze zur Türkei aufgerufen. Bereits in der Nacht hatte es erste Proteste gegeben.

“Wir müssen die Opposition und das Regime in Syrien irgendwie versöhnen”, hatte Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Vortag in Ankara gesagt. Andernfalls werde es “keinen dauerhaften Frieden” geben.

Die Äußerung scheint auf einen Wandel in der türkischen Position hinzudeuten. Seit Ausbruch des Bürgerkrieges im benachbarten Syrien 2011 hat die Türkei ihre erbitterte Ablehnung der Regierung von Machthaber Baschar al-Assad zum Ausdruck gebracht und syrische Regierungsgegner auch militärisch unterstützt, darunter viele islamistische Milizen. Noch im Mai hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan das Assad-Regime als “mörderisch” bezeichnet.

Rund eine halbe Million Tote

Wenn es Cavusoglu um die Versöhnung mit der syrischen Regierung gehe, sei das seine Sache, schrieb der syrische Oppositionspolitiker George Sabra als Reaktion auf Cavusoglus Äußerung auf Facebook. Die Syrer kämpften für eine andere Sache, “für die sie den höchsten Preis gezahlt haben und weiterhin zahlen werden”, schrieb Sabra weiter. Im syrischen Bürgerkrieg wurden seit 2011 rund 500.000 Menschen getötet, große Teile der Infrastruktur des Landes zerstört und Millionen Menschen vertrieben.

Die Türkei habe “eine führende Rolle bei der Aufrechterhaltung des Waffenstillstands vor Ort” und bei den Gesprächen über die Ausarbeitung einer neuen Verfassung gespielt, auch wenn es bei letzterem keine Fortschritte gegeben habe, erklärte ein Sprecher des türkischen Außenministeriums. Gegenwärtig komme dies nicht voran, weil Damaskus den Prozess schleifen lasse.

Geheimdienste kooperieren wieder

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Cavusoglu hatte ebenfalls mitgeteilt, dass er im Oktober in Belgrad ein kurzes Treffen mit seinem syrischen Kollegen Faisal al-Meqdad hatte und dass die Kommunikation zwischen den Geheimdiensten beider Länder wieder aufgenommen worden sei. Direkte Gespräche zwischen Erdogan und Assad lehnte der Minister jedoch ab, obwohl Russland seit Langem einen solchen Dialog fordert. Damaskus wird im Syrien-Konflikt militärisch von Moskau unterstützt.

Cavusoglu fügte außerdem hinzu, dass die Türkei ihren Kampf gegen den “Terrorismus” in Syrien fortsetzen werde. Bereits seit Mai droht Ankara damit, dass es von Kurden gehaltene Gebiete im Norden und Nordosten Syriens angreifen könnte. Die Türkei hatte in den vergangenen Jahren mehrere Militäroffensiven in Nordsyrien gestartet.

Quelle: ntv.de, jwu/AFP