MESOP MIDEAST WATCH:  ASSADS Captagon-Pillen in Orangenkisten

RONYA OTHMANN FAZ – 01.2022-Allein 2020 wurden Captagon-Pillen aus Syrien im Wert von knapp drei Milliarden Dollar beschlagnahmt. Die Assads sollen an dem Drogengeschäft beteiligt sein.

In 50 Jahren Syrien sind die Protagonisten dieselben geblieben wie in einer endlosen, trashigen Netflix-Serie: die Assads und die Makhloufs. Baschar al-Assads Mutter war eine geborene Makhlouf. Sie haben das Land unter sich aufgeteilt: Wirtschaft, Politik, Militär. Viel ist passiert: Der älteste Sohn Basil, der eigentlich Präsident werden sollte, starb bei einem Autounfall, so trat der Augenarzt Baschar die Nachfolge seines Vaters an. Extra für ihn wurde das Mindestalter für Präsidenten auf 34 herabgesetzt.

Baschar hat geheiratet, die hübsche Asma, die in der „Vogue“ auch schon mal als Wüstenrose porträtiert wurde, die es dann aber, als ihr Mann 2011 foltern und morden ließ, mit dem Onlineshopping etwas übertrieb. Dann ist da noch der seit 2011 andauernde Krieg. Asma hat währenddessen Brustkrebs überstanden und ihr Sohn Hafez an einer Mathe-Olympiade in Rio teilgenommen. Um ein Haar hätten die Assads die Macht verloren, obwohl sie nichts unversucht gelassen haben: Sie haben Paraden veranstaltet, auf denen „Gott, Syrien, Baschar“ gerufen wurde, sie haben gefoltert, gemordet, Fassbomben abgeworfen, sogar das Nervengas Sarin eingesetzt. Sie haben 2012 Islamisten aus den Gefängnissen freigelassen, die erst mal die säkulare Opposition ins Visier nahmen. Das Assad-Regime, das sich gern als Schutzpatron der Minderheiten und Bollwerk gegen den Islamismus inszeniert, hat übrigens auch schon 2007 die Al-Qaida im Irak unterstützt, die schon damals im Sindschar Anschläge auf Ezîden verübte. 2015 wurde bekannt, dass das Regime im großen Stil Öl beim IS shoppte. Obwohl das Regime später gegen Islamisten kämpfte, hat es mit dafür gesorgt, ihnen einen Nährboden zu bereiten.

Der neue Businessplan: Drogen

Wie gesagt, fast hätte Assad den Krieg verloren, doch dann kamen ihm Hizbullah, Iran und Russland zu Hilfe. Trotzdem sind die Kassen nach 11 Jahren Krieg leer. Da wird schon mal der eigene Cousin Rami Makhlouf wegen Steuerhinterziehung angeklagt, der Boss des Mobilfunkanbieters Syriatel, dessen Gewinner er als sein Privatvermögen betrachtet, während Assad die Kohle als Staatsvermögen für den eigenen Machterhalt vorsieht. Weil aber das nicht reicht, muss ein neuer Businessplan her: Drogen. Und zwar Captagon, ein in Deutschland erfundenes, mittlerweile verbotenes Amphetamin-Derivat, das Müdigkeit und Schmerz unterdrückt und die Leistungsfähigkeit steigert. Im Dezember beschlagnahmte der libanesische Zoll neun Millionen Captagon-Pillen in Orangenkisten aus Syrien. In Saudi-Arabien sind fünf Millionen Pillen in Granatäpfeln aufgetaucht. 2020 war man in Italien auf 85 Millionen Pillen gestoßen – ein Container aus Syrien. Man hatte Telefongespräche der Camorra abgehört. Auch in Bayern wurde schon Captagon sichergestellt.

Saudi-Arabien ist Captagon-Weltmeister. Abu Hilalain wird die Droge dort genannt, wegen der zwei Halbmonde auf der Pille. Es gibt sogar Luxusentzugskliniken in Thailand mit Pool und Spa, die sich auf Captagon-abhängige Saudis spezialisiert haben. Auch der IS fütterte seine Kämpfer mit Captagon, um sie leistungsfähiger zu machen, ebenso die Freie Syrische Armee, diverse Milizen und das Regime. Sogar die kriegstraumatisierte Zivilbevölkerung in Syrien greift zu Captagon, jedoch zur Billigversion.

Auch Haschisch und Crystal Meth

Die „New York Times“ hat kürzlich aufgedeckt, dass allein die weltweit 2020 beschlagnahmten Captagon-Pillen aus Syrien einen Verkaufswert von knapp drei Milliarden Dollar haben. Produktion und Vertrieb würden von der 4. Armeedivision überwacht, die dem jüngsten Bruder von Baschar untersteht. Ebenso involviert seien Geschäftsleute mit Verbindungen zum Regime, die Hizbullah sowie weitere Mitglieder der Präsidentenfamilie. Die Drogen werden über den Hafen von Latakia verschifft, über die türkische und jordanische Grenze geschmuggelt. Nicht nur Captagon, sondern auch Haschisch und Crystal Meth.

Die Hizbullah – im Grunde nichts anderes als eine Islamisten-Mafia – finanziert ihren Terror schon seit 2006 mit Captagon. Sie ist quasi ein Staat im Staat, mit eigenem Fernsehsender, Territorium und Sozialsystem. Bestenfalls bekämpft ein Staat die Mafia, schlimmstenfalls ist er mit ihr verbandelt – im Fall von Syrien ist der Staat die Mafia.An diesen Zuständen ist nicht nur der Krieg schuld, der, wie das Regime es gerne darstellt, wie ein böses Gewitter übers Land gekommen ist, ausgelöst durch die Verschwörung westlicher Mächte. Der Grundstein dafür wurde schon vor 50 Jahren gelegt, mit der Errichtung der Assad-Diktatur. Das Regime hat seither Minderheiten gegeneinander ausgespielt, kulturelles, soziales und politisches Leben zerstört und das Land in ein Gefängnis verwandelt. Wer mehr über Syrien vor 2011 erfahren will, dem sei Mustafa Khalifas grandioser Roman „Das Schneckenhaus“ empfohlen. Das Assad-Regime hat nicht nur für Syrien eine Reihe von Problemen produziert: Flucht, Terror und jetzt auch noch die Drogen. Man sollte mit Assad umgehen wie mit einem Mafiaboss: international gegen ihn vorgehen, seinem Business das Wasser abgraben und dann ab vors Gericht. Denn Assad ist eben keine kultige Serienfigur, sondern ein Verbrecher.