MESOP KOMMENTAR DER WOCHE : Kurdistan muss ein Staat werden / JAN ILHAN KIZILHAN

DIE ZEIT 25-8-2014 – Ein unabhängiges Kurdistan im Irak ist nur eine Frage der Zeit. Gegen den Terror des Islamischen Staats und einen drohenden Bürgerkrieg wäre das eine gute Nachricht.(…)

Das Vertrauen der Kurden, Sunniten und Schiiten ist schon lange passé. Ein neuer Versuch, eine “nationale Einheit” zu beschwören, wird keinen Erfolg haben, weil es keine irakische Nation gibt, mit der sich die Ethnien identifizieren würden. Ein einst künstlicher Staat wurde von den Alliierten des Ersten Weltkriegs verfestigt. Seine zahlreichen Ethnien und Religionen haben jedoch nie eine nationale Identität entwickelt. Eine sunnitische Minderheit unter der Führung der Baathisten unterdrückte mit ihrer Vision eines arabischen Nationalismus Kurden, Schiiten und andere Gruppen. Eine tiefe Zerrissenheit und Misstrauen, eine noch nicht verarbeitete transgenerationale Traumatisierung der Völker beherrscht weiterhin den Irak.

ist promovierter Psychologe und Orientalist, Professor und Leiter des Studiengangs für Soziale Arbeit mit psychisch Kranken und Suchtkranken in Villingen-Schwenningen. Zudem berät er verschiedene Institutionen zum Nordirak. Die von der Terrorgruppe Islamischer Staat terrorisierten Gebiete kennt er gut durch Forschungsreisen.

Aus der Sicht des Westens war der Irak als Staat sicherlich bis 2003 noch stabil, wie eben Libyen oder Ägypten. Unter der Diktatur des Saddam-Regimes hat es aber in dieser Zeit alle Formen von Menschenrechtsverletzungen gegeben, von Haft, Folter, Vergewaltigung, Massaker und Vertreibung bis zum Genozid, man denke an die Giftgasangriffe gegen die Kurden 1988 in Halabja.

HERKUNFT, SPRACHE UND RELIGIONSYRIENIRANIRAK

Weltweit gibt es etwa 30 bis 40 Millionen Kurden, die Hälfte davon lebt in der Türkei. Die übrigen verteilen sich auf den Irak, den Iran und Syrien. In Deutschland lebt etwa eine Million Kurden. Die meisten sprechen Kurdisch, wobei es vier Hauptdialekte gibt: Kurmandschi, Sorani, Sasaki und Gorani. Allerdings können viele Kurden kein Kurdisch, weil ihre Sprache lange verboten war. Deshalb sprechen sie als Erst- oder Zweitsprache Türkisch, Persisch oder Arabisch.  Die meisten Kurden sind sunnitische Muslime, es gibt aber auch Schiiten, Aleviten, Jesiden, Christen und Juden.

Ich gehe so weit und behaupte, dass durch die Aufrechterhaltung dieses eigentlich nicht mehr existierenden Staates Irak die Region destabilisiert würde. Dieses Vakuum der Paralysierung im Irak ermöglicht es den Terrorgruppen, in das Land einzudringen und Angst und Schrecken im ganzen Mittleren Osten zu verbreiten. Von welcher Stabilität ist hier also die Rede?

Ich frage mich, woher der Gedanke kommt, ein unabhängiges Kurdistan destabilisiere die Region. Der Krieg in Syrien und das Festhalten am Assad-Regime mit der Intention, Syrien stabil zu halten, haben Tausende Menschen das Leben gekostet. Ist das Stabilität? http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-08/kurdischer-staat-stabilisierung-mittlerer-osten