MESOP KOMMENTAR : Blutiger Wahnsinn – von THOMAS VON DER OSTEN-SACKEN
Heute treffen sich unter Ägide des deutsche Außenministers hochrangige Vertreter der deutschen Sicherheitskonferenz in Teheran mit ihren iranischen Amtskollegen, um über Frieden, Stabilität und Partnerschaft im Nahen Osten zu sprechen, die iranischen Amtskollegen wiederum haben gerade einmal weder zur Vernichtung Israels aufgerufen, stolz einen Raketentest absolviert und neuste Waffentechnologie präsentiert.
Und ihren obersten General ins syrische Aleppo entsendet, um dort eine Offensive, die in Kooperation mit Russland gegen Einheiten der Rebellen stattfindet, zu koordinieren, an der tausende iranischer Elitesoldaten teilnehmen. Eine Offensive, von der auch ISIS profitieren wird und über die es bisher heißt:
“The regime advanced six kilometres [on Friday] and they took three villages,” said Zakaria Malafji, a member of the Free Syrian Army inside Aleppo. “The Russians showered us with bombs even in the civilian areas. They want to clear everything so the regime tanks and even the soldiers on foot can advance.” (…)
“The regime and Isis tried to take Aleppo last year and they couldn’t, and now they are trying again with the Russians. The Russians are doing Isis a huge favour. They are giving them air cover while they are attacking us from the ground.”
Die Folgen dieser Offensive, wie immer die Kämpfe auch ausgehen mögen, fasst der Guardian in einem Satz zusammen: Survivors of the regime’s barrel bombs are fleeing Syria’s second city in showdown between east and west.
Wer bislang, trotz barrel bombs und zerstörter Infrastruktur, in Aleppo oder Idblib ausharrte, flieht nun vor denen, mit denen die Deutschen so manierlich über Frieden sprechen. Flieht in die Türkei, deren Präsident deshalb von der EU und vor allem von Deutschland umworben wird und Milliarden in Aussicht gestellt bekommt, lässt er sie ja nur nicht nach Europa weiter reisen. Dazu schreibt treffend ein drittklassiges Börsenportal, dessen Redakteure über den Wahnsinn nur noch den Kopf schütteln:
Die türkische Demokratie – sofern es sie je ernsthaft gegeben hat – ist längst nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die Politik von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wird von Tag zu Tag repressiver. Kritische Journalisten werden mundtot gemacht oder auf Jahre weggesperrt, der Waffenstillstand mit der PKK ist außer Kraft gesetzt. Die Tage des Friedensprozesses sind gezählt, stattdessen herrschen wieder Terror und Gewalt. Mit Pressefreiheit, Religionsfreiheit und all den anderen Werten, die sich die EU so gerne auf die Fahnen schreibt, hat das längst nichts mehr zu tun. Die türkische Gesellschaft ist tief gespalten. So tief, dass selbst monströse Anschuldigungen wie die, wonach die Regierung bei dem jüngsten Terroranschlag in Ankara irgendwie ihre Finger mit im Spiel gehabt haben soll, nicht mehr so absurd klingen, wie sie es eigentlich sollten.
Und doch ist das alles plötzlich zweitrangig, wenn es darum geht, den Zustrom der Flüchtlinge zu unterbinden. Plötzlich wird die AKP-Regierung mit offenen Armen empfangen und ein so gewiefter Staatsmann wie Erdogan weiß das natürlich für sich zu nutzen.
Natürlich wird Erdogan den Job so wenig machen, wie der Iran und Russland für Frieden sorgen werden. Aber sie nennen es Realpolitik, verraten alle und jeden und werden am Ende mit leeren Händen, bzw. ein paar hunderttausend Flüchtlingen mehr da stehen. Wenn das der Imperialismus des 21. Jahrhunderts ist, so wäre er wenigstens das würdige Pendant des Sozialismus des 21. Jahrhunderts, dessen Protagonisten gerade den Sturm auf Aleppo vorbereiten. Heute demonstrierten in Berlin einige hundert Syrer und ein paar nichtsyrische Unterstützer gegen diesen Wahnsinn. Sie standen vor der russischen Botschaft und es war wohl die erste Antikriegsdemonstration in Berlin seit Jahrzehnten, auf der kein einziges Mitglied der Friedensbwegung oder irgend einer linken Partei oder Gruppierung sich zeigte.