MESOP : Israel & Hamas : Die Zwei-Staaten-Lösung ist tot

Henryk M. Broder – DIE WELT  – 24-7-2014 – Nachdem alle Airlines bis auf EL AL ihre Flüge nach Tel Aviv eingestellt haben, muss die Frage, wie gefährlich die Raketen der Hamas sind, neu evaluiert werden. Man hat sie lange als “Marke Eigenbau” beschrieben, “selbst gebastelte” Projektile, wie sie auch an Silvester abgefeuert werden, kaum geeignet, wirklichen Schaden anzurichten.

Noch Ende Juni hieß es verharmlosend auf Spiegel Online: “Militante Palästinensern feuern Kleinraketen auf Israel”. In einer Follow-up-Analyse konnte man dann lesen, zwischen Israel und den Palästinensern finde ein “Rüstungswettlauf” statt, wobei die von den Israelis konstruierte “Eiserne Kuppel”, die die Raketen abfangen soll, dazu beitrage, “dass der Weg zu einer Lösung des Problems versperrt bleibt”.

Denn: “Die kann nur eine politische, niemals aber eine technisch-militärische sein.” So lange sich “manche Bürger unter dem Schutzschirm anscheinend unverwundbar” fühlen, kämen “Friedensverhandlungen” nicht in Gang. Die unausgesprochene aber unüberhörbare Folgerung: Man müsse die Verwundbarkeit der Israelis erhöhen, um deren Bereitschaft zu befördern, Friedensverhandlungen zu führen.

Erst am Montag dieser Woche nannte der Londoner “Guardian” in einem Leitartikel die aus Gaza abgefeuerten Raketen “useless fireworks”, nutzlose Feuerwerkskörper, die “kaum jemand getötet” haben. “Sie verbreiten Schrecken, schließen Supermärkte, unterbrechen Geschäfte und erhöhen die Versicherungsraten.” Aber auch nicht mehr.

Wie gefährlich sind die “selbst gebastelten Kleinraketen”?

Nun sind zwei Hamas-Raketen in der Nähe des Tel Aviver Flughafens in einem Acker eingeschlagen. Sie haben keinen Schaden angerichtet. Und plötzlich ist die Situation eine ganz andere. Wegen der Gefahrenlage stellen die internationalen Gesellschaften den Flugbetrieb von und nach Israel ein. Sollten die “selbst gebastelten Kleinraketen” also doch gefährlicher sein, als bisher angenommen wurde? Oder hängt deren Gefährlichkeit davon ab, wen sie erwischen könnten?

Für die Israelis ist die Entscheidung der Airlines nur eine Bestätigung für das, was sie schon immer wussten: Wenn es darauf ankommt, stehen wir allein da. Deswegen ignorieren sie die gut gemeinten Ratschläge auswärtiger Politiker und Kolumnisten zur Lösung der Nahostfrage und machen das, was sie für nötig halten. Mal das Richtige, mal das Falsche.

Doch besser Vorsicht besser als Heldentum

Man kann den Fluggesellschaften aus ihrer Entscheidung, Tel Aviv erst einmal, nicht anzufliegen, keinen Vorwurf machen. Nach dem Abschuss einer Maschine über der Ukraine mit 300 Toten ist Vorsicht besser als Heldentum auf Kosten der Passagiere. Das weiß auch die EL AL und hat ihre Maschinen mit Raketenabwehrsystemen ausgerüstet.

Die zwei Raketen freilich, die möglicherweise eine anfliegende oder startende Maschine verpassten, werden Geschichte schreiben. Sie haben keinen Schaden angerichtet, aber die Idee einer Zwei-Staaten-Lösung unter sich begraben.

Nordwestlich von Ramallah liegt das palästinensische Flüchtlingslager Deir Ammar. Es wurde 1949 von der UNRWA für die aus Israel geflohenen Palästinenser eingerichtet. Heute leben hier etwa 2.500 Menschen. Das Camp liegt ebenso wie das gleichnamige Dorf in der “Area B”, die von den Israelis und der Palästinensischen Autonomiebehörde gemeinsam verwaltet wird.

Absurde internationale Forderungen

Nachts und bei klarem Wetter kann man von Deir Ammar aus den Flughafen von Tel Aviv mit bloßem Auge sehen. Die Gebäude und die Landebahnen laden förmlich zu einem Überraschungsbesuch ein. Wenn eine Boden-Luft-Rakete ein Flugzeug in 10 Kilometer Höhe treffen kann, dann kann sie auch ein unbewegliches Objekt in 12 Kilometer Entfernung treffen. Das ist die Luftlinie zwischen Deir Ammar und dem Ben-Gurion- Flughafen bei Tel Aviv. Und Deir Ammar ist nicht der einzige Punkt in der Westbank, von dem die Küstenebene übersehen werden kann.

Wer unter diesen Umständen glaubt, Israel werde die Westbank komplett räumen – so wie es im Jahre 2005 Gaza geräumt hat – und das Gebiet irgendeiner palästinensischen Behörde überlassen, der macht sich entweder etwas vor oder er hat noch nie einen Blick auf die Landkarte geworfen. Wie zum Beispiel Ban Ki Moon, der Generalsekretär der UN, der erst vor zwei Tagen die Israelis ermahnt hat, sich der “Zwei-Staaten-Lösung” mit “offenen Grenzen” nicht zu verweigern.

Er hätte genauso gut die Israelis auffordern können, aus Angst vor dem Tode Selbstmord zu begehen oder Israel auf den Mond zu verlegen. In solchen Fällen wäre es von Nutzen, dem Ratgeber einen mehrtätigen Aufenthalt im Kibbutz Nirim, direkt an der Grenze zu Gaza, oder in der Kleinstadt Sderot anzubieten, die beide seit 13 Jahren beinah täglich von Gaza aus mit “selbst gebastelten Kleinraketen”, die angeblich keinen Schaden anrichten, beschossen werden.

Palästinenser lieben und preisen ihre Märtyrer

Es wird eine Lösung der Nahostkonflikts geben. Allein deswegen, weil die meisten Israelis und die meisten Palästinenser den Konflikt leid sind und normal leben wollen. Vorher aber müssen Gruppen wie die Hamas entmachtet und entwaffnet werden. Nicht vorübergehend, sondern nachhaltig.

So sehr die Palästinenser auch leiden, sie können sich eine Niederlage nach der anderen leisten. Sie lieben und preisen ihre Märtyrer. Bald werden sie durch die Trümmer von Gaza paradieren und wieder einmal das V-Zeichen machen.

Für Israel aber wäre die erste Niederlage auch die letzte. http://hd.welt.de/ausgabe-b/forum-b/article130492987/Die-Zwei-Staaten-Loesung-ist-tot.html