MESOP FACEBOOK-FRIEND : Der Bundeswehrsprecher für Beobachter-, Berater- & Unterstützungsmissionen, Major Florian R.
“Direkt an die Peschmerga übergeben” / Was geht wie aus Deutschland nach Erbil
3-9-2014 – Heute beginnt der Transport von militärischen Ausrüstungsgütern aus Deutschland in den Nordirak. Aus der Kurdenstadt Erbil erklärt ein Verbindungsoffizier der Bundeswehr im DW-Interview, wie der Prozess vor Ort abläuft. Im Bundeswehr-Materiallager Waren (Mecklenburg-Vorpommern) liegt am 27.08.2014 militärische Ausrüstung für den Kampf gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak. – DW: Am Donnerstagabend sollen die ersten Maschinen mit militärischer Ausrüstung aus Deutschland in Richtung Nordirak starten. Was befindet sich an Bord?
Florian R.: Der erste Transport von militärischen Ausrüstungsgütern in den Nordirak besteht aus knapp 9.500 Einzelteilen. Dabei handelt es sich um Ausrüstung wie Gefechtshelme, Kleinfunkgeräte, Fernrohre und Schutzwesten. Waffen sind bei dieser Lieferung noch nicht dabei.
Bevor die Lieferung in Erbil ankommt, muss die Maschine einen Zwischenstopp in der irakischen Hauptstadt Bagdad einlegen. Es gibt Befürchtungen, dass die Zentralregierung dort die Lieferung verzögert oder sogar Teile davon an sich nimmt. Teilen Sie diese Sorge?
Das Material wird in Deutschland verladen und in sogenannten Ladelisten festgehalten. Wir werden unterwegs nichts ausladen, auch nicht in Bagdad. Der Flug wird durch einen Soldaten begleitet, der die ganze Zeit an Bord ist. Die Erfahrung unserer Verbündeten zeigt, dass die Kontrolle der Ladungen in Bagdad bisher völlig reibungslos vonstatten gegangen ist.
Was passiert, wenn die Maschine in Erbil eingetroffen ist?
Wenn die Maschine in Erbil gelandet ist, können sowohl wir vonseiten der Bundeswehr als auch die kurdischen Peschmerga lückenlos nachvollziehen, ob die Ladung aus Deutschland auch vollzählig ist. Dann können wir sicherstellen, dass die Lieferung ordnungsgemäß übergeben wird. Der gesamte Ablauf ist mit den Peschmerga abgesprochen.
Major Florian R. ist derzeit im nordirakischen Erbil
Wem werden die Waffen übergeben?
Bei späteren Lieferungen von Waffen, wie auch jetzt bei den Geräten, werden diese direkt an die Peschmerga übergeben. Wir haben hier sehr gute und wichtige Gespräche geführt und einen guten Einblick in das sogenannte Peschmerga-Ministerium, das kann man sich wie ein Verteidigungsministerium der Autonomen Region Kurdistan vorstellen. Die Waffen und Geräte werden dann durch einen logistischen Teil dieses Peschmerga-Ministeriums übernommen und in ein Depot gefahren, zu dem wir auch Zutritt haben. Das heißt, wir können sehen, ob die Peschmerga die Waffen und Geräte auch tatsächlich dorthin gebracht haben. Wir können von dort aus sogar prüfen, wann welches Material wohin gegangen ist.
Reicht das aus, um sicherzugehen, dass die Waffen auch in den Händen bleiben, für die sie bestimmt sind?
Wir können nicht hinter jedes Gewehr einen Soldaten aus Deutschland stellen, der überprüft, wohin es mitgenommen wird. Aber wir können aus dem Depot heraus anhand der Papierlage prüfen, wer wann welches Material wohin geschickt hat. Da kann man sehen, welcher Verband oder welcher Truppenteil in welchem Sektor in den Kampfgebieten Material angefordert hat und wann es dort angekommen ist.
Infografik 1. Lieferung von deutschen Militärgütern in den Nordirak
Können die Kurden überhaupt mit den deutschen Waffen umgehen?
Es ist ja eine ganze Reihe von Waffen und Gerät verschiedenster Art. Wir prüfen gerade, in welcher Form in Erbil eine Einweisung von Waffen und Gerät stattfinden wird. Dazu haben wir mit den Peschmerga verschiedene Möglichkeiten durchgesprochen. Ob zur Einweisung von bestimmten Geräten jetzt noch Verstärkungskräfte aus Deutschland hierher kommen, hängt natürlich von dem Vorwissen und dem Ausbildungsstand der Peschmerga ab.
Eine Einweisung von Waffen und Gerät kann aber auf jeden Fall in Erbil stattfinden. Wenn eine Ausbildung von mehreren Tagen notwendig ist, wird diese in Deutschland stattfinden. Wichtig ist, dass wir hier kein Material überstellen oder übergeben, das dann nicht genutzt werden kann. Ein Gewehr ist beispielsweise für einen Soldaten kein so neuer Gegenstand, da reicht eine Einweisung. Bei den Panzerabwehrlenkraketen “Milan” wäre wahrscheinlich eine Ausbildung in Deutschland vonnöten.
Sind Sie als Verbindungsoffizier an der Auswahl der Peschmerga-Kämpfer beteiligt, die dann für eine Ausbildung an bestimmten Waffen und Geräten nach Deutschland kommen würden?
Nein. Wir haben den Peschmerga dieses Angebot unterbreitet. Es muss hier vor Ort durch die Peschmerga geprüft werden, wer letztendlich in welchem Bereich ausgebildet wird.
Was passiert, wenn sich die Peschmerga nicht an die Vereinbarungen halten? Die Bundesregierung hat ja weitere Tranchen, also Teillieferungen von Waffen und Geräten, in Aussicht gestellt.
Wir werden jede weitere Tranche so begleiten, dass es transparent und nachvollziehbar ist. Und wir werden parallel dazu natürlich immer nachfragen, ob dieses Gerät tatsächlich benötigt wird. Wir können natürlich prüfen, wie der Abfluss der Waffen und der Geräte ist. Wenn man feststellt, dass bestimmte Waffen und Geräte nicht aus den Depots weggehen, könnte man überlegen, ob nicht eine andere Priorisierung festgelegt wird. Ob nicht vielleicht anderes Gerät, das mehr gebraucht wird, schneller hergebracht wird.
Stehen Sie dazu auch in regelmäßigem Kontakt mit den internationalen Partnern? Frankreich und Großbritannien liefern ja beispielsweise bereits Waffen an die Kurden.
Wir haben uns bereits mit allen Nationen, die sich an den Waffen- und Gerätelieferungen beteiligen, getroffen. Wir stehen in enger Verbindung, sodass man gemeinsam schauen kann, wer was schneller oder weniger schnell liefern kann. Es gibt eine gute internationale Abstimmung hier direkt vor Ort.
Major Florian R. ist einer von derzeit sechs Verbindungsoffizieren der Bundeswehr im nordirakischen Erbil.