MESOP: Dr: LÜDERS / Dr. THEVESSEN ALS SYMBIOSE

Der intransparente Dr. Lüders – Von David Klein

Nach den mörderischen Attentaten in Brüssel wird auf allen Kanälen einmal mehr Dr. Michael Lüders als Kommentator bemüht, der je nach Bedarf als «Islamwissenschaftler», «Nahostexperte» oder «Terrorexperte» feilgeboten wird. Leider hielt man es nicht für nötig, dem Publikum den Hintergrund von Lüders offenzulegen. Lüders, der nach eigenem Bekunden am liebsten in einem arabischen Café sitzt, arabischen Kaffee trinkt, eine arabische Wasserpfeife raucht und arabische Musik hört, ist nämlich ein ganz gewöhnlicher Lobbyist, der sich auf seiner Webseite als «Vermittler für Firmen aus dem deutschsprachigen Raum» empfiehlt, die sich «im Nahen und Mittleren Osten engagieren oder bestehende Geschäftsfelder erweitern möchten». Weiter heisst es: «Es ist nicht immer einfach, in der Region Fuss zu fassen. Persönliche Kontakte und kulturelles Know-how sind entscheidend, um im Wettbewerb mit anderen Anbietern zu bestehen. Diesen Vorteil garantiert Ihnen die Nahostberatung von Michael Lüders.»

Lüders ist Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft und sitzt im Beirat des Nah- und Mittelost-Vereins (NUMOV), einer der wichtigsten Lobbyorganisationen, die bereits seit 1934 die Interessen der deutschen Wirtschaft in der Region vertritt. Am 07. Mai 2015 veranstaltete NUMOV eine Konferenz mit dem Titel «Doing Business in Iran», an der auch Mohammed Reza Nematzadeh teilnahm, seines Zeichens Direktor der iranischen Bank of Industry and Mines, die auf der Sanktionsliste der EU und der USA steht. Sein Besuch wurde von NUMOV als «Beginn einer neuen Ära zwischen Deutschland und dem Iran» gewürdigt. Seit 2004 ist Lüders ausserdem Mitinhaber der in Berlin domizilierten «Middle East Consulting Group» für die er als Politik- und Wirtschaftsberater tätig ist. In Lüders’ Buch «Iran: Der falsche Krieg. Wie der Westen seine Zukunft verspielt», bezeichnet er die Sanktionen gegen das iranische Regime als «ein erkennbar falscher Schritt in die falsche Richtung» und behauptet, die deutsche Iranpolitik der vergangenen Jahre sei «von vorauseilendem Gehorsam» gegenüber den Befürwortern scharfer Sanktionen geprägt gewesen. Die Bundesregierung unternehme «seit Jahren alles in ihrer Macht Stehende, um die wirtschaftliche Kooperation auf ein Minimum zu beschränken». Dies, obwohl deutsche Unternehmen trotz aller Sanktionen Milliardengeschäfte mit dem Iran tätigen. In seinem neusten Buch «Wer den Wind sät», beschreibt Lüders die «desaströsen Folgen» der westlichen Politik, die im Alleingang «Terror, Staatzerfall und den Siegeszug islamistischer Milizen» zu verantworten hätte.

Gemäss Matthias Küntzel, einem führenden deutschen Politikwissenschaftler und Historiker, bringt sich Lüders «wirkungsvoll als Garant nüchterner Aufklärung und sachlicher Information in Empfehlung. Kratzt man an diesem Lack, entpuppt er sich als Experte, der es mit dem Baron von Münchhausen aufnehmen kann.»

Das öffentlich-rechtliche Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF), wo Lüders regelmässig als Kommentator auftritt, lässt dessen Lobbytätigkeit ebenfalls im Dunkeln. Auf eine entsprechende Anfrage antwortet Elmar Theveßen, stellvertretender Chefredakteur des ZDF, er könne in der «Auswahl des Gesprächspartners Dr. Lüders» eine allfällige «Einseitigkeit und Parteilichkeit nicht erkennen.». Das erstaunt wenig, denn Theveßen ist als stellvertretender ZDF-Chefredakteur und gleichzeitiger «ZDF-Terrorexperte» in einer vergleichbaren Situation wie Lüders. So kann Theveßen sich selbst als «ZDF-Terrorexperte» und «Gesprächspartner» für einen ZDF-Journalisten in eine ZDF-Sendung einladen. Ausgewiesen wird er als «ZDF-Terrorexperte», ohne dass seine Position als stellvertretender ZDF-Chefredakteur thematisiert wird.

Als Beweis, dass sich das ZDF um «differenzierte Berichterstattung bemüht», um der «Zuhörerschaft ein möglichst vollständiges Bild abliefern zu können», führt Theveßen Schaltgespräche mit dem israelischen Regierungssprecher Mark Regev an. Doch bei Regev wird der Zuschauer darüber informiert, dass dieser die Interessen der israelischen Regierung vertritt, was bei Lüders nicht der Fall ist. Lüders wird dem ahnungslosen ZDF-Publikum, wie auch den LesernInnen der AZ Medien als objektiver «Nahostexperte» beziehungsweise «Islamwissenschaftler» verkauft, ohne dass seine Lobbyarbeit kenntlich gemacht wird, die auch Vorträge über «Investitionsmöglichkeiten in der arabischen Welt» beinhaltet. Bezüglich Lüders ist das ZDF offenbar nicht «bemüht», der Zuhörerschaft ein «möglichst vollständiges Bild» abzuliefern.
Dass hier eine erhebliche Intransparenz vorliegt, kann Theveßen offensichtlich genausowenig «erkennen» wie die Schweizer AZ Medien, die sich ebenfalls Lüders «Expertise» bedienen, ohne dessen Lobbytätigkeit zu thematisieren. Anlässlich des Deals der Uno-Vetomächte und Deutschland (P5+1) mit dem Iran, dessen Bevölkerung am 11. Juli den weltweit begangenen, 1979 von Ayatollah Khomeini eingeführten «Al Quds-Tag» (Tag zur Befreiung Jerusalems von der zionistischen Besatzung) mit Verbrennungen von israelischen und amerikanischen Flaggen feierte, veröffentlichte die Basellandschaftliche Zeitung ein ausführliches Interview mit Lüders. Dagmar Heuberger, Ressortleiterin Ausland der AZ Medien, war Lüders Lobbyaktivität bekannt. Auf Nachfrage räumt sie ein, diese «hätte wohl erwähnt werden sollen».

In seiner Nachfrageantwort bezeichnet Theveßen Lüders als «hoch geschätzten Fachmann». Eine kurze Analyse einiger seiner Prognosen lässt diesbezüglich jedoch Zweifel aufkommen. Während des zweiten Golfkriegs wurde Lüders von «Kulturzeit» auf 3Sat gebeten, die «Körper- und Zeichensprache» von Osama Bin Laden zu analysieren. Der Chef der al-Qaida hockt im Schneidersitz in einer Höhle und stösst mit sanfter Stimme die schlimmsten Morddrohungen aus, die Kalaschnikow neben sich an die Wand gelehnt. Weil aber Bin Laden, so Lüders, die Waffe nicht in den Händen hielt, sei seine Rede eigentlich ein «Friedensangebot» gewesen. Zum 10. Jahrestag von 9/11 sah Lüders «die arabische Welt im Aufbruch» und prophezeite «eine Ära, die nicht von Terrorismus und Gewalt handelt, sondern von Demokratie und Menschenrechten.» Bald darauf warnte er vor einer «Dämonisierung des Iran», es gebe keine stichhaltigen Beweise dafür, dass der Iran «nach der Atombombe greift». Am 20. Januar 2015 behauptete Lüders bei Phoenix-TV, dass in der Ukraine 500 US-amerikanische Blackwater-Söldner kämpfen, solche, «die auch in den Irak geschickt worden sind». Belege nannte er wie gewohnt keine. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg dementierte umgehend: «Es gibt keine Nato-Legion in der Ukraine. Das ist Unsinn.» Auf die Nachfrage eines Bloggers nach den Quellen, antwortete Lüders, das könne man mühelos selbst recherchieren, indem man beispielsweise Blackwater in der Ukraine bei Google eingibt. Die Google-Suche verweist auf alte Gerüchte. Spiegel Online: «Eine unabhängige Bestätigung gab es nicht, Ria Novosti soll die Quelle sein» (11.04.2014). BILD: «Angeheizt werden die Gerüchte um US-Söldner von Äusserungen eines russischen Diplomaten in Kiew» (15.04.2014). Bis heute konnte die Spekulation des «Experten» Lüders nicht konkretisiert werden.

Theveßens Verteidigung von Lüders ist allerdings durchaus nachvollziehbar. Nach den Bombenanschlägen 2011 in Oslo, Theveßen hatte einmal mehr seinen Hut als stellvertretender ZDF-Chefredakteur gegen den des «ZDF-Terrorexperten» ausgetauscht, weigerte er sich selbst nach eindeutiger Faktenlage, einen islamistischen Terroranschlag auszuschliessen. Theveßens Fehleinschätzung und seine nicht deklarierte Doppelrolle hatten einen vernichtenden Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zum Thema «sauberer Journalismus» zur Folge, in dem sich Autor Stefan Niggemeier zu einem treffenden Bonmot inspiriert sah: «Wer solche Experten kennt, braucht keine Laien.»

https://etwasanderekritik.wordpress.com/2016/03/23/der-intransparente-dr-lueders/