MESOP DOKUMENTATION : Gotteskrieger aus Europa & der Türkei
In einer 2-teiligen Serie hat Elmas Topçu beim Internetportal vivahiba.com das Phänomen von Militanten aus Europa in den Reihen der gewalttätigen dschihadistisch–salafistischen Organisation Islamischer Staat (IS, früher ISIS) näher beleuchtet.[1] Das DTF hat daraus eine Zusammenfassung mit weiteren Quellen (darunter auch Interwiki-Links in zu Wikipedia) erstellt.
600 Militante aus der Türkei bei IS
Am 1. Juli 2014 schrieb Elmas Topçu: “Ich erhielt einen Tweet von einem Abdullah, von dem sich herausstellte, dass er einer der 600 Personen ist, die sich in Syrien der IS angeschlossen hat.[2] Über das Konto von Abdullah gelangte ich an das Konto eines Mustafa, der sich von Adana aus der IS angeschlossen hat und um die 30 Jahre alt ist… Einer Untersuchung des King’s College in London zufolge gibt es in Syrien 11.000 Dschihadisten (Gotteskrieger), von denen sich 3.000 aus Europa dem Kampf angeschlossen haben sollen. Das sind Zahlen aus dem vergangenen Jahr. Inzwischen haben sich sicher weitere Tausende von Personen auf den Weg gemacht…
“Der Verfassungsschutz schätzt, dass sich 320 Personen aus Deutschland der al-Nusra-Front oder IS in Syrien angeschlossen haben. Von diesen 320 Personen sollen 130 türkischer Herkunft sein und viele in Nordrhein-Westfalen gelebt haben. Für die Rekrutierung sind vor allem die Salafisten in Deutschland bekannt. 100 von ihnen sollen inzwischen zurück gekehrt sein und hier Propaganda betreiben.”
Sterben für Allah
Am 5. August 2014 wurde in der ARD ein Dokumentarfilm mit dem Titel “Sterben für Allah” gesendet.[3] Elmas Topçu hat einige Informationen ihres Blogs vom 8. August diesem Film entnommen. Bei ihr heißt es u.a.: “Der Verfassungsschutz schätzt die Zahl der Gotteskrieger, die aus Deutschland nach Syrien oder den Irak gegangen sind, auf mehr als 400 ein. 25 seien wieder zurück gekehrt…
“Der Film geht auf das Schicksal von Enes ein, der aus Frankfurt in den Krieg zog und mit 16 Jahren sein Leben verlor. Er hatte sich an Versammlungen mit Pierre Vogel und Ibrahim Abou-Nagie beteiligt und war über Antakya nach Syrien gereist.”
Andere Quellen
Im Abschnitt Mitglieder nennt die deutsche Wikipedia folgende Zahlen: “Schätzungen des US-Außenministeriums vom Mai 2013 bezifferten die Truppenstärke von ISIS im Irak mit 1.000 bis 2.000, Schätzungen eines Irak-Experten der Friedrich-Naumann-Stiftung vom Juni 2014 gehen jedoch von 10.000 bis zu 15.000 Mann aus. In Syrien wurde die Anzahl der Kämpfer von ISIS je nach Quelle auf 3.000 bis 8.000 geschätzt.” Die Südwest Presse vom 18. Juli 2014 machte u.a. folgende Angaben:[4] “Nach den vom irakischen Geheimdienst beschlagnahmten Unterlagen zählen zum “Islamischen Staat” 25 000 Kämpfer. Rund 1000 gehören der Kommandoebene an. Je nach Aufgabe schwanken ihre Monatsgehälter zwischen 300 und 2000 Dollar, viel Geld in einer Region mit einem Durchschnittseinkommen von etwa 400 Dollar. Westliche Geheimdienste schätzen, dass sich in den IS-Einheiten rund 4000 Ausländer befinden, einige hundert davon aus dem Westen.”
Human Rights Watch (HRW) veröffentlichte am 23. Juni 2014 einen Bericht zum Themas Syria: Armed Groups Send Children into Battle. Der 31-seitige Bericht beruht auf den Aussagen von 25 Minderjährigen, die als Kindersoldaten in Syrien aktiv waren. Obwohl die Zahl der Kindersoldaten auf den Seiten mehrerer bewaffneter Gruppen nicht bekannt ist, wurden allein in Syrien der Tod von 194 Kindersoldaten zwischen September 2011 und Juni 2014 dokumentiert. In einem Bericht des Kopp-Verlags vom 3. Juli 2014 unter dem Titel Die Kinder des Kriegs: ISIS rekrutiert und entführt Zehnjährige werden weitere Angaben zum Problem der Kindersoldaten gemacht. Unter Berufung auf in erster Linie englischsprachige Quellen heißt es hier u.a.: “ISIS hat mittlerweile große Teile des nördlichen Iraks erobert und verfügt Schätzungen zufolge über 7000 bis 10 000 Kämpfer… Es gibt Fälle von Kindern, die von ISIS entführt und einer »Gehirnwäsche« unterzogen wurden. 159 Teenager wurden im Mai im syrischen Aleppo verschleppt, das Schicksal von 133 dieser Jugendlichen ist unklar.”
Stephan Rosiny hat im Juni 2014 einen Bericht für das German Institute of Global and Area Studies mit dem Titel „Des Kalifen neue Kleider“: Der Islamische Staat in Irak und Syrien erstellt (GIGA Focus Nahost 6, 2014), in dem es u.a. heißt: “Der schnelle Erfolg des ISIS im Irak hat mehrere Ursachen: Der Irak ist politisch und ethnisch fragmentiert und in Teilen ohne zentralstaatliche Macht… Der ISIS-Vormarsch hat die Fragmentierung des Irak verschärft, und er könnte das Ende des Einheitsstaates beschleunigen.” Am 15. August 2014 wies Orhan Kemal Cengiz in seiner Kolumne Müslüman soykırım yapmaz değil mi? u.a. auf Folgendes hin: “An der Grenze zum Irak werden die einem Völkermord entkommenen Yeziden wie Touristen nach Pässen gefragt, während die Grenze zu Syrien auch ohne Ausweise passierbar zu sein scheint. Ein Kommandant der IS kann in Reyhanlı der Washington Post ein Interview geben… Dem Außenminister Davutoğlu kommt bei der IS das Wort “Terrorist” nicht über die Lippen… 2009 sagte Erdoğan angesichts dessen, was Umar al-Baschir gemacht hatte, dass Moslems keinen Völkermord begehen. Dem steht die Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof gegenüber.” Orhan Kemal Cengiz machte auch auf einen Artikel von Emily Feldman unter dem Titel How the Islamic State lures children to fight in Syria and Iraq aufmerksam. Sie hatte vor allem im Armenviertel Hacıbayram (Ankara) nach Gründen gesucht, warum sich Jugendliche aus der Türkei (schätzungsweise 1.000) der IS anschließen. Nur aus dem besuchten Viertel sollen es 100 sein.
Fragen von Orhan Kemal Cengiz
In seiner Kolumne in der Tageszeitung Radikal vom 22. August 2014 stellt der Anwalt Orhan Kemal Cengiz Kafa kesmekten yolsuzluğa (Vom Enthaupten bis zur Korruption) Fragen zu fehlenden Reaktionen gegen Auswüchse des politischen Islam, ohne selber darauf Antworten zu geben. Zu seinen Fragen gehören:
- Macht man auf die Brutalität von IS aufmerksam, so heißt es, dass sei ein Aufstand der Sunniten. Warum aber massakrieren sie Yeziden und Turkmenen?
- Wenn es nur ein Aufstand der Sunniten im Irak ist, wie erklären wir die Anwesenheit von Ausländern (Australiern, Briten etc.) in ihren Reihen? Was haben sie mit Esad und Maliki zu tun?
- Warum führt das, was sie im Namen des Islam machen, nicht zu gleich scharfen Reaktionen wie gegen die Karikaturen von Mohammed?
Einzelnachweise
- Die in türkischer Sprache erschienenen Artikel der in Köln lebenden Journalisten wurden am 1. Juli und 8. August 2014 unter den Titeln IŞİD‘in Türk Militanları 1 und IŞİD‘in Türk Militanları 2 veröffentlicht.
- Der Nachricht Das türkische Kontingent des Islamischen Staats in Die Welt vom 4. August 2014 zufolge schätzen die Behörden in Ankara die Zahl der “türkischen Staatsbürger”, die für IS kämpfen, auf mittlerweile mehr als Tausend.
- Dieser knapp 45-minütige Film war eine Zeitlang in der Mediathek anzusehen. Der Link bei Youtube dürfte allerdings über einen längeren Zeitraum erreichbar sein.
- Der Artikel ist unter Islamischer Staat: Die Regie des Kalifen zu finden.
[1]Die in türkischer Sprache erschienenen Artikel der in Köln lebenden Journalisten wurden am 1. Juli und 8. August 2014 unter den Titeln IŞİD‘in Türk Militanları 1 und IŞİD‘in Türk Militanları 2 veröffentlicht.
[2]Der Nachricht Das türkische Kontingent des Islamischen Staats in Die Welt vom 4. August 2014 zufolge schätzen die Behörden in Ankara die Zahl der “türkischen Staatsbürger”, die für IS kämpfen, auf mittlerweile mehr als Tausend.
[3]Dieser knapp 45-minütige Film war eine Zeitlang in der Mediathek anzusehen. Der Link bei Youtube dürfte allerdings über einen längeren Zeitraum erreichbar sein.
[4]Der Artikel ist unter Islamischer Staat: Die Regie des Kalifen zu finden.
Source: Demokratisches Türkeiforum DTF