MESOP : DIE AUGSTEINS, DIE JUDEN & DAS DEUTSCHE AMERIKABILD IM FOTOBAND
Wie der SS Mann Horst Mahnke bei Springer & Augstein reüssiert
– ZUR GESCHICHTE EINER PRÄGUNG – Von Carolin Würfel
Amerika, das wird schnell klar, sollte nicht als Vorbild für ein Deutschland dienen, das Wege aus dem Nationalsozialismus sucht. Im Gegenteil. „Es sind, glaube ich, ein paar schockierende Wahrheiten darunter, und der legendäre ,American way of life` sieht im Lichte dieser Wahrheiten nicht mehr ganz so sieghaft strahlend aus, wie man ihn sich im allgemeinen vorstellt”, schrieb Horst Mahnke damals einleitend zur Reportage. Diese Einleitung kann man auch heute, herausgelöst aus ihrem ursprünglichen Kontext, im Vorwort von „Heartland” lesen.Es gibt nun aber auch einiges, was man dort nicht lesen kann. Horst Mahnke, 1913 geboren und 1985 gestorben, war SS-Hauptsturmführer und die rechte Hand des deutschen SS-Brigadeführers Franz Six, der sich aktiv an der „Lösung der Judenfrage” beteiligte und der später die Logistik der Judenverfolgung in ganz Europa mitverantwortete.
Nach Kriegsende ging alles ziemlich schnell. Das aufgenommene Ermittlungsverfahren gegen Mahnke wegen des Verdachts, an den Erschießungsaktionen in Smolensk im September 1941 direkt beteiligt gewesen zu sein, wurde eingestellt. 195o wurde Mahnke „entnazifiziert”. Nachdem seine Arbeitsbeschränkung aufgehoben worden war, gelang ihm dank seiner guten Kontakte und publizistischen Vorkenntnisse der Sprung zum Nachrichtenmagazin „Der Spiegel”.
Seine erste große „Spiegel”-Geschichte, „Am Kaffeehandel beteiligt”, verfasste er gemeinsam mit Georg Wolff, ebenfalls ehemaliger SS-Hauptsturmführer. In dem Artikel machte er jüdische „Displaced Persons” für den Schmuggel und die negativen Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft verantwortlich. Beim „Spiegel” störte man sich jedoch wenig an Mahnkes Vergangenheit und seinen anti-semitischen Äußerungen. 1952 folgte der Aufstieg zum Ressortleiter Ausland. Als Mahnke 196o schließlich zum Axel-Springer-Verlag wechselte und Chefredakteur der Illustrierten „Kristall” wurde, freute sich vor allem der ehemalige Pressechef im NS-Außenministerium, Paul Karl Schmidt, besser bekannt als Nachkriegsbestsellerautor Paul Carell (1911-1997).
Gemeinsam veröffentlichten sie in der „außergewöhnlichen Illustrierten für Wissen und Unterhaltung” erfolgreich Carells kriegsverherrlichende Serien „Unternehmen Barbarossa: Der Marsch nach Russland” und „Verbrannte Erde -Schlacht zwischen Wolga und Weichsel”. Beide glorifizierten die Wehrmacht und die Waffen-SS und vertraten die These eines Präventivkriegs. Wie sich die Mitarbeit ehemaliger SA- und SS-Mitglieder mit der aktiven Aussöhnungspolitik mit Israel vereinbaren ließ – Springer spendete Millionen an israelische Institutionen -, das ist bis heute rätselhaft. Nach seiner „Kristall”-Zeit wurde Horst Mahnke Vorsitzender des redaktionellen Beirats im Springer-Verlag und wechselte später als Hauptgeschäftsführer zum Verband deutscher Zeitungsverleger. Und von 1961 (wahrscheinlich aber bereits seit 1951) bis 1973 unterhielt er dann eben „nachrichtendienstliche Verbindungen” zum Bundesnachrichtendienst.
Es bleibt nun aber noch immer die Frage, warum Leser des „Heartland”-Bildbandes von dieser Vergangenheit nichts wissen sollen; warum das braune Umfeld der Amerika-Reportage an keiner Stelle Erwähnung findet. Stattdessen wird das schwärmerische Bild einer Zeitschrift entworfen, die sich aus heutiger Perspektive vor allem durch kriegsverherrlichende Reportagen auszeichnete. Der Effekt davon ist, dass die Fotografien von Thomas Hoepker plötzlich auch eine andere Sicht auf das „Heartland” offenbaren. Plötzlich werden diese bekannten Fotos, aus denen bislang nur Hoepkers anhaltende Neugierde für das Absonderliche sprach, zu Instrumenten eines obskuren Anti-Amerikanismus. Man sieht sie auf einmal anders, die beinlosen Veteranen und alten Frauen, die fanatischen Christen und toten Obdachlosen, die isolierten Afroamerikanern, die Soldaten, Patrioten, Kommunisten und amerikanischen Nazis. Und wenn dann als Bildunterschrift unter weißen Frauen mit toupierten Frisuren steht: „Die Frau regiert Amerika”, kann man darin das Echo eines Rollenbildes hören, das auch schon vor 1945 verbreitet war.
FAS, 10 Nov 2014 – Seite 45 (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung)