MESOP : DER MORD AN DEM IRANISCHEN KURDENFÜHRER GHASSEMLOU DURCH IRAN MIT ÖSTERREICHS HILFE ?

THE GERMAN KURDISH CHAPTER

SPIEGEL ONLINE  13 Juli 2016 – Hat der Iran im Zusammenhang mit einem unaufgeklärten Attentat die Wiener Regierung erpreßt?

Das Treffen war so geheim, daß Abd el-Rahman Ghassemlou, 59, Chef der Kurdischen Demokratischen Partei, nicht einmal seinen engsten Mitarbeitern die Adresse nennen mochte. Die konnten sie dann am nächsten Tag den Wiener Boulevardblättern entnehmen – im Lokalteil, unter der Rubrik Morde. Der iranische Kurde Ghassemlou, der aus seinem Pariser Exil seit vielen Jahren für eine Autonomie seines unterdrückten Volkes vom Mullah-Staat kämpfte, wähnte sich kurz vor seinem politischen Ziel. Die Geheimverhandlungen mit einer hochrangigen iranischen Regierungsdelegation stünden unmittelbar “vor dem Durchbruch”, erklärte er seinen Parteifreunden, bevor er sich mit zwei Beratern zu einer neuen Gesprächsrunde in einer Wiener Privatwohnung aufmachte.

Doch dort, im 3. Wiener Gemeindebezirk, gerieten der Kurdenführer und seine Begleiter in einen tödlichen Hinterhalt.

Als die Polizei am Tatort erschien, fand sie neben den Leichen der drei Kurden den schwerverletzten Iraner Mohammed Saharudi sowie dessen Landsmann Amir Bosorgian. Saharudi, mit Diplomatenpaß nach Österreich eingereist, war Verhandlungsführer der iranischen Delegation, Bosorgian sein persönlicher Leibwächter.

Schon bei den ersten Vernehmungen verwickelten sich die beiden Perser in Widersprüche. So gab Bosorgian an, zur Tatzeit in einem nahen McDonald’s-Laden gegessen zu haben, während Saharudi, durch einen Querschläger an Arm und Kiefer getroffen, den Beamten erklärte, sein Beschützer sei zum Zeitpunkt der Schießerei in der Wohnung gewesen – die erste von vielen Ungereimtheiten im Mordfall Ghassemlou.

Ein Jahr nach dem Attentat auf den Kurdenführer steht die affärengeplagte Alpenrepublik vor einem neuen “Polit- und Justizskandal” (Kurier). Denn: Ermittlungsbehörden unterließen so gut wie alles, um das Blutbad vom Juli 1989 aufzuklären. Primitivste kriminalistische Grundregeln wurden verletzt, und die mutmaßlichen Mörder durften das Land ungestraft verlassen. Das alles auf Weisung von oben.

Helene Ghassemlou, die Witwe des Kurdenführers: “Ich beschuldige die iranische Regierung, das Verbrechen geplant und durchgeführt zu haben. Und ich beschuldige die österreichische Regierung, die Aufklärung verhindert zu haben.” “Deshalb”, so Helene Ghassemlou, mache “das Schweigen die Regierung zu Mordkomplizen”.

Tatsächlich verliefen die Ermittlungen so stümperhaft, daß sie allein mit Dilettantismus nicht erklärbar sind. Vom “ersten Moment an”, behauptet der Wiener Grünen-Abgeordnete Peter Pilz, “wurde die Fahndung nach den Mördern von oben blockiert”.

Diese Erfahrung machte etwa, wenige Stunden nach dem Attentat, der Wiener Richter Peter Seda. In einem internen Bericht beklagte er sich über die mangelnde Kooperation der Polizei. So wurde ihm vorenthalten, daß sich die beiden verdächtigen Iraner in krasse Widersprüche verstrickt hatten. Seda: “Weitere Informationen von der Polizei zu bekommen war äußerst schwierig.”

Saharudi und Bosorgian wurden nicht einmal – wie sonst jeder Eierdieb – erkennungsdienstlich behandelt: keine Fotos, keine Fingerabdrücke. Erst nach zwölf Stunden wurden an den beiden Iranern Schußhandprüfungen durchgeführt, zu spät, um feststellen zu können, ob sie selbst geschossen hatten.

Obwohl die Indizien immer stärker wurden, daß die Iraner am Blutbad zumindest beteiligt waren, erging gegen sie zunächst kein Haftbefehl. Der Verdächtige Bosorgian flüchtete auf das exterritoriale Gelände der iranischen Botschaft, und Saharudi durfte, begleitet von einer Polizeieskorte, elf Tage nach dem Kurdenmord über den Wiener Flughafen Schwechat nach Teheran zurückkehren.

Dem Regierungssender Radio Teheran war es sogar eine Meldung wert, daß der “große Kämpfer” in die Heimat zurückgekehrt sei. Kein Wunder: Saharudi ist im Mullah-Staat ein prominenter Mann. Er ist Offizier der Pasdaran, der regimetreuen Revolutionsgarden.

Erst nach Saharudis Ausreise fand in der Wohnung ein Lokalaugenschein statt. Dabei kam heraus, daß Saharudi mutmaßlich der Todesschütze war. Aber erst im November 1989 erließ die Staatsanwaltschaft Haftbefehl wegen Mordverdachts gegen Saharudi und dessen Leibwächter, der sich vermutlich monatelang in der Botschaft versteckt hielt.

Vollmundig nannte Österreichs Außenminister Alois Mock die Weigerung der iranischen Botschaft, den Verdächtigen rauszurücken, “eine Schweinerei”. Teheran hingegen beschuldigte die Österreicher, mit iranischen Staatsbürgern ein “verdächtiges politisches Spiel zu betreiben” und “einen Propagandakrieg gegen den Iran” zu führen.

Das Wortgetöse konnte nicht mehr darüber wegtäuschen, daß der Iran die österreichische Regierung massiv unter Druck gesetzt hatte, Saharudi und Bosorgian juristisch nicht zu behelligen. Ein hoher iranischer Außenamtsbeamter in Teheran umschrieb das so: “Wir haben ihnen nur klargemacht, daß, wenn sie unsere Leute nicht schützen können, auch wir Österreicher im Iran nicht schützen können. Die Österreicher haben das gleich begriffen.”

Eine mögliche Erklärung, weshalb sich die Wiener Regierung von den Iranern so offensichtlich unter Druck setzen ließ, lieferte vorvergangene Woche der Abgeordnete Pilz, der mit Beharrlichkeit und offenkundig erstklassigen Informanten schon so manche Durchstecherei in der Waldheimat aufdecken konnte: Der Pasdaran-Offizier Saharudi trat im Ausland, das bestätigte auch die österreichische Staatspolizei, häufig unter dem Namen Rahimi Tari auf.

Ein Rahimi Tari war 1984 Mitglied einer iranischen Delegation bei der “Defendory”, einer Waffenmesse in Athen. Bei dieser Gelegenheit kamen die Iraner mit der staatlichen österreichischen Waffenschmiede Noricum ins Gespräch. Bald darauf lieferte Noricum aus dem neutralen Österreich unter krasser Mißachtung des österreichischen Kriegsmaterialgesetzes Kanonen an die Iraner – wie vorher schon an deren Kriegsgegner Irak.

Wegen dieses “größten illegalen Geschäfts der Zweiten Republik” (Profil) stehen seit April dieses Jahres 18 Manager in Linz vor Gericht. Die Anklage dürfte bald auf prominente Politiker ausgedehnt werden: Gegen den damaligen Kanzler Fred Sinowatz, dessen Außenminister Leopold Gratz und den Ex-Innenminister Karl Blecha laufen Voruntersuchungen wegen des “Verdachtes auf Neutralitätsgefährdung”.

Wenn der Pasdaran-Offizier Saharudi alias Rahimi Tari das illegale Waffengeschäft mit Noricum mit angeschoben hat – wofür vieles spricht -, dann ist für den Grünen-Politiker Pilz das “fehlende Bindeglied” im Mordfall Ghassemlou gefunden: “Die österreichischen Behörden ließen die iranischen Mörder laufen, weil die Iraner mit der Veröffentlichung von umfangreichen Noricum-Material drohten.”

Dann, mutmaßt Pilz, könnten in den Noricum-Skandal auch noch andere Politiker verwickelt werden. Und deren Schicksal, so Pilz, liege nur “in der Hand der Iraner”.  http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13502469.html