MESOP CULTURE „ON LIBERTY“ : DIE PETIT BOURGEOISEN ZENSOREN – DAS PETER SIEFERLE BUCH „FINIS GERMANIAE“

Weil dem «Spiegel» ein Buch nicht passt, wird es klammheimlich von der eigenen Bestsellerliste gestrichen

von Rainer Moritz 25.7.2017, 14:58 Uhr – SCHLAGLICHTER – WIEN

Eben noch stand Rolf Peter Sieferles Essaysammlung «Finis Germania» auf der «Spiegel»-Bestsellerliste. Das mag man unappetitlich finden. Noch unappetitlicher ist es, das Buch einfach aus der Liste zu streichen.

Eine Bestsellerliste zeigt, so mögen naive Menschen denken, an, was sich am besten verkauft. Das gilt für Automobile, Smartphones und Bücher gleichermassen und sagt erst einmal nichts aus über die Qualität des Gutverkauften. Die massgebliche Bestsellerliste für Belletristik und Sachbuch wird seit vielen Jahren gemeinsam vom Branchenblatt «Buchreport» und vom Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» wöchentlich erstellt. Sie ist ein wichtiger Indikator, der zudem seinerseits die Verkaufschancen eines Buches erhöht: Wer einmal auf diese Liste gelangt, darf darauf hoffen, einen kräftigen Schub zu erhalten und in den Buchhandlungen bestens placiert zu werden.

Dass das Beliebte, wie gesagt, nicht immer das Gute, Wahre und Schöne verkörpert, ist eine Binsenweisheit. Feinsinnige Intellektuelle sind daran gewöhnt, auf den Verkaufscharts esoterischen Paolo-Coelho-Quark, stumpfsinnige Regionalkrimis, nichtssagende Promibücher und politisch missliebige Texte vorzufinden. Das alles wurde bisher recht klaglos hingenommen. So ertrug man es in Redaktionen, in denen der linksliberale Geist nicht aufgehört hat zu wehen, dass in der Vergangenheit auch Bücher von Thilo Sarrazin oder Udo Ulfkotte als Bestseller im «Spiegel» auftauchten.

Selbstgerechte Hektik

Nun freilich hat man dort die Marschroute geändert und vor kurzem einen Titel – Rolf Peter Sieferles postum erschienene Essaysammlung «Finis Germania» – kurzerhand (und klammheimlich) vom redlich am Buchhandlungstresen erworbenen Listenplatz 6 gestrichen. Die Massnahme hat den Publizisten Henryk M. Broder prompt an die Geschichtsschreibung «sowjetischer Zensoren» erinnert, wie er in der Zeitung «Die Welt» schrieb.

Der «Spiegel» hat sich und der öffentlichen Diskussion damit einen Bärendienst erwiesen. Die nicht einmal begründete Streichung eines messbaren Faktums – die Verkaufszahlen eines Sachbuchs – ist Wasser auf die Mühle all derjenigen, die über die Einseitigkeit der veröffentlichten Meinung klagen und das Wort «Lügenpresse» im Munde führen.

Der Umgang mit Sieferles Aufsätzen ist typisch für die unsouveräne, selbstgerechte Hektik, mit der Teile der Medien seit einiger Zeit mit ihnen unliebsamen Gedanken umgehen. Man verteilt das inhaltlich wenig aussagekräftige Adjektiv «rechtspopulistisch» grosszügig auf all das, was einem nicht in den Kram passt, und tut so, als gäbe es gleichzeitig keinen Links- oder Liberalpopulismus.

Als Sieferles «Finis Germania» im Juni auf der vom Norddeutschen Rundfunk und der «Süddeutschen Zeitung» erstellten Bestenliste «Sachbücher des Monats» auftauchte, erhob sich wie auf Knopfdruck ein Geschrei der Empörung, entfacht auch von etlichen, die keine Zeile der Sieferleschen Einlassungen gelesen hatten. Und mancher, wie der Historiker Herfried Münkler, unterstellte flugs, dass das Buch «möglicherweise sogar strafrechtlich relevante Passagen enthalte». Immerhin hat die Insinuation die deutschen Gerichte bis dahin recht kalt gelassen.

Ein Armutszeugnis

Gewiss, man versteht die Verbitterung beim «Spiegel», war es doch einer ihrer Redaktoren, Johannes Saltzwedel, der dank einer geschickten Auslegung des Juryreglements Sieferles Essays auf die «Sachbücher»-Bestenliste gehievt hatte. Doch wer im Nachhinein leugnen will, dass sich ein Buch gut verkauft, greift genau zu jenen Massnahmen, die man den sogenannten Rechtspopulisten liebend gern vorwirft.

Warum nur halten es manche so schwer aus, dass ihre eigenen Gedankengebäude und ihre offenbar für unangreifbar gehaltenen Überzeugungen angezweifelt werden? Warum streitet man nicht, warum diskutiert man nicht, warum macht man sich nicht daran, das Verachtete zu widerlegen, anstatt vom hohen Ross aus Geringschätzung zu zeigen? Es zu negieren und voreilig aus dem demokratischen Diskursfeld zu entfernen, ist ein Armutszeugnis.

Ein Bestseller ist ein Bestseller. Dass der Absatz von Sieferles «Finis Germania» dank dem «Spiegel»-Handstreich steigen wird, versteht sich von selbst.

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