MESOP BACKGROUND: DIE UNGEUERLICHEN VERBRECHEN DER „VEREINTEN NATIONEN“ (UN) IN SYRIEN & IHRE HILFE FÜR DAS ASSAD REGIME / UNICEF LOBT ASSAD’S ZIMMERSERVICE IN NOBELHOTEL

SYRISCHE KRÖTEN & KRAKEN – BEIRUT/BERLIN, 11. September – Christoph Ehrhardt + Majid Sattar

Die britische Zeitung „Guardian” berichtete Ende August, dass im Zuge des humanitären UN-Engagements in Syrien Dutzende Millionen von Euro an das Regime von Baschar al Assad oder an Personen in seinem Umfeld geflossen seien. Demnach sind unter den Profiteuren lukrativer Verträge Firmen und prominente Figuren aus der herrschenden Clique in Damaskus gewesen, die mit Sanktionen der Vereinten Nationen oder der EU belegt worden sind. Etwa der Assad-Schwager Ramy Makhlouf, ein Paradebeispiel der Vetternwirtschaft und Korruption, ein Krake, dessen Arme in viele Bereiche der Wirtschaft reichen und der nach dem Bericht der Zeitung an mehreren Stellen von Geldern der UN profitiert.

Unter anderem soll die unter dem Dach der UN angesiedelte Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als fünf Millionen Dollar an die nationale Blutbank gezahlt haben. Diese Blutbank wird von dem mit Sanktionen belegten Verteidigungsministerium kontrolliert. Das Geld wurde überwiesen, obwohl die WHO nach eigenen Angaben „ernsthafte Bedenken” hatte, dass die Blut-spenden nicht der leidenden Zivilbevölkerung, sondern dem Militär zugutekommen könnten. Kritiker — nicht nur aus den Reihen der Assad-Gegner — sprachen von „großer Nähe” der UN-Funktionäre zum Regime. Sogar von einem „Stockholm-Syndrom” und einer „beunruhigenden Nähe zum Regime” war die Rede. Dem in der syrischen Hauptstadt ansässigen Koordinator der UN-Nothilfe in Syrien, Yacoub El Hillo, werden gute Kontakte in die Damaszener Führung nachgesagt, von denen bisweilen allerdings auch die Menschen in Oppositionsgebieten profitieren sollen.

Die UN und die Geberstaaten sehen sich in einem Dilemma: Einerseits möchten sie mit der Hilfe dem Assad-Regime keine Deviseneinkünfte oder zusätzliche Legitimität verschaffen. Andererseits aber wollen sie natürlich Menschen in Not versorgen — sowohl in den vom Regime als auch in den von der Opposition kontrollierten Gebieten. Die Kooperation mit den UN ist für die Hilfsorganisationen unverzichtbar, und die UN wiederum sind gezwungen, mit dem Regime zu kooperieren, wenn sie auch den Menschen in den von Damaskus kontrollierten oder belagerten Regionen helfen wollen. Man dürfe humanitäre Hilfe nicht zu einer politischen Waffe machen, hatte der Syrien-Direktor des UN-Welternährungsprogramms, Jakob Kern, unlängst im Gespräch mit dieser Zeitung gesagt. Aber er kann auch, den Widerspruch nicht auflösen, mit einem Regime zusammenzuarbeiten, das eben genau das tut.

Berlin hatte die Vereinten Nationen umgehend um Stellungnahme zu den im „Guardian” erhobenen Vorwürfen gebeten und befürwortet eine Aufklärung. Aber zugleich weist man in der Bundesregierung zurück, dass von dem deutschen Hilfsgeld am Ende auch das Regime oder einer seiner Günstlinge profitiert. Aus dem Entwicklungsministerin in Berlin heißt es etwa, das Ministerium und seine Umsetzungspartner arbeiteten „so weit wie möglich mit regimefernen Akteuren und Strukturen” zusammen. Über spezielle Klauseln in den Finanzierungsverträgen mit den Vereinten Nationen stellten das Ministerium und die Kreditanstalt für Wiederaufbau sicher, dass die geltenden EU-Sanktionen gegen Syrien eingehalten werden. Dies erfolge für jeden Einzelfall — auch . bei dem UNDP-Projekt. „Damit wird ausgeschlossen, dass die geltenden Sanktionen umgangen werden und betroffene Einzelpersonen oder mit ihnen verbundene Firmen von diesen Hilfsmaßnahmen profitieren.”

Doch mehrere Diplomaten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen äußerten gegenüber dieser Zeitung übereinstimmend die Einschätzung, dass es „unmöglich” sei, so etwas auszuschließen. Von einem „Dickicht” ist die Rede, das nicht zu durchschauen sei. Selbst wenn man transparente Ausschreibungen erzwinge und die Partnerfirmen „sauber” seien, bedeute das noch lange nicht, dass nicht am Ende der Kette wieder Leute aus dem Regime-Filz stünden, heißt es.

Damaskus hat eine gewisse Meisterschaft bei der Umgehung von Sanktionen entwickelt. Direkte Kontrolle vor Ort ist kaum möglich, die deutsche Vertretung in Damaskus ist nicht besetzt, und die mit Syrien befassten Diplomaten reisen nicht in die Hauptstadt, um das Regime nicht aufzuwerten. „Dass das Regime profitiert, kann man nicht vermeiden”, sagt ein westlicher Diplomat. „Man muss sich grundsätzlich entscheiden, ob man diese Kröte schlucken will.” Anders als die Vereinigten Staaten oder die Europäische Union hätten die UN auch keine rechtliche Handhabe, weil Assads Unterstützer — vor allem Moskau — UN-Sanktionen gegen das Regime verhinderten.

Aus den Reihen der Assad-Gegner wird schon lange scharfe Kritik an der Arbeit der UN in Syrien geäußert. Sie entzündet sich vor allem an dem Umstand, dass die internationale Gemeinschaft Lieferungen in vom Regime belagerte Gebiete nicht erzwinge, dass die UN immer auf eine Genehmigung des Regimes warteten und es so aufwerteten — während es die Zivilisten gezielt aushungere. Assad führe die UN immer wieder am Nasenring durch die Manege, heißt es von Oppositionsaktivisten.

Vergangene Woche setzten 73 mehrheitlich oppositionelle oder oppositions-nahe Hilfsorganisationen, die nach eigenen Angaben humanitäre Hilfe für mehr als sieben Millionen Syrer leisten, aus Protest ihre Kooperation mit den UN aus. In einem Brief an das Büro für die Koordination der UN-Nothilfe hieß es, die Regierung in Damaskus habe erheblichen Einfluss auf die Arbeit der in Damaskus angesiedelten UN-Organisationen und ihrer Partner, inklusive des Syrischen Roten Halbmonds. Die Unterzeichner erklärten, sie würden bis auf weiteres keine Daten mehr an eine Infor-mationssammelstelle übermitteln, mit deren Hilfe die UN ihre Hilfslieferungen abstimmen. Sie hätten wenig Hoffnung, heißt es in dem Brief, dass die UN-Nothilfe in naher Zukunft unabhängig von den Prioritäten der Damaszener Führung operiere.

UN-Mitarbeiter empfinden solche Vorwürfe als ungerecht und wohlfeil. Mancher hat Konvois begleitet und sich dabei in Lebensgefahr begeben. Mancher fühlt sich auch nicht wohl damit, bei all dem Elend im noblen “Four Seasons”-Hotel abzusteigen, das die UN als den sichersten Ort in Damaskus bezeichnen und das nach Angaben des “Guardian” in den vergangenen zwei Jahren umgerechnet gut acht Millionen Euro von den UN kassiert hat und zu einem Teil dem syrischen Tourismusministerium gehört. Aber nicht alle haben für solche moralischen Fragen ein angemessenes Sensorium. Im Februar rief der Chef der Unicef-Außenstelle für Aleppo bissigen Spott hervor. Er lobte (in einem inzwischen gelöschten Beitrag) in einem Bewertungsportal im Internet den Zimmerservice und das Essen im “Four Seasons”. Trotz der schwierigen Umstände funktioniere das Hotel gut.

FAZ , Seite 2 – 12 Sept 2016  – www.mesop.de