MESOP : AKTUELL GRAVIERENDE KORRUPTIONSFÄLLE IN & UM PODEMOS & IGLESIAS PARTNERIN / EIN GESPENST GEHT UM ALS VOGELSCHEUCHE IN EUROPA : HUGO C.!

Don Quijote gegen DIDA oben / Leo Wieland (FAZ) 8 Feb 2015 – Der Geist des verstorbenen Hugo Chavez erscheint seinem glücklosen Nachfolger Nicolas Maduro gelegentlich als Vögelchen. In der vergangenen Woche nahm er aber europäische Gestalt an: In der venezolanischen Nationalversammlung verkündete nämlich deren Präsident Diosdado Cabello, Nummer zwei des Regimes, den Wahlsieg von Syriza. Er sei der erste Beweis dafür, dass jetzt auch jenseits des Atlantiks „der Chavismus um die Welt geht”. Die nächste Station werde Spanien sein. Dort wird im Herbst gewählt. Und auch dort werde „der Wandel eher früher als später” kommen” dank Podemos.

Podemos ist Syrizas spanischer Zwilling, der vor einem Jahr aus der Bewegung der „Empörten” hervorgegangen ist. Podemos bedeutet „Wir können es”. Ihr 36 Jahre junger Vorsitzender Pablo Iglesias wird wegen seines Zopfes „el coletas” genannt. Er ist ein alter Bewunderer von Chavez, dem Kämpfer gegen Kapitalismus, Neoliberalismus und windelweiche „Bürgerlichkeit”. Früher stand Iglesias dazu. Heute, wo es im ölreichen Venezuela kein Milchpulver und keine Windeln mehr gibt, reagiert der Politologie-Dozent empfindlich, wenn er daran erinnert wird. Das sei doch „ein alter Hut”. Jetzt gehe es darum, in Spanien „die Ketten der Kaste” zu brechen. Sprich: des politischen Establishments der korrupten Konservativen und Sozialisten.

Doch so schnell wird Podemos den Schatten von Chavez nicht los. Denn einer der wichtigsten Leute von Podemos, Juan Carlos Monedero, ist in das Visier des spanischen Finanzministers geraten. Der Politologe Monedero hat als Berater diverser „bolivarischer” Länder neben Venezuela noch Bolivien und Ecuador fast eine halbe Million Euro erhalten, die er über eine von ihm gegründete Ge sellschaft in die eigene Tasche gelenkt haben soll. Chavez selbst hat laut „El Pais” fast vier Millionen Euro in eine politische Stiftung investiert, in der neben Pablo Iglesias auch einige andere Mitstreiter saßen, die heute zur Podemos-Führung gehören.

Auch sonst nahmen es die Funktionäre nicht so genau mit dem Geld. Auch Iglesias, der sein Dozentengehalt als ebenso geschickter wie rastloser Talkshow-Gast aufbessert, muss sich gegen den Vorwurf wehren, Schwarzgeld kassiert zu haben. Der Wahlkampfleiter von Podemos, Inigo Erejon, auch ein Politologe, kam ins Gerede, weil er sich clever als steuersparender Selbständiger deklarierte, während er zugleich ein festes Gehalt von der Partei erhält und dazu noch ein Universitätsstipendium einstrich.

Und schließlich ist da noch Tanja Sanchez, die Freundin von Iglesias. Bis vor wenigen Tagen gehörte sie zur orthodoxen Konkurrenz, der grünkommunistischen Partei Vereinigte Linke, sollte sogar als deren Spitzenkandidatin bei den spanischen Regional und Kommunalwahlen im Mai antreten. Als Stadträtin hat sie die linke Vetternwirtschaft über Bruder, Vater und Genossen mit öffentlichen Aufträgen angeblich geradezu in den Rang einer Kunstform erhoben. Nun hat sie nach heftigen Auseinandersetzungen die Partei verlassen und die Gründung einer eigenen „Volksunion” angekündigt. Die soll dann mit Podemos eine „gemeinsame Plattform” bilden. Das gefällt ihrem Lebenspartner nicht, weil dieser Podemos allein für stark genug hält.

Die spanische Öffentlichkeit hat eine Aversion gegen die Affären der Traditionsparteien. Doch an den Machenschaften der politischen Emporkömmlinge scheint sie sich nicht zu stören. Die haben inzwischen allerdings erkannt, dass zumindest Venezuela kein Wahlschlager sein wird. Gleichwohl stehen sie in ihrem Selbstverständnis auf der richtigen Seite der Geschichte. Und so verteidigen sie sich offensiv gegen die vermeintlichen Schmutzkampagnen der „Rechten” und des „Klassenfeinds”. Dazu zählen sie auch die Sozialisten von der Arbeiterpartei. Stattdessen versprechen sie die erste wirklich saubere Regierung im modernen Spanien.

Die geistige Heimat der Podemos-Führung ist die Madrider Complutense-Universität. Sie ist die größte Hochschule des Landes und wird von dem Mathematiker Jose Carrillo geführt. Der ist der Sohn des ehemaligen kommunistischen Parteichefs Santiago Carrillo. In diesem Refugium konnten die „chavistischen” Affinitäten gedeihen. Seit einigen Jahren lehrt und arbeitet dort eine Gruppe von Politologen und Soziologen um Iglesias, das neue Idol. Dort entstand ein Konzept, das Iglesias mit dem schlichten Spruch propagiert: „Spanien ist reich”. Damit findet er im Spanien der Sparpolitik und Strukturreformen offene Ohren nicht nur im großen Kreis arbeitsloser Akademiker und Jugendlicher, sondern auch bei vielen anderen Enttäuschten. Podemos verspricht: Grundgehalt für alle, Rente mit sechzig Jahren, Fünfunddreißigstundenwoche und, wenn nötig, keine Rückzahlung der Staatsschulden. Alexis Tsipras lässt grüßen!

Die jüngste Momentaufnahme der spanischen politischen Landschaft erstellte gerade das staatliche Institut für soziologische Studien. Demnach ist Podemos mit 24 Prozent Wählerzuspruch seit dem vorigen Oktober an die zweite Stelle vor der Sozialistischen Partei mit nur noch 22 Prozent gerückt. Die regierende Volkspartei von Ministerpräsident Mariano Rajoy konnte sich mit 27 Prozent zwar als stärkste Kraft behaupten, ist aber kapitale siebzehn Prozentpunkte von ihrem Wahlergebnis im Jahr zon entfernt, das ihr damals die absolute Mehrheit eintrug. Stimmen und Sympathien für Podemos kommen vor allem aus den Reihen früherer sozialistischer und kommunistischer Wähler.

Erstaunlich ist, dass Podemos ohne eindrucksvolle Führungspersönlichkeiten von Iglesias abgesehen , ohne ein klar umrissenes Programm und mit einer noch ganz unvollkommenen Organisation an die Spitze der Beliebtheitsskala gelangt ist. Noch ist nicht einmal klar, ob sie beim ersten Wahltest dieses Jahres am 22. März in Andalusien überhaupt mitmachen kann. Die dort regierende Sozialistin hat vorzeitige Regionalwahlen angesetzt, weil sie die lokale Organisationsschwäche von Podemos ausnutzen möchte.

Iglesias tastet sich derweil mit AntiMerkelAttitüde und griechisch herausfordernder Euroskepsis auf patriotisches Gelände vor. Bei der Macht und Präsenzdemonstration von Podemos mit mehr als hunderttausend Teilnehmern an der symbolträchtigen Madrider Puerta del Sol am vorigen Sonntag inszenierte er sich als Ritter von der zuversichtlichen Gestalt. „Wie Don Quijote”, so rief er seinem Publikum zu, „verteidigt Podemos das Volk, die da unten gegen die da oben.” Wer glaubte, er werde bei dem Wort „patria” (Vaterland) nur deshalb zögern, weil dieses zu dem StandardRepertoire der „Rechten” und der „Franquisten” gehöre, sah sich getäuscht. Er sprach es ohne Zögern aus, gab ihm neuen linken Gehalt: wider Ausbeuter, Banken und Politschurken. Und beschwor wie einst Martin Luther King fast amerikanisch seinen „Traum”. Auch der Parteiname „Wir können es” erinnert ja nicht zufällig an Barack Obama und dessen „Yes, we can”.

Rajoy und seine Volkspartei scheinen allmählich aus ihrer Lethargie zu erwachen. Im Herbst geht es um ihre Macht. Sie konzentrieren sich im Blick auf Andalusien und die anschließenden weiteren Regional und Kommunalwahlen ganz auf Podemos. Unter dem Motto „Sie sind gar nicht so gut, wie sie sagen” wird die Wahlkampfstrategie der Volkspartei darin bestehen, den politischen Gegner schlechtzumachen. Neben Venezuela und Nebeneinkünften wird es auch um Eta und die katalanischen Separatisten gehen. Denn die Männer von Podemos (Frauen sind nicht in der Führung) haben eine verdächtige Neigung zur Bildu-Partei der radikalen baskischen Nationalisten. Außerdem finden sie nichts Anstößiges an dem Plan der katalanischen Unabhängigkeitler, für sich ein „Selbstbestimmungsrecht” in Anspruch zu nehmen, ohne die übrigen Spanier zu fragen. Hier zeigt sich der Patriotismus von links in seinem ganzen, schon die Sozialisten zerfasernden „Pluralismus”. Die letzte und spannendste Station vor den nationalen Wahlen wird daher die Regionalwahl an der Costa Brava sein. Der katalanische Ministerpräsident Artur Mas hat sie für den 27. September angesetzt und schon in ein „Plebiszit” über die Unabhängigkeit umgedeutet. Im Frühherbst wählt außerdem auch Portugal.

Nach Griechenland könnte also die iberische Halbinsel eine politische Wundertüte öffnen mit weitreichenden Folgen für die Europäische Union, den Euro und den inneren Zusammenhalt Spaniens. Mit der „Antikorruptionspartei” ist trotz oder vielleicht sogar wegen ihres regierungsunerfahrenen Personals zu rechnen, trotz oder wegen ihres aus der Mottenkiste der sechziger Jahre hervorgeholten ideologischen Gepäcks. Chavismus in Europa: Das passt ins kontinentale Kuriositätenkabinett einer Krise, die im Norden Europas Rechtspopulisten und im Süden Linkspopulisten hervorgebracht hat.