MENA WATCH : RUNDFUNKBEITRAG ALS MODERNE KIRCHENSTEUER

«Wahlarena»: Die ARD konstruiert sich ihre eigene Wirklichkeit

Die Befragung des Kanzlerkandidaten Armin Laschet in der sogenannten Wahlarena wurde von Linksradikalen instrumentalisiert. Wenn ARD und ZDF weltanschauliche Schlagseite haben, verwandelt sich der Rundfunkbeitrag in eine Kirchensteuer für Ungetaufte.

Alexander Kissler,  «Neue Zürcher Zeitung» 16.9.2021

Die Idee ist wunderbar, und sie stammt aus den Vereinigten Staaten: Dort treffen in «Town Hall Meetings» Politiker auf jene Menschen, von denen sie gewählt werden wollen. Die Sorgen und Nöte der Bevölkerung sollen direkt an die politische Elite herangetragen werden, live und ungefiltert. In Deutschland heissen vergleichbare Sendungen «Wahlarena» (ARD), «Wahlforum» (ZDF) oder «Jetzt red i» (BR Fernsehen). In diesem Bundestagswahlkampf freilich offenbart sich die Künstlichkeit des Formats auf fast schon groteske Weise: Wirklichkeit wird konstruiert, nicht abgebildet, vor allem von den öffentlichrechtlichen Anstalten. Die Weltanschauung der Macher führt Regie.

Strenggenommen ist schon die Ankündigung Etikettenschwindel. Sowohl bei ARD als auch ZDF sollen «Fragen der Wählerinnen und Wähler» beantwortet werden. Tatsächlich kamen in den jüngsten Ausgaben von «Wahlarena» und «Wahlforum» auch minderjährige Schüler zu Wort, und im ZDF sprach ein Afghane, der seit 2015 mit Visum in Deutschland lebt. Sie alle haben am 26. September kein Wahlrecht. Insofern ist die Aussage des für die ARD verantwortlichen NDR-Chefredakteurs Andreas Cichowicz falsch: «Politik und Wahlberechtigte treffen direkt aufeinander. Das ist gelebte Demokratie und stärkt die politische Teilhabe.» Ähnlich äusserte sich sein ZDF-Kollege Peter Frey.

Wo bleibt die Transparenz?

Mag man in diesem Fall fünfe gerade sein lassen und darauf verweisen, es kämen doch, wie es ebenfalls heisst, «Bürgerinnen und Bürger» zu Wort. Dennoch zeigt bereits diese zurechtgebogene Wirklichkeit ein Grundproblem des ganzen Unterfangens: Die im Fernsehstudio versammelte Gruppe ist das Ergebnis eines strengen Ausleseprozesses. Ideologische Prägungen der Redaktion spielen ebenso eine Rolle wie die Fernsehtauglichkeit der Protagonisten. Das ZDF gibt unumwunden zu, die gecasteten Fragesteller verdankten sich bereits bestehenden Kontakten zum Sender, seien also bewährte Kräfte in der Rolle des Mannes oder der Frau aus der Bevölkerung. Oder aber die Redaktion habe sie «entdeckt und eingeladen», von sich aus oder durch einen Aufruf.

In der ARD-«Wahlarena» am Mittwoch mit Armin Laschet haben die Zwecke endgültig über die Mittel triumphiert. Moderator Cichowitz verkündete, das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap habe «uns dabei unterstützt, die Themen zu finden, die für die Bürgerinnen und Bürger bei dieser Wahl besonders interessant sind». Interessant war dann vor allem, wofür sich angeblich niemand interessiert: Nicht nach innerer Sicherheit, nicht nach Migration, nicht nach Bildung, nicht nach Inflation und Steuerlast wurde gefragt – wohl aber nach Cannabis, Inklusion, Diversität und Antirassismus. Wären diese Themen wahlentscheidend, müsste man keinen Wahlkampf mehr führen. Linkspartei, Grüne und SPD hätten ihre Zweidrittelmehrheit längst sicher.

Noch drastischer zeigt sich der Unterschied von «Wahlarena» und Wahlvolk an der Teilnahme von Aktivisten. Gleich zwei junge Frauen schafften es in die Sendung, die zuvor von einer linken «Aktivistinnen-Agentur» trainiert worden waren. Eine laut eigener Auskunft fünfzehnjährige «Schülerin und Geografiestudentin», die sich bei «Fridays for Futures» engagiert, und eine «Back Lives Matter»-Aktivistin hatten das Medientraining durchlaufen.

Besagte «Aktivistinnen-Agentur» wird von einer Frau geleitet, die der Interventionistischen Linken angehört – einer vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuften Organisation, die an den Gewaltexzessen beim Hamburger G-20-Gipfel vor vier Jahren beteiligt war. Obwohl diese Verbindungen bereits vor der Sendung bekannt waren, erteilten die Moderatoren den beiden Aktivistinnen kommentarlos das Wort. Auch eine junge Frau durfte reden, die sich als «Politikstudentin aus Kiel» vorstellte. Dass sie für das Wahlkreisbüro eines Bundestagsabgeordneten der SPD arbeitet, erfuhr man in der ARD nicht.

Wie eine Kirchensteuer für Ungetaufte

Die «Wahlarena» ist kein Einzelfall. Die öffentlichrechtlichen Medien eilen an vielen Stellen dem linken Spektrum zu Hilfe, besonders gern zu Wahlkampfzeiten: Mal unterschiebt der WDR Armin Laschet ein falsches Zitat, mal manipuliert er ein Ranking, das die FDP vorne zeigt, zugunsten der Grünen, mal entschuldigt sich die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios für harte Fragen an Annalena Baerbock, mal entpuppt sich im RBB ein zufälliger Passant im Nachhinein als Grünen-Politiker.

So wird der Rundfunkbeitrag schleichend zur Kirchensteuer für Ungetaufte: Jeder Bürger muss zahlen für die Vervielfältigung und Verbreitung einer Weltsicht, die wenige Bürger teilen. Wer aber einen Ausschnitt aus der Welt für diese selbst ausgibt, darf nicht erwarten, dass die Allgemeinheit ihn für eine solche Verbiegung zu eigenen strategischen Zwecken bezahlt.